Zum Usbeken- und Usbekistanbild im deutschsprachigen Raum



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Bog'liq
Diss Rakhimova 2018

sie die Frauen von sechzig- und siebzig jährigen reichen Mollas oder Kaufleuten 
waren.

 
(Ebd.) 
Hans-Hermann Graf von Schweinitz, der mit seiner Frau in Turkestan unterwegs war, 
vergleicht die Harems in Turkestan mit jenen in Anatolien. Er sieht den Unterschied 
nur darin, dass die Ehefrauen in Anatolien jeweils ihren eigenen Harem haben, 
diejenige in Turkestan aber alle gemeinsam in einem Harem vereint wären (vgl. v. 
Schweinitz 1910, S. 75).
Egon Erwin Kisch erzählt von der Einteilung des Hauses in Turkestan gemäß 
muslimischen Regeln und benutzt dabei die ortsüblichen Realienwörter 
Taschkari
(Außenteil) und 
Itschkari
(Innenteil). Er stellt verschiedene Szenen usbekischer 
Realität dar, wo sich die für seinen Schreibstil typische 
distanzierte Sachlichkeit
bemerkbar macht. Durch das Einbauen fremdsprachlicher Floskeln steigert sich die 
Faktizität, wie in folgendem Beispiel: 

Der Hausherr führt uns ins Taschkari, die Männerabteilung. Möbellose Zimmer ohne 
Ofen. Zusammengelegte Steppdecken sind bereit, jederzeit als Stühle, und ein 
Teppich, jederzeit als Tisch zu dienen. Nachts sind Decken und Teppich das Bett. Wir 
möchten das Frauenhaus sehen. Ungern willigt der Hausherr ein, tritt auf die andere 
Seite des Hofes, von wo ein gedeckter Korridor hinüberführt zum Itschkari, klatscht in 
die Hände, ruft ‚ej, kotschinglar‘ (verschwindet!) und geht voraus, um zu sehen, ob die 
Luft rein ist.

 


151 
(Kisch 1932, S. 31) 
Kisch wechselt die Erzählebene und fügt Dialoge zu seinem Reisebericht hinzu. 
Dadurch hat das Lesepublikum das Gefühl, mit einer 14-jährigen Kind-Mutter ins 
Gespräch zu kommen. Dies verleiht emotionale Lebendigkeit und steigert die 
Authentizität, wozu auch die Realienwörter 
Kalim
(ʻKaufpreisʼ) und 
Lischenez
(ein 
Sowjetismus mit der Bedeutung ʻVerlust der Bürgerrechteʼ) dienen: 

Graue Farbe: Ein Mädchen kommt herein, hebt den Schleier. ‚Wie alt bist du?‘ 
‚Vierzehn Jahre.‘ 
‚Was willst du?‘ 
‚Ich – ich habe vor neun Wochen – geheiratet. Und ich – ich möchte – möchte weg von 
meinem Mann.‘ 
‚Wer hat dich verheiratet?‘ 
‚Meine Mutter. Sie ist sehr arm, und sie hat für mich ein großes Kalim (Kaufpreis) 
bekommen.‘ 
‚Wieviel hat er bezahlt?‘ 
‚Sechzehn Hammel.‘ 
‚Wie alt ist er?‘ 
‚Das weiß ich nicht. Seine Enkelsöhne sind älter als ich.‘ ‚Er hat also außer dir noch 
eine Frau?‘ 
‚Nein. Er hatte drei Frauen, sie sind alle tot.‘ 
‚Was ist er von Beruf?‘ 
‚Händler. Er ist Lischenez.‘ (Einer, dem die Bürgerrechte abgesprochen sind.) 
‚Warum willst du von ihm fort?‘ 
‚Ich bin ein Jahr lang zur Schule gegangen und möchte weiterlernen oder wenigstens 
lesen. Das erlaubt er nicht. Ich hatte ein Buch, er hat es verbrannt und mich 
geschlagen. Ich habe einmal gesagt, daß ich den Schleier ablegen will. Darauf hat er 
gedroht, er wird mich töten, wenn ich so etwas auch nur sage. Er läßt mich nicht 
ausgehen. Ich kann aber nicht den ganzen Tag auf der Erde sitzen und mit dem 
Halsband spielen. Heute bin ich weggelaufen.‘ 
Rote Farbe: ‚Gut. Du kannst vorläufig hierbleiben.‘ 
‚Aber ich – ich bekomme ein Kind.‘ 
‚Der Arzt wird dich untersuchen, vielleicht kann er dir helfen.‘ 
‚Wird meine Mutter die sechzehn Hammel zurückgeben müssen?‘ 
‚Nein. Wir werden ein Protokoll aufnehmen und schicken es ans Gericht.


(Ebd.: S. 26-27) 


152 
Er kritisiert auch das Schicksal der älteren Frauen in den Harems, die aufgrund 
finanzieller Not zu Prostituierten werden. Der Autor äußert seine kritische Haltung 
mithilfe von Metaphern („
Prostitution [blühte]

 
(ebd.: S. 28)), Antithesen („
Arbeit [ist] 
beschämender als der mit verhülltem Gesicht ausgeübte Männerfang
“ (ebd.)) und 
idiomatischer Wendung (
auf den Strich gehen
), wodurch ein äußerst negatives Bild 
entsteht: 

Graue Farbe: ln der konservativen frommen Altstadt von Taschkent blühte früher die 
Prostitution. Auch heute empfinden noch manche Frauen Arbeit beschämender als den 
mit verhülltem Gesicht ausgeübten Männerfang. Gewöhnlich sind es die älteren Frauen 
im Harem ihres Gatten, er gibt ihnen und ihren Kindern kein Geld mehr, so daß sie 
zwischen Nationaltheater und Zirkus auf den Strich gehen, während er im Teehaus 
sitzt.

 
(Ebd.) 
Kisch kritisiert die Stellung der Frau im Islam, indem er berichtet, dass das Eintreten 
in eine Moschee einer Frau untersagt sei (vgl. ebd.: S. 46). Er umschreibt die 
usbekischen Frauen als „
Menschen ohne Seele
“ (ebd.) und ihre Männer als „
Gebieter
“ 
(ebd.). 
Hans Werner Richter kritisiert ebenso die Stellung der Frau in Turkestan mit pejorativer 
Untertreibung, emotionalen Periphrasen und negativ bewertenden Epitheta, laut ihm 
waren die Frauen „
nichts, nur Besitz, seelenlos, Objekt und Handelsware
“ oder die 

Sklavin
“ (Richter 1966, S. 22) des Ehegatten. Er beschreibt die Freiheiten, die die 
Revolution ins Land gebracht haben soll, wobei er die Anapher als Stilmittel einsetzt. 
Dadurch wird die Bedeutsamkeit des Wortes 
Freiheit
verstärkt und das geflügelte Wort 
von Madame Kollontay gebraucht der Autor als Mittel der Beeinflussung und 
Pointierung: 

Erst die Revolution trug auf ihren Fahnen auch die Parole ‚Freiheit‘: Freiheit von dem 
Joch der Eltern, Freiheit von dem Joch des Mannes, Freiheit in der Wahl des Mannes, 
Freiheit, nach Madame Kollontay, auch in der Liebe: ‚Befriedige deine sexuellen 
Bedürfnisse wie du Wasser trinkst.‘


(Ebd.) 
Christ kritisiert ebenso die fehlende Freiheit und Gleichberechtigung der usbekischen 
Frau in der Gesellschaft trotz der gesetzlichen Regelung des Problems. Er stellt es mit 
einfachen Beispielen aus dem Alltagsleben dar. Er beschreibt, dass eine usbekische 
Frau trotz Ausbildung nicht am Männertisch sitzen darf. Er beschuldigt die Tradition, 
die laut ihm „
zäher als Pech

 
(Christ 1976, S. 152-153) ist.
Christ blickt in die 


153 
Vergangenheit und schildert auch den Scheidungsprozess im Islam, und anders als 
Moser erwähnt er nicht, dass die Frau als Muslimin ebenso ein Scheidungsrecht hat 
wie der Mann. Er betont die Rechtlosigkeit der Frau und erzählt von grausamen Sitten, 
die den Fortschritt des Sowjetregimes nochmal ausdrücklich betonen (vgl. ebd.: S. 
217).
Von den oben beschriebenen Zeilen kann ausgegangen werden, dass die 
usbekischen Frauen in fast allen untersuchten Reiseberichten als Opfer der 
patriarchalen Gesellschaft dargestellt werden. Meistens verbinden die Autoren die 
Rechtlosigkeit der Frau mit islamischen Gesetzen, aber auch mit usbekischen 
Traditionen. Metaphern, Periphrasen und Vergleiche werden am häufigsten als 
Stilmittel gebraucht. 

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