1.
Context / Rahmen
2.
Challenge / Herausforderung
3.
Suffering / Leid
4.
other people / andere Menschen
5.
Mastery and Skill/ Bewältigung und Eigenkönnen
6.
Contrasts / Kontrasterfahrung
7.
being in the present / „Im Moment sein“
8.
Compulsion / Druck
9.
Pleasure / Vergnügen
Kerr & Mackkenzie (2012) und auch Gardner & Steinberg (2005) kritisierten in der
Motivforschung von Erwachsenen und auch Jugendlichen, dass in Forschungsstudien
Teilnehmer diverser Extrem-, Risiko- und Abenteuersportarten oft zu einer homogenen
25
Gruppe zusammengefasst werden, um eine statistische Analyse zu ermöglichen. Diese
Homogenisierung liefert zwar gewisse Erkenntnisse, jedoch werden auch diverse Motivgründe
übersehen. Barlow, Woodman & Hardy (2013) verglichen daraufhin die Motivgründe aus zwei
verschiedenen Risikosportarten, dem Fallschirmspringen und dem Bergsteigen. Diese
Ergebnisse zeigten, dass bei den Fallschirmspringern das Motiv Sensation Seeking sehr stark
zu beobachten war und bei den Bergsteigern mehr die Motive Selbstbestimmung und
Emotionsregulation wichtig waren. Daraus folgerte man, dass Risikosportler mehr
sportartspezifisch betrachtet werden sollen, um an neue Erkenntnisse zu kommen. Im Bereich
der neueren Forschung lässt sich zusammenfassen, dass ein eindeutiges Persönlichkeitsprofil
bei unterschiedlichen Risikosportlern nicht nachzuweisen ist (Brymer & Schweitzer, 2013; Kerr
& Mackenzie, 2012).
In Bezug auf das 1996 von Rheinberg aufgestellte Anreiztrias lieferten Stops und Gröpel (2016)
Einblicke anhand einer qualitativen Untersuchung speziell mit professionellen Freeridern. Für
die befragten Athleten stellten das Kompetenzerleben und die erregende
Bedrohungswahrnehmung die stärksten Anreize dar. Als bedeutende Motive wurden öfters
das Ausüben ungewöhnlicher Bewegungszustände, das Erleben von Rotation und
Schnelligkeit, Naturerleben und die Freiheit genannt. Geschwächt werden können diese
Anreize nach Stöps & Gröpel (2016) durch erhöhte Verletzungsgefahr
oder Druck aufgrund
von Ergebnis und Platzierung.
Brymer und Schweitzer (2013) analysierten additional zu den bisherigen Motiven noch speziell
das Freiheitsgefühl als eigenes Feld. Insgesamt konnten sechs Arten des Freiheitsgefühls von
Risikosportlern festgestellt werden: Freiheit von Zwängen, Freiheit in der Bewegung, Freiheit
als Loslassen in der Notwendigkeit der Selbstkontrolle, Freiheit als Befreiung von Angst,
Freiheit in der Unbefangenheit und schließlich Freiheit in der Wahl und der eigenen
Verantwortung.
Neben Stops und Gröpel analysierte auch Frühauf et al. (2017) mit einem qualitativen Ansatz
die Motive von Freeridern. Auch hier konnte gezeigt werden, dass das bewusste Suchen von
Gefahren kein Motiv für die Sportausübung ist, sondern dass eine Minimierung der Risiken
durch Erfahrung und Vorbereitung angestrebt wird. Zudem bringt der Freeridesport auch
einige positive Aspekte und Herausforderungen für die Athleten mit sich.
26
Einblicke bezüglich Risikoeinschätzung und risikoverhalten im Extremsport liefert unter
anderen die Studie von Raue et al (2017). So verändert sich die Risikoeinschätzung bei
sportlicher Aktivität, was zu einem Anstieg von riskanten Verhaltensweisen führen kann.
Durch Bewegung werden Neurotransmitter ausgeschüttet, welche für ein angenehmes Gefühl
sorgen und so die Risikowahrnehmung beeinflussen. Den Grad der Auswirkung von Bewegung
auf Risikowahrnehmung war jedoch abhängig von der Erfahrung der Getesteten. So
veränderte sich die Risikoeinschätzung bei den Teilnehmern mit mehr Erfahrung über den
gemessenen Zeitraum nicht. Da anhand dieser Studie vor allem unerfahrene Sportler in Gefahr
sind, höheren Risiken ausgesetzt zu sein, legen Raue et al. (2017) nahe, dass mit einfachen
objektiven Hilfsmittel, wie Lawinenskalen und Winkelmesser, interveniert werden kann.
Zudem sind Raue et al. (2017) der Meinung, dass Risikoeinschätzung nicht nur von
Persönlichkeitsmerkmalen, wie dem Sensation Seeking abhängig ist, sondern auch von dem
jeweiligen Zustand des Subjekts, beeinflusst durch Erfahrung, Emotionen und dem Kontext, in
welchem sich die Situation abspielt.
Entscheidungen im Risikokontext sind ein komplexer Prozess, abhängig von Faktoren wie
Erfahrung, Fähigkeiten und individuellen menschlichen Faktoren (Pector et al. 2013). Die
Ergebnisse der Studie von Haegelie (2010) legen nahe, dass die verschiedenen Zielgruppen
(Professionelle und Amateure) signifikante Unterschiede in ihrer Beurteilungskapazität von
Risiko aufweisen. Zudem legen die Ergebnisse der Studie nahe, dass Amateure im freien
Gelände, im Vergleich zu Bergführern, signifikant weniger komplexe Entscheidungen treffen
und Sicherheitsfaktoren teilweise außer Acht lassen.
Da Wintersportler meistens in Gruppen unterwegs sind, untersuchten Zweifel & Haegeli
(2014) das Risikoverhalten speziell im Hinblick auf die Auswirkung von Gruppendynamiken
und deren komplexen Entscheidungsfindungen. Die Ergebnisse zeigen, dass die Bildung von
Gruppen positive Auswirkungen auf das Risikoverhalten der Wintersportler hatte. So wurde
die Gruppengröße stets beachtet und das Mitführen von Personen, die als riskant und
unberechenbaren angesehen wurden, wurde vermieden. Gleichzeitig wird betont, dass vor
allem sich gerade bildende Gruppen oder Gruppen, die von dritten gebildet werden, erhöhten
Risiken ausgesetzt sein können. Bei diesen zwei Beispielen können sich durch fehlende
Strukturen negative Gruppendynamiken entwickeln.
27
4.
Jugendliche und Risikosport
a.
Die Lebensphase Jugend
Eine einheitliche Definition des Begriffs
Jugend gib es weder in der Alltags- noch in der
Fachsprache. Aus Entwicklungspsychologischer Sicht, befindet sich das Kind ab dem 12.
Lebensjahr in der Entwicklungsstufe, beziehungsweise in der Entwicklungsphase, die als
Jugend oder Adoleszenz bezeichnet wird (Oerter & Dreher, 2002). Diese Phase ist nach Erikson
(1966) durch die psychosoziale Krise „Identität vs. Identitätsdiffusion“ (Phase V) geprägt. In
der Soziologie definiert man Jugend nach folgenden Elementen (Schäfers, 2001):
•
Altersspanne im Lebenszyklus von jedem Individuum. Diese beginnt mit dem Einsetzen
der Pubertät um das 13. Lebensjahr. Der Jugend als Altersphase geht die Kindheit
voraus und es folgt das Erwachsenenalter.
•
Altersgruppe von circa 13- bis 25-Jährigen mit typischen Verhaltensweisen und
Einstellungen für diese Lebensphase. Die 13- bis 18-Jährigen (pubertäre Phase) stellen
hierbei die eigentlichen Jugendlichen dar; für die 18-25-Jährigen ist der Begriff Post-
Adoleszenz gebräuchlich.
•
Biologisch mitbestimmte, aber sozial und kulturell „überformte“ Lebensphase, in der
das Subjekt die Voraussetzungen für ein selbstständiges Handeln in allen
Gesellschaftsbereichen erwirbt.
•
Subkultur; eine gesellschaftliche Teilkultur.
Die Adoleszenz erstreckt sich über ca. zehn Jahre und weist quantitativ, sowie qualitativ sehr
heterogene Entwicklungsprozesse auf. Steinberg (1993) unterteilt hier drei Phasen:
•
frühe Adoleszenz zwischen 11 und 14 Jahre
n
,
•
mittlere Adoleszenz zwischen 15 und 17 Jahre
n
und
•
später Adoleszenz zwischen 18 und 21 Jahren.
28
Die Abgrenzung zwischen Jugend und dem Erwachsenenalter erfolgt nicht über das Alter,
sondern über Funktionsbereiche (Einstieg in das Arbeitsleben), Rollenübergänge und Kriterien
sozialer Riefe. Durch die Verlängerung der Bildungszeit und den späteren Einstieg in das
Berufsleben ergibt sich eine Ausdehnung der Jugendphase, die sich bis zum 30. Lebensjahr
erstrecken kann. Diese Verlängerung der Jugendphase ist für die heutige Jugend
kennzeichnend (Raithel, 2011). Der Eintritt ins Jugendalter wird zumeist mit der beginnenden
Geschlechtsreife definiert, aber eine genaue Festlegung der Zeitspanne der Jugendphase ist
nur begrenzt möglich. Die traditionelle Beendigung des Jugendalters, mit der Aufnahme eines
Berufs und den damit einhergehenden Ablösungsprozessen aus der elterlichen Abhängigkeit
und damit die Übernahme neuer Pflichten und Verantwortungen, hat sich weitgehend
aufgelöst.
Die Ziele dieser Lebensphase sind hingegen deutlicher ersichtlich. Nämlich mit der Ausbildung
der Ich-Identität, beziehungsweise der Individuation (Ortner & Dreher, 2002; Hurrelmann,
1986; Erikson 1966). In der Sozialisationstheorie geht die Ausbildung von Identität mit dem
Erwerb von Handlungskompetenz einher. Handlungskompetenz meint die Fähigkeit, mit den
Anforderungen der Umwelt produktiv umgehen zu können und gleichzeitig die eigenen
Motive, Interessen und Bedürfnisse einbringen zu können.
Die heutige Jugendphase wird zunehmend individueller und neue jugendliche Verlaufsmuster
und Lebensstile lösen bisherige chronologische Übergangsereignisse und Verlaufsmuster ab
(Kohli, 1998). Die Effekte der Modernisierung werden im jugendsoziologischen Kontext
ambivalent bewertet. Einerseits wird die Individualisierung
als positiv angesehen, da sie
einzigartige, chanceneröffnende Perspektiven mit sich bringen kann. Andererseits wird dieser
Prozess aufgrund von Vereinzelung, Entfremdungstendenzen und Selbstkontrollzwängen als
problematisch betrachtet. Diese gesellschaftliche Individualisierung und Differenzierung kann
also weder eindeutig positiv noch negativ gesehen werden, da der Umgang mit den
erweiterten Möglichkeiten und dem größeren Handlungsspielraum von den Eigenschaften,
Fähigkeiten und auch den Umweltbedingungen abhängig ist (Raithel, 2011). Nach Hurrelmann
(1994, S.288) „hat sich die Jugendphase in den heutigen Industriegesellschaften in
historischen Perspektive tiefgreifend geändert.“
29
Durch
die Ablösung von Traditionen und alten Klischees besteht für jedes Individuum die
Chance, einen eigenen Lebensstil aufzubauen. Gleichzeitig hat dies auch einen gesteigerten
Erwartungs- und Originalitätsdruck zur Folge (Engel & Hurrelmann, 1993).
Durch den Verlust von kollektiver Stabilität, Traditionen und Verbindlichkeiten ist die
Identitätsfindung von der Rollenidentität zur Ich-Identifikation zunehmend gefährdet. Diese
Verluste können Identitäts- und Integrationskrisen zur Folge haben und schmälern so die
Chancen auf autonome Handlungsfähigkeiten und eine eigenständige Ich-Identität (Oerter &
Dreher, 2002).
Die Sicherung der Lebensqualität und vor allem die Befriedigung von Bedürfnissen erfolgt
immer stärker durch die Orientierung an Freizeitbeschäftigungen. Die jugendliche
Lebensphase ist heute eine mit viel frei einteilbarer Zeit. Das bedeutet jedoch nicht gleichzeitig
Freisein. Oft kommt es einerseits zu Langeweile, ausgelöst durch Vereinsamung oder auf der
anderen Seite zu einer Gefährdung durch Stress und Überangebot (Opaschowski, 1994).
Vereinsamung meint hier, Kontaktarmut und den Zwang zur Freizeit mit mangelndem
Selbstvertrauen.
Da die Langeweile zum Problem der modernen Gesellschaft geworden ist, wird diese heute
als verlorene Lebenszeit bewertet. Langweilige Freizeit ergibt sich aus einem Mangel an
Interessen und Zielstrebigkeit. Unzählige Freizeitangebote und Konsumoptionen bereiten
immer mehr Probleme, die Jugendliche nach der Schule nur noch schwer zur Ruhe kommen
lassen. Erschwerend hinzu kommt noch, dass auch im Bereich des Freizeit- und
Konsumbereichs der Erwerb von Titeln und Laufbahnen eine immer größere Rolle einnimmt
(Raithel, 1999). Hier kann es zu großer psychosoziale Belastung kommen, da zwischen
Schulstress und Freizeitstress nur noch sehr wenig Zeit für Erholung bleibt
.
b.
Risikoverhalten bei Jugendlichen
Die Lebensphase Jugend ist also durch die Suche und Entwicklung einer eigenen Identität
charakterisiert. Kennzeichen dieser Altersspanne sind Aufbruch und starke Veränderungen
sowohl auf biologischer, als auch auf der Beziehungsebene. Gruppen Gleichaltriger im
30
schulischen, beziehungsweise im beruflichen Kontext rücken gegenüber dem familiären
Umfeld in den Vordergrund. Der Übertritt in das Rollensystem der Erwachsenen ergibt für
Jugendliche neuartige Handlungsmöglichkeiten, aber auch Handlungsanforderungen.
Massive biologische und soziale Veränderungen machen die Jugend zu einer hoch riskanten
Entwicklungszeit. Das Austesten eigener Handlungskompetenzen und der gemeinschaftlichen
Norm sind Gründe dafür, ein im Vergleich zum Erwachsenen, erhöhtes Risikoverhalten
(Hurrelmann, 1994; Fend, 2001; Raithel, 2001). Jugendliche üben oft gesundheitsriskantes
Verhalten aus (Seiffge-Krenke 1994; Kolip, 2000; Silbereisen & Reese 2001), überschreiten
häufiger Grenzen und missachten Gesetze in Form von kriminellen Handlungen. Zudem
beteiligen sich Jugendliche häufiger an risikoreichen Verhalten in Form von „Ausprobieren“,
„Testen“, „Grenzen überschreiten“. (Muuss, 1993, S.189). Riskante Verhaltensweisen sind
also ein wesentliches Bestimmungselement der jugendlichen Entwicklungsphase. Raithel
(1999) geht davon aus, dass riskantes Verkehrsverhalten, ebenso wie der Alkohol-,
Medikamenten- und Drogenkonsum als eine mögliche Überforderungsfolge aus
psychosozialen Belastungen und Problemen während des Statusüberganges anzusehen ist.
Das Risikoverhalten, spezifisch bei Jugendlichen, wird in vielen Arbeiten als mögliches Resultat
von langfristig wirkenden überdurchschnittlichen psychosozialen Belastungen und damit
einhergehenden unzureichenden Bewältigungskapazitäten gesehen. Hinzu kommen
Orientierungskrisen, Verhaltensunsicherheiten und das Testen, beziehungsweise
Überschreiten der elterlichen und gesellschaftlichen vorgeschriebenen Grenzen (Mansel &
Hurrelmann, 1991; Engel & Hurrelmann, 1993; Schnabel, 2001). Diese Verhaltensweisen
werden als Lösungsversuch einzelner Herausforderungen und Problemen im
Entwicklungsprozess der Jugendlichen gesehen (Silbereisen & Reese, 2001). Zudem kann über
das Risikoverhalten Anerkennung und Integration bei Gleichaltrigen erlangt werden.
Die Auseinandersetzung mit den Lebensanforderungen ist in der sensiblen Jugendphase sehr
wichtig, da neue Verhaltensweisen ausprobiert und verfestigt werden können. Wenn es
jedoch zu Bewältigungsproblemen kommt, so kann sich das in problematischen
Verhaltensweisen äußern (Raithel 2011).
31
c.
Sport bei Jugendlichen
Seit Ende
der 1980er Jahre lässt sich ein Trend zur Versportlichung des jugendlichen Alltags
nachweisen (Zinnecker 1898). Die Interessen und Motive für die Teilnahme in den
verschiedenen Bereichen der Jugendsportkultur sind bereits differenziert erforscht worden.
Im Bereich der ländlichen Regionen liefen Bauer & Burrmann (2000) Erkenntnisse, ebenso zum
sporttreiben auf Vereinsebene forschten Kurz & Sack & Brinkhoff (1996) und bezüglich
jugendlichem Engagement im Leistungsbereich geben Richartz &Brettschneider (1996) einen
Überblick. Im Bereich der sozialisatorischen Wirkung von Sport gibt es jedoch noch eher
bescheidene Erkenntnisse.
Generell wird der Sportausübung bei Jugendlichen, Gesundheits- und Entwicklungsförderliche
Effekte zugeschrieben (Lampert, 2010). Jedoch sind, abseits von den kardiovaskulären
Effekten, soziale und psychische Wirkpotenziale bisher ungesichert (Raithel, 2003).
Auch im Hinblick auf den Einfluss von sportlicher Aktivität auf das Selbstbild konnte empirisch
bisher weder ein eindeutig positiver, als auch negativer Zusammenhang nachgewiesen
werden. Vielmehr konnte man eine uneinheitliche Befundlage feststellen. Hei &
Brettschneider (2002) gingen der Frage nach, ob sportliches Engagement, sowohl im
Leistungs- als auch im Freizeitsport, zur Entwicklungsförderung im mittleren Jugendalter
beitragen kann. Die Untersuchung zeigte, dass es den Heranwachsenden zwischen dem 14.
und 16. Lebensjahr gut gelingt, ein recht positives Verhältnis zur eigenen Person
aufrechtzuerhalten. Die entscheidenden Weichenstellungen im Bereich des Selbstkonzeptes,
spielen sich nach Heim & Brettschneider (2002) wohl schon im Übergang von der Kindheit zur
Adoleszenz ab. Jedoch wurde bemerkt, dass das Selbstbild der sozialen Beziehungen zu Peers
des anderen Geschlechtes teilweise davon ausgenommen ist. Bezüglich der Verbindung von
Selbstwertgefühl und sportlichem Engagement gibt es zwei Ansätze nach Sonstroem (1997):
•
„self-enhancement hypothesis“ – Selbstwertgefühl als Motivation. Jugendliche mit
positiver Selbsteinschätzung, vor allem in körperlicher Hinsicht, werden verstärkt
sport- und körperbezogene Situationen aufsuchen, da sie in diesen Bereichen
Selbstwirksamkeit erfahren und das Selbstwertgefühl so steigern können.
•
„skill-development hypothesis“ – Selbstwertgefühl kann sowohl durch positive als
auch negative Erfahrungen verändert werden, zum Beis
piel im Umgang mit
32
motorischen Fähigkeiten.
Selbstwertgefühl ist hier eine Auswirkung von Engagement
als Motivation.
Beide Theorien verdeutlichen die Wichtigkeit sportlicher Aktivität für die Entwicklung eines
positiven Selbstbildes.
Bei Risiko-, Abenteuer- oder Extremsportarten ist das Gesundheitsrisiko ein elementarer
Bestandteil der Tätigkeit, da nur über die Aussetzung der Gefahr ein „Kick“ erreicht werden
kann. Bei vielen dieser Aktivitäten geht es um „Coolness“, die Selbstdarstellung in der Szene,
den „ultimativen Kick“, bzw. Grenzerfahrungen und die vertiefte Selbsterfahrung (vgl. Apter
1994; Semler 1997; Neumann 1999; Raithel 2001a; 2003b).
d.
Identitätsfindung im Risikosport
Um Motivation zu Risikosport erklären zu können, muss man neben den bereits dargelegten
Theorien auch die „Suche nach Identität“ als weiteren Faktor, speziell bei Jugendlichen,
berücksichtigen.
Den
Beitrag von sportlichem Engagement zur Entwicklung von Jugendlichen darzustellen
würde den Rahmen dieser Arbeit gewiss sprengen, jedoch werden im Folgenden einige
Konzepte aufgezeigt, die aufzeigen sollen, dass das Ausüben von Risikosport eine Funktion zur
Konstruktion von Identität innehaben kann.
Hurrelmann (2003) zeigte im Rahmen der Shell-Jugendstudie 2002, dass in unserer
Gesellschaft Lebenskonzept und Identität die großen Herausforderungen für Jugendliche sind.
Auch Heinzlmaier (2013) beschreibt die Vielfalt an Wahlmöglichkeiten
als dominantes Thema
im Zuge der Identitätsbildung der jungen Erwachsenen. Dies ist darauf zurückzuführen, dass
die Identitätsbildung und Kontinuität des Selbsterlebens angesichts der zunehmenden
Instabilität, Gegensätzlichkeit und Partikularisierung von Lebensbereichen in unserer
Gesellschaft erschwert ist (Hurrelmann, 1999; Junge, 2004).
Nach Kurz & Brinkhoff (1989) in Anlehnung an Erikson (1973) kann Identität durch drei
einfache Merkmale gekennzeichnet werden:
33
•
Identität besteht wesentlich aus der wahrgenommenen Gleichheit mit sich selbst, d.h.
darin, dass jemand in der eigenen Wahrnehmung und der anderer „sich selbst treu
bleibt“ und dennoch
s
ituationsgemäß handelt. Dies ist vor allem für Jugendliche, die
plötzlich die ganze Komplexität der Erwachsenenwelt erfahren, eine schwere Aufgabe.
•
Identität beinhaltet, dass diese zu erarbeitende Kontinuität sich auf ein akzeptiertes
Ich bezieht, ein Ich, dessen wahrgenommene Eigenschaften in den für bedeutsam
angesehenen Ausschnitten nicht aussichtslos vom Ich-
I
deal abweichen. Ein positives
Selbstwertgefühl ist ein Aspekt der Identität.
•
Identität ist Voraussetzung und Folge gelingender menschlicher Beziehungen
. S
ie kann
prinzipiell besser begründet und aufrechterhalten werden, je weniger diese
Beziehungen von einseitigen
Abhängigkeitsverhältnissen abhängig sind. Daraus erklärt
sich die fast unersetzbare Bedeutung der Gruppe von Gleichaltrigen für die
Identitätsbildung in der Jugend.
(Kurz & Brinkoff, 1989, S. 103)
Als Indizien, dass sportliches Engagement die Identitätsfindung im Jugendalter fördert, kann
die Selbstbestätigung durch sportliche Leistung, die Sicherheit im Umgang mit dem eigenen
Körper und Verhaltenssicherheit durch die Sportgruppe genannt werden (Kurz & Brinkhoff,
1989, S. 103)
Der Gesellschaftliche Wandel ist ein wichtiger Faktor und im Bereich der Identitätsfindung
nicht zu vernachlässigen. In der Postmoderne kommt es in den Industrieländern zur Öffnung
der traditionell akzeptierten Lebenskonzepte (Keupp, 2003, S. 9) und eindeutige Muster zum
Erwerb sozialer und kultureller Identität gehen verloren (Hurrelmann, 2003).
Instabilität und Wahlmannigfaltigkeit ergeben nun ein neues Anforderungsprofil für
Jugendliche, die in einer westlichen Gesellschaft Fuß fassen wollen. Vor diesem Hintergrund
kann das Ausüben von Risikosport als Hilfestellung gesehen werden, um zu einem „eigenem
Lebenskonzept“ zu kommen. Das Subjekt kann hier nämlich eine bereits bestehende Rolle
übernehmen, die trotzdem gegenüber der Gesamtgesellschaft sehr individuell ist. So wird ein
Mindestmaß an Unterschiedlichkeit zu anderen erlangt, das dem Grundbedürfnis „need for
uniquness“ (wird im Folgenden vorgestellt) gerecht wird.
34
Die Uniquness Theorie besagt, dass Menschen eine sehr hohe und sehr niedrige Ausprägung
von Gleichheit und Unterschiedlichkeit zu anderen als unangenehm empfinden und daher
danach streben, sich moderat von anderen zu unterscheiden (Lynn & Harris 1997).
i.
Soziale Medien und Identität
Soziale Medien können im 21. Jahrhundert nicht unberücksichtigt gelassen werden, denn
immer wichtiger wird auch die Identität, die in sozialen Netzwerken, wie Instagram oder
Facebook, eingenommen werden. Brake (2009, S. 6) definiert „Soziale Medien als webbasierte
Anwendungen oder Programme, die es ermöglichen, Inhalte in Form von Worten, Bildern,
Videos und Audiodateien anzulegen und einfach zu übermitteln.“
Soziale Medien dienen der Kommunikation mit Gleichaltrigen, fördern Kollaboration und
Gemeinschaft (Meraz, 2009, S.682) und bieten eine Plattform für Identitätsarbeit (Sanderson,
2008, 2013). Diese Art der Kommunikation hat die Ausdrucksformen von Identität stark
beeinflusst, da sie den Menschen ermöglichen, selektive Selbstpräsentationen zu betreiben
(Walther 1996; Walther et al. 2011). Dies ermöglicht dem Individuum Autonomie in der Art
,
wie Identität präsentiert wird.
Soziale Medien sind aus der Sportwelt nicht mehr wegzudenken (Sanderson, 2011). Besonders
Randsportarten
,
wie das Freeride Skifahren
,
leben von der Vermarktung über Netzwerke wie
Facebook und Instagram, denn diese Medien werden genutzt
,
um in der Fan-Athleten-
Beziehung Werbung von Sponsoren zu platzieren. Im Freeridesport, gibt es zumindest in
Österreich keine Mannschaftsförderungen und Athleten sind größtenteils selbst für ihre
Vermarktung und das Akquirieren von Sponsorengeldern zuständig. Das Posten von Bildern in
s
ozialen Medi
e
n kann also nicht rein als Identitätsarbeit gesehen werden, da dies in
Sponsorenverträgen im Normalfall gefordert wird.
ii.
Sozialisations- und
s
tresstheoretische Konzepte
Sozialisation bezeichnet den Prozess der Konstituierung der Persönlichkeit und bezieht sich
auf Prozesse der Individuation und der gesellschaftlichen Integration (Raithel, 1999).
35
„Mit Persönlichkeit wird, das einem Mensch spezifische, organisierte Gefüge
von Merkmalen Eigenschaften und Handlungskompetenzen bezeichnet, das
sich auf der Grundlage der biologischen und psychischen Ausstattung als
Ergebnis der Bewältigung von Lebensaufgaben jeweils lebensgeschichtlich
ergibt. Als Persönlichkeitsentwicklung lässt sich sie sequenzhafte und
langfristige Veränderung wesentlicher Elemente des Gefüges im historischen
Zeitverlauf und im Verlauf des Lebens bezeichnen.“(Hurrelmann 1991, S. 98)
Die
Entwicklung vom Kind zum Erwachsenen ist nach sozialtheoretischen Modellvorstellungen
dann gegeben, wenn das Subjekt die Interpendenz zwischen innerer und äußerer Realität
produktiv verarbeiten kann (Hurrelmann, 1986). Der Jugendliche wird als aktiver Gestalter
seiner Umwelt und als ein „
Do'stlaringiz bilan baham: |