Zum Usbeken- und Usbekistanbild im deutschsprachigen Raum



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Bog'liq
Diss Rakhimova 2018

Rosshaar für jeden Blick undurchdringlich ist.


(Moser 1888, S. 68) 
Der Gebrauch der pejorativen Ausdrücke (
abscheulich
,
 wie in einen Sack eingenäht

verstärkt die Emotionalität der Aussagen. Verschleierte Frauen, „
Erscheinungen im 
‚Farandschi‘
“ (ebd.: S. 70), die für die Blicke der Reisenden unerreichbar blieben, 
vergleicht Moser mit „
Gespenstern
“ (ebd.: S. 100), die 
vorüberhuschen
und 


143 
ausweichen
,
 „unter dem wie eine Maske sie umhüllenden schrecklichen Kittel
“ (ebd.). 
Das Wort 
huschen
statt 
sich bewegen
tritt, auch in Reiseberichten anderer Autoren, 
häufig auf.
Die Neugier, wenigstens etwas über das Äußere der verschleierten Frau zu erfahren, 
ist bei Moser groß:

Verbirgt dieser Domino ein hübsches, junges Frauchen oder eine antike Megäre? Nur 
ein erfahrener Stammgast des Bazars kann ein muthmassliches Urtheil sich bilden. Er 
sieht auf das Schuhwerk; ist der Fuss klein, sind der Lederstrumpf und der Ueberschuh, 
die ihn bedecken, von guter Mache, so hat man eine junge und vielleicht auch hübsche 
Frau vor sich.


(Moser 1888, S. 100)
Moser betont an einer anderen Textstelle die Gesichtslosigkeit der Frau mit dem 
Vergleich „
wie hermetisch verschleierte Schatten
“ (ebd.: S. 137). Mosers Einfluss wird 
etwas später bei Franz von Schwarz spürbar, der dazu in seinem ethnologischen Buch 
„Turkestan“ folgendes schreibt: 

Von Damen, der Hauptzierde einer europäischen Straße, sieht man dort keine Spur. 
Nur ein Eingeweihter weiß, daß unter den hie und da verstohlen durch die Straßen 
huschenden unförmlichen Überwürfen, unter denen nichts als ein Paar in ebenso 
unförmliche Stiefel und Galoschen gekleideter Füße zum Vorschein kommt, weibliche 
Wesen versteckt sind; ob aber diese Füße einer 18jährigen Schönheit oder einer 
80jährigen Megäre gehören, weiß nur Allah allein.


(v. Schwarz 1900, S. 166) 
Von einer dichten Verschleierung erzählt auch Schweinitz, dass eine Frau in Turkestan 

weniger einem Menschen, als vielmehr einem wandelnden schwarzen Wollsacke 
ähnelt
“ (Schweinitz 1910, S. 119). Anstatt des Wortes 
Frau
verwendet er den 
Ausdruck „
weibliches Wesen
“ (ebd.), wodurch er die fehlende Persönlichkeit der Frau 
betont. Im Weiteren ironisiert Schweinitz die Rolle der Frau und beschreibt sie als 
Sündenbock der Gesellschaft, er gebraucht dabei die Stilmittel Hendiadyoin (
Streit und 
Zank
,
Vergehen und Verbrechen
) und Hyperbel (
bis zur Unkenntlichkeit
), die die 
Aussagekraft verstärken:

Dann fällt in Buchara ein zweiter Anlaß für Streit und Zank und weiter für Vergehen 
und Verbrechen fort, das ist die Frau. Die Frauen dürfen sich, wie schon erwähnt, nur 
bis zur Unkenntlichkeit vermummt, auf den Straßen sehen lassen und können 
überhaupt nur im engsten Kreise des Harems eine Rolle spielen.


(Ebd.: S. 129) 


144 
Gustav Krist, der österreichische Reiseschriftsteller, erzählt von der Bedeutung des 
Schleiers („
Tschimat“ 
(Krist 1937, S. 146)) für die islamische Gesellschaft und von den 
Entschleierungsversuchen der Sowjets, die zum Aufstand in Buchara geführt haben 
sollen (vgl. ebd.).
Colin Ross reiste 1922 nach Turkestan, als manche Frauen keinen Schleier mehr 
trugen. Ihn stört aber auch der Schleier nicht im Geringsten, er berichtet von 
farbig 
gekleideten
Frauen in Buchara:

Und selbst die Frauen, die sonst überall im Orient eine dunkle Note in das Straßenbild 
bringen, sind hier farbig gekleidet. Tragen sie vor dem Antlitz auch das Pitsché, den 
schwarzen, steifen Gitterschleier, so ist ihr mantelartiger Überwurf doch blau oder grün 
oder lichtgrau, oft mit reichem Silberschmuck, und wenn er beim Gehen 
auseinanderklappt, zeigt er ein buntes, farbenfrohes Seidenfutter.


(Ross 1923, S. 263-264) 
Auch Egon Erwin Kisch erlebt noch verschleierte Frauen „
mit dem Tschadschwan
einem Schleier aus Pferdehaaren

 
(Kisch 1932, S. 25), er umschreibt den Schleier als 

Schutzschild vor dem Antlitz
“ (ebd.) und sieht, wie „
die Verschleierten den 
Unverschleierten Beifall [klatschen]
“ (ebd.). Wortspiele dieser Art sind für seinen 
Autorenstil typisch, wie z.B.: 

Tschadschwan und Autobrille schützen gleichermaßen vor dem argen Staub 
Taschkents, aber die Autobrille nimmt man ab, wenn man sie nicht braucht.


(Ebd.: S. 25) 
Für ihn ist der 
Tschadschwan
ein „
Gitter, durch das [eine Frau] die Welt schwarz sieht 
und durch das die Welt [die Frau] schwarz sieht, in einer beweglichen Kerkerzelle, die 
nur [ihr] Gebieter öffnen darf

 
(ebd.: S. 26)
.
Kisch reflektiert über die Zustände, die aus 
europäischer Sicht kontrovers zueinander stehen: 

Tief verschleiert sitzen die Mütter da, aber ruhig entblößen sie vor den eintretenden 
Männern die Brust, um ihr Kind zu stillen, sie lassen sich vom Arzt gynäkologisch 
untersuchen, wenn nur ihr Gesicht verdeckt bleibt.


(Ebd.: S. 29-30)
Hans Werner Richter, der auf Kischs Spuren die usbekische Sowjetrepublik bereiste, 
schlussfolgert: 


145 

[….] ihre Gesichter sind frei, befreit von dem Schleier aus Pferdehaaren, dem 
Tschadschwan, den sie jahrhundertelang tragen mußten. Die Revolution hat sie von 
diesem ‚Roßhaarschild‘ erlöst, wenn auch nach langen und qualvollen Kämpfen.


(Richter 1966, S. 22)
Er konstatiert, dass Tschadschwan aus dem usbekischen Leben verschwunden und 
zum Museumsstück geworden sei. Darin sieht der Journalist den Sieg des 
Fortschrittes (vgl. ebd.: S. 24).
Auch Richard Christ erwähnt den Rosshaarschleier als Symbol der Vergangenheit und 
beschreibt noch andere Bilder der Historie mit elliptischen Sätzen: 

Der Roßhaarschleier, hinter dem die Frauen ihr Gesicht verbergen mußten. Die 
Lederpeitsche. Der Bräutigam mit der verschleierten Braut. Der Bei, am Teetisch mit 
gekreuzten Beinen auf Teppich ruhend, von Teppichen umgeben, etwas abseits seine 
Frau […]


(Christ 1976, S. 165) 
Christ beschreibt den Schleier sogar eher als Vorrecht und nicht als Zwang, er 
behauptet sogar, das Verschleiern der Frauen sei durchaus kein vom Koran 
vorgeschriebenes Muss. Der Schleier ist in diesem Sinne ein Symbol für die Erhaltung 
lokal differenzierter, traditioneller Strukturen (auf Usbekisch: 
Urf-odat
): 

Der Schleier zum Beispiel galt als Vorrecht, nicht als Zwang, Sklavinnen nur gingen 
unverschleiert auf der Straße; zeigte die Frau ihr Gesicht anderen Männern, galt sie 
wie ihre Sippe als ehrlos. Das Verschleiern der Frauen, durchaus kein vom Koran 
vorgeschriebenes Muß, entsprach einem in sich logischen Sittenkodex des Islam.

 
(Ebd.: S. 218) 
In seinem zweiten Reisebuch schlussfolgert Christ: 

Die Revolution hat der Frau die Seele wiedergegeben, und das Antlitz.


(Christ/Kállay 1979, S. 95) 
Der Schleier hatte in Zentralasien jedoch vor allem eine Schutzfunktion, da die Frau 
nach islamischen Gesetzen immer keusch und unerreichbar für fremde Männer 
bleiben sollte. Der Schleier konnte dabei eine Auskunft über die Herkunft und den 
Status der Frau geben, diese Feinheiten blieben den Reisenden jedoch verborgen. Die 
Verborgenheit der Frau fanden die meisten Autoren ärgerlich, wobei sie textuell 
hauptsächlich negativ wertende Epitheta, Vergleiche und Periphrasen nutzten (siehe 


146 
Tab. 10). Die Symbolik des Schleiers ist bei fast allen Autoren kontinuierlich mit der 
Unterdrückung und Rechtlosigkeit der Frau verbunden (siehe Tab. 11).

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