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In
diesem
Teil
thematisiert
Kisch
die
Entstehungsgeschichte
des
Timuridenmausoleums und erläutert dabei kurz das Leben und den Tod Tamerlans,
seines Enkels Ulug-Beg und einiger anderer Timuriden.
Nach Samarkand unternahm Kisch eine Reise nach
Buchara und zum Schluss
formuliert er seine Gedanken über Samarkand und Buchara mit Metapher und
Parallelismus in folgendem Zitat:
„
Hinter uns Samarkand, die Vergangenheit, und Buchara, die Mitvergangenheit, hinter
uns Tamerlan und der letzte Emir, hinter uns das Azurblau der Kuppeln und das
Schwarz der Kerkerverliese, hinter uns die Poesie und die Bestialität.
“
(Kisch 1932, S. 69)
Hans Werner Richter exotisiert Samarkand mit klassischen Periphrasen als eine
„
Märchenstadt aus Tausendundeiner Nacht
“ (Richter 1966, S. 40)
und mit der
Metapher „
ein Wort, dessen Vokale und Konsonanten sich abwechselnd wie schwarze
und weiße Perlen aneinanderreihen
“ (ebd.). Er zitiert den russischen Dichter Borodin,
der gesagt haben soll: „
Wer nach Samarkand geht, reist in die Vergangenheit
.“ (zitiert
nach: ebd.). In Samarkand bekommt er eine mehrköpfige Reisebegleitung: den
usbekischen Dichter Achundi, den russischen
Dolmetscher Kostja und die
Reiseführerin „Mila“ (Richter nennt sie „Mnimnoschka“, weil sie in ihrer Rede häufig
das russische Wort „немножко“ (dt: „ein bisschen“) gebraucht). Anhand dieser
Reiseführerin verlebendigt Richter historische Persönlichkeiten aus Samarkand:
„
Für sie ist alles noch lebendig, das grausame Märchenreich von gestern, und wenn
sie lächelt, lächelt der hinkende Tamerlan, lächelt sein Großsohn Ulug Beg, lächelt
Bibi-Chanum, die Lieblingsfrau Tamerlans, die hier jeder so gut kennt, als habe sie
gestern gelebt.
“
(Richter 1966, S. 43)
Richter versucht im Weiteren zu entschlüsseln, was Samarkand tatsächlich ist. Er stellt
viele Fragen, die einer Antwort bedürfen. Dabei gebraucht er beschreibende Epitheta,
Periphrasen, Metaphern, Personifikationen und Vergleiche. Seine lebendige Rede
steigert die Emotionalität seines Textes:
„
Ist Samarkand, Stadt der Gewalttaten und der Grausamkeiten, der Märchen und der
Legenden, einst Zentrum des Morgenlandes, Hauptstadt der Timuriden,
Ausgangspunkt für Tamerlans Feldzüge, ist dieses architektonische Wunder noch
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immer, was der Name verspricht? Oder hat die Stadt ihr Gesicht verloren, seit
Taschkent sie als Hauptstadt Usbekistans abgelöst hat? Ist auch sie nur noch ein
Museum, wie manche Russen es von Leningrad behaupten? Was hat sich verändert
seit jenen Tagen, als Kisch sie besuchte?
“
(Ebd.: S. 42)
Richter vergleicht Samarkand und das, was er erlebte, mit den Realitäten aus Kischs
Zeit, er präsentiert seine Erlebnisse auf der Grundlage von Kischs Reisebericht, zitiert
Kisch und versucht, Parallelen herzustellen.
Seine Stadtbesichtigung fing der Journalist mit den damals noch nicht vollständig
ausgegrabenen Resten des Observatoriums des berühmten Astronomen Ulug Beg an,
wobei Richter kurz dessen Lebensgeschichte erzählt, ihn mit Galilei vergleicht und
„
de[n] erste[n] Freigeist des Mohammedanismus
“ nennt (ebd.: S. 45). Bei der
Besichtigung der Schachi-Sinda vergleicht Richter die Erzählungen der Reiseführerin
mit Kischs Zeilen und liest diese sogar stellenweise immer wieder vor. Er sieht die von
Kisch beschriebenen Symbole des Aberglaubens nicht mehr und bezeichnet die
Schachi-Sinda als „
Do'stlaringiz bilan baham: