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von den Ausbeutungsmöglichkeiten Turkestans ist die Rede. Ross beschreibt, welche
Bodenschätze Turkestan hat, wie sich die Baumwollindustrie wiederbeleben lässt und
die wirtschaftliche Lage und das Unternehmertum im Land sich stabilisieren lassen
(vgl. ebd.: S. 276-282). Von Taschkent fuhr er mit dem Zug nach Russland.
Seine weiteren Reisen wurden in die andere Welt, nach Afrika (1926), China (1928)
und Indien (1928), unternommen. Über die Reise nach Afrika verfasste er zwei Bücher
– „Die erwachende Sphinx. Durch Afrika vom Kap nach Kairo“ (1927) und „Mit Kamera,
Kind und Kegel durch Afrika“ (1928) (vgl. Baumunk 1999, S. 64).
Zu den erfolgreichsten Reisebüchern von Ross zählt das Buch „Die Welt auf der
Waage“ (1929), das insgesamt 37 Auflagen hatte. Ross gehört somit neben Kisch zu
den bekanntesten Reisereportern seiner Zeit. Als Pendant zum „rasenden Reporter“
Kisch bekam er den Beinamen „fliegender Reporter“.
Nach seiner Rückkehr nach Deutschland 1931 hatte Ross einen neuen Reiseplan:
Diesmal wollte er Europa neu entdecken. So fuhr er im Sommer 1931 in die Schweiz,
nach Frankreich, Spanien und Großbritannien. Im Herbst 1932
erschien sein Buch
„Der Wille der Welt“ (vgl. Baumunk 1999, S. 76).
Durch die Machtübernahme Hitlers änderten sich Ross’ Vorhaben. Seine Reise nach
Nordamerika, für die er bereits einige Vorbereitungen durch das Auswärtige Amt
getroffen hatte, wurde verschoben. Colin Ross sorgte sich um die Sicherheit seiner
Familie, denn er hatte außer seiner revolutionären Vergangenheit, wenn auch indirekt,
jüdische Wurzeln, wie Egon Erwin Kisch oder Sven Hedin. Zudem war sein Bruder
Fritz Ross mit einer Jüdin verheiratet und der Verlag Ullstein gehörte einer jüdischen
Familie. Ross kontaktierte General Haushofer, mit dem er durch seine journalistische
Tätigkeit bekannt war – er hatte Beiträge für seine Zeitschrift geschrieben. Dieser
pflegte eine freundschaftliche Beziehung zu Rudolf Hess, dem Stellvertreter von Adolf
Hitler, seinem früheren Studenten. Nach dem Treffen zwischen den beiden im Mai
1933, wo Ross Haushofer um eine Auskunft bezüglich seiner störenden revolutionären
Vergangenheit bat, entstand eine langjährige Freundschaft
zwischen Ross und
Haushofer. Auch Fritz Ross und seine jüdische Frau konnten in Österreich unter dem
Schutz von Familie Haushofer bis zum Kriegsende ungestört leben (vgl. ebd.: S. 81-
82).
Später in München, mit der Protektion von Baldur von Schirach und seiner Frau
Henriette, machte er Bekanntschaft mit Hitler. Er unternahm keine größeren Reisen
mehr, sondern wurde von einem Weltreisenden zum Geheimagenten von Hitler bzw.
Hess, denn nun erhielt er gezielte Erkundungsaufträge von der Partei. 1936 bereiste
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er die britischen Inseln, Rom, Genua, Palma de Mallorca, Madrid und schrieb Berichte,
sowohl an Rudolf Hess als auch für deutsche Zeitungen
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. Seine erneute Reise in die
USA, nach Chicago und Washington, wo er sich vor
allem mit Nazi-Propaganda
beschäftigte, brachte ihm keinen Erfolg. Unter dem Verdacht, dass er ein Geheimagent
von Hitler sei, wurde er ständig von FBI-Agenten überwacht (vgl. Baumunk 1999, S.
102-111).
Ende April 1944 erlebte München einen schweren Luftangriff und auch das Ehepaar
Ross musste fliehen. Sie siedelten nach Urwald am Walchensee um, wo der Bruder
von Henriette von Schirach ein Haus hatte. Fast genau ein Jahr danach, am 29. April
1945, beging Ross dort Selbstmord. Zuerst schoss er seiner Frau ins Herz, dann sich
selbst ins Genick (vgl. ebd.: S. 134-135).
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Auch seine weitere Tätigkeit im „Amerika-Komitee“ bei Hitler, die Mitgliedschaft in der NSDAP und die letzten Reisen nach
Paris, Lyon und später nach Casablanca stehen selbstverständlich im Zeichen des Nationalsozialismus. 1943 erscheint sein
letztes Reisebuch „Umkämpftes Afrika. Kriegsreise durch Marokko, Algerien und Tunesien“ in Leipzig. Doch fast die gesamte
Auflage wurde in einem Bombenangriff auf Leipzig zerstört (vgl. Baumunk 1999,: S.120-122).