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Stellenweise thematisiert er die Verschleierung der Frau in der Gesellschaft
(„
Vermummte Frauen […], unförmliche Puppen
“ (ebd.: S. 67)),
beschreibt mit
Entsetzen die Straßen von Turkestan („
schauerliche[r] Zustand der Taschkenter
Strassen
“ (ebd.: S. 98)), liebkost orientalische Teppiche („
Unzählige Fäden, deren
jeder uns lockt, ihm zu folgen und ihn zu streicheln
“ (ebd.: S. 75)). Seine Schilderungen
sind voller Bilder und Symbole. Usbeken definiert er dabei als „
… Turktatare[n] mit
arischer Beimischung
“ (ebd.: S. 117) und verbindet mit ihnen eher die Herrscherklasse
Turkestans (vgl. ebd.: S. 119).
Seine Überlegungen zur Rassenentwicklung sind für die moderne Denkweise etwas
abschreckend, aber dennoch interessant, da solche oder ähnliche Äußerungen leider
bei vielen anderen Wissenschaftlern der damaligen Zeitepoche üblich waren und nicht
unbedingt national-politische Ziele verfolgten. So beruft sich Karutz oft auf Vámbéry
oder Franz von Schwarz und zitiert stellenweise die Äußerungen dieser Orientalisten
zur iranischen oder turanischen Rasse (vgl. ebd.: S. 106-108, 118-119); er vergleicht
und kritisiert aus rassenbiologischer Sicht z. B. die These von v. Schwarz
31
, nach der
Turkestan als Heimat der indogermanischen Völker gelten sollte (ebd.: S. 106). Karutz
erklärt seine wiederholten Verweise auf die obengenannten Autoren auf folgende
Weise:
„
In den wahren Charakter der Leute zu dringen, war mir natürlich nicht möglich, ich
verweise dazu auf Vámbáry und auf von Schwarz, die beide auf Grund langer
Erfahrung die schwärzesten Farben auftragen müssen, um den Leuten gerecht zu
werden.
“
(ebd.: S. 99)
Von ethnologischem Wert ist ein weiterer Aufsatz von Karutz mit dem Titel
„Ethnographische Wandlungen in Turkestan“ (1904a), wo er nochmals seine
Gedanken zu diesem Land zusammenfasst. Er bezeichnet
Mittelasien darin als
„mohammedanischen Orient“ (Karutz 1904a, S. 194), der dem Interessenten „
… die
echtesten Bilder, reiner und unverfälschter als irgendein anderes Land
“ (ebd.) liefert.
Er bewundert auch hier die Kultur, deren „
Reste eines eigenen, aus älterer und ältester
Vorzeit stammenden Volkstums, die es verdienen, dass man ihren Quellen nachspürt
“
(ebd.). Allerdings erkennt Karutz auch, dass „
die Wendestunde ihres Lebens
gekommen“
ist, und dass wegen möglichen „
ethnologischen Wandlungen
[…]
eilig an
die Arbeit
“ gegangen werden muss,
„wenn man für die Völkerkunde noch eine leidliche
31
Sein im Jahr 1900 erschienenes Buch, in dem er die Resultate vieljähriger Beobachtungen in Turkestan niederlegte, betitelt v.
Schwarz als „Turkestan, die Wiege der indogermanischen Völker“.
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Ernte auf den Feldern Turkestans einheimsen will
“ (ebd.). Karutz beschreibt in seinem
Aufsatz die Wohnhäuser
und ihre Einrichtung, die Kleidung der Bevölkerung (er
unterteilt sie in Kirgisen, Turkmenen und Sarten), Teppiche und Basare Turkestans.
Diese Beschreibungen über Turkestan sind authentisch und persönlich zugleich,
textuell sind sie reich an metaphorischen Ausdrücken. Sein Reisebericht „Von Lübeck
nach Kokand“ gilt auf jeden Fall als ein gutes Beispiel der deutschen Turkestan-
Rezeption und wird nach den darin existierenden Konzepten der Fremdwahrnehmung
untersucht.
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