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anschaulichen Sprachbildern. Dieser Effekt hebt die Sprache des Reiseberichts
aus dem Niveau der Alltagssprache, springt jedoch nicht in die
Fiktionalitätsebene.
Außerdem
werden
die
Personifikationen
in
usbekistanbezogenen Texten nicht zuletzt als Mittel der Karikatur eingesetzt.
In den Reisetexten werden Adjektive vor allem als stileffektgebende Mittel
gebraucht, die im Text eine Wertung des Autors, einen Bezugsmaßstab
implizieren. Beim wiederholten Gebrauch werden sie zu stehenden Beiwörtern,
Epitheta ornantia, die stereotypenähnliche
Wahrnehmungskonstrukte des
Autors zum Ausdruck bringen. Auch der Gebrauch der Fremdwörter, die der
Aussage eine wissenschaftliche Note verleihen, ist gut nachweisbar.
Realienwörter werden in deutschsprachigen Reisetexten über Usbekistan
zahlreich verwendet und verleihen dem jeweiligen Text einen hohen Grad an
Authentizität. Andererseits muss festgestellt werden, dass in vielen Fällen
russische Analoge statt authentische usbekische Kulturwörter gebraucht
werden. Dies zeugt nicht zuletzt davon, dass die Meinungsbildung der
Reiseautoren meistens von russischen Begleitern beeinflusst wurde. Auf diese
Weise versuchte
die damalige Kolonialmacht, das zaristische Russland oder
die Sowjetunion, die Reisenden sowie ihre Gedanken unter Kontrolle zu
behalten, die sich später in den Reisetexten widerspiegeln.
Die Intertextualität, die in den untersuchten Textkorpora vorhanden ist, wird von
den deutschsprachigen Reiseautoren nicht nur zur Kenntnisnahme verwendet.
Sie zeugt vor allem davon, dass einige Merkmale des Usbeken- und
Usbekistanbildes über einen langen Zeitraum konstant bleiben. Der am meisten
zitierte Autor ist dabei Hermann Vámbéry, der sogar von DDR-Autoren gelesen
und zitiert wird. Manche Autoren halten sich vor dem größten Orientkenner
zurück.
Die Konzeptanalysen der deutschsprachigen Reiseberichte resümieren ein
Usbeken- und Usbekistanbild, das sich im gesamten Zeitraum im Großen und
Ganzen kontinuierlich entwickelt.
Usbekische Männer
werden im Durchschnitt
als
mittelgroß, beleibt
und
freundlich
wahrgenommen.
Polygam
bleiben sie
ganz lange, erst bei Richter müssen sie sich mit einer Frau zufriedenstellen,
sind jedoch stolz auf ihre polygamen Vorfahren.
Das Bild der usbekischen Frau
ändert sich auch nicht wesentlich. Trotz der Abschaffung des Schleiers und der
Modernisierung durch die Sowjetunion bleibt sie für
die Reiseautoren
unterwürfig
und
gehorsam
. Die Konzepte „Samarkand“ und „Buchara“ werden
ausnahmslos von allen Autoren des gesamten analysierten Zeitraums
behandelt.
Samarkands
Architektur wird bewundert und fasziniert,
Buchara
wird
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als Stadt des Islam beschrieben und ruft ein kritisch-pejoratives Bild wegen
seiner Vergangenheit, des Wassermangels und der schmalen, ungepflasterten
Straßen mit grauen fensterlosen Lehmhäusern hervor.
Usbekische Basare
werden als Lebensmittelpunkt der Turkestaner beschrieben, orientalische
Waren, Düfte, Teppiche werden bewundert und romantisiert. Das ungewöhnlich
ruhige Verhalten der Verkäufer gegenüber den Kunden ruft eine irritierte
Reaktion bei den Reisenden hervor.
Das usbekische Essen
wird kontinuierlich
als
zu fett
,
ungesund
und
übermäßig viel
beschrieben, als
Hauptgetränk
der
Usbeken wird bis Christ hauptsächlich
der grüne Tee
konstatiert. Die
Gastfreundschaft
der
Usbeken
finden
die
deutschsprachigen
Reisebuchautoren fast immer übertrieben und klagen,
dass sie immer essen
müssen, damit der Gastgeber zufrieden ist, auch dieses Merkmal des
Usbekenbildes bleibt konstant.
Im Zentrum dieses Promotionsprojekts steht nicht zuletzt die Idee der Selbstfindung
durch die Erfahrung kultureller Fremde, da die Auseinandersetzung mit Fremdem, die
Wahrnehmung des Fremden auf das Engste verflochten ist mit der eigenen
Geschichte und Kultur. Jedoch gelingt es lediglich wenigen Reiseautoren, sich von
ihrer eigenen Kultur zu distanzieren, um einen nicht von Vorurteilen verstellten Zugang
zu der fremden Kultur zu finden. Stattdessen distanzieren sie sich von der fremden
Kultur und reflektieren sie aus der Sicht der eigenen Kultur, wobei sie oft die eigene
Überlegenheit demonstrieren. Dies widerspiegelt sich in den untersuchten
Reiseberichten.
Linguokulturelle Hermeneutik bildet dazu die spezifisch
sprachliche Relevanz der
Lehre des Verstehens von Kulturen, die vorläufig hauptsächlich auf theoretischer
Ebene bleibt. Insofern steht zu hoffen, dass in Zukunft mehr Arbeiten durchgeführt
werden, die die Strukturen der methodischen Herangehensweise des Faches
festlegen.