Kaljan-Minarett
“, „
Minarett des Todes
“ (Christ/Kállay 1979, S. 105-106, 112) und
die Zugehörigkeit der Störche zum Leben in Buchara, womit eindeutig ein
intertextueller Bezug zu Vámbéry (vgl. Vámbéry 1873 [1865], Fußnote 14)
herauszulesen ist, es fehlt jedoch ein erkennbarer Verweis auf diesen:
„
Es gehörte zum Kaljan-Minarett wie bei uns der Wetterhahn zur Kirchturmspitze.
Störche haben für Buchara immer als Wahrzeichen gegolten; die Chiwaer, die stolz auf
ihre Nachtigallen sind, haben die Bucharioten gern verspottet: Euer Nachtigallenlied ist
das Schnabelgeklapper der Störche! Auch jetzt noch sind auf Türmen und Kuppeln der
Altstadt Bucharas Storchennester zu sehen, von den großen Vögeln in ruhigem Flug
umkreist.
“
(Ebd.: S. 105)
Das
Kaljan-Minarett
, das die Bucharer
Minora-i-Kalon
nennen, bezeichnet Christ als
„
Bucharas Wahrzeichen
“ (ebd.) mit den Hyperbeln „
das höchste in Mittelasien und
eines der ältesten, älter als, zum Bespiel, die Hauptstadt Moskau
“ (ebd.).
Die Altstadt von Buchara verdient bei Christ originelle Paraphrasen wie
„
Lehmquaderirrgarten des alten Buchara
“ (ebd.: 106), er schildert erneut „
die
fensterlosen Mauern, erdgelb oder weißgetüncht
“ (ebd.), und bezieht sich auf einen
213
unbekannten Autor mit der rhetorischen Frage „
Hat nicht einer Buchara fensterlos wie
ein Grab genannt?
“ (ebd.).
In Bezug auf die Vergangenheit paraphrasiert Christ diese Stadt pejorativ in einer
Hyperbel als „
der schwärzeste Fleck von ganz Mittelasien
“ (ebd.: S. 111) und verweist
sogar auf die Worte russischer Beamter „
ekelerregendes Geschwür am Körper des
russischen Imperiums
“ (zit. nach: ebd.). Der Reiseautor geht auf das Stereotyp des
religiösen Formalismus ein und erwähnt den „
Ruf bespielloser Religionsstrenge
“ (ebd.:
S. 112) Bucharas.
Der Ark des Emirs, wo früher über dem Eingang „
eine Peitsche
“ (ebd.: S. 116) hing,
versetzt den Journalisten „
in Trübsinn
“ (ebd.). Er beschreibt die „
hohen schrägen
trostlosen Mauern
“ (ebd.) und nicht die Kunst wie bei den Timuriden-Baudenkmälern,
sondern „
nur Machtanspruch, schlauer Funktionalismus, Protzsucht und […] die
täglich genährte Angst
“ (ebd.).
Außerdem besichtigte und beschreibt er das Samaniden-Bauwerk (ebd.: S. 118-119),
Masar Tschaschma-Ajub (ebd.: S. 119) und besuchte Bucharas Karakul-Fabrik, wo
Pelze aus Lammfell gefertigt werden. Dabei gibt Christ zu, dass er Tiere liebe, aber
eben auch Pelze (vgl. ebd.: S. 120).
Er bezieht sich immer wieder auf den usbekischen Schriftsteller Sadriddin Aini, wenn
es um den Despotismus und die Grausamkeit in Buchara geht (vgl. ebd.: S. 113, 123),
sowie auf den Sprachwissenschaftler Radloff (vgl. ebd.: S. 123), und nicht zuletzt auf
Vámbéry (vgl. ebd.: S. 123, 124). Der Journalist reiht mehrere pejorative Paraphrasen
aneinander, wie z. B. „
der Hofstaat
“, „
der Klerus
“, „
ein Sumpf, das alte Buchara
“ (ebd.:
S. 122). Immer wieder kritisiert er den übertriebenen religiösen Formalismus in
Buchara, den er mit pejorativer Metapher und negativ bewertenden Epitheta
versprachlicht:
„
Schlimmer als die Wolke von Unrat und Verwesung über den Gassen von Buchara-i-
Scherif war das Miasma der Heuchelei, der zur Schau gestellten, meist gedankenlos
betriebenen und auf Äußerlichkeiten gerichteten Frömmelei. Die Vorschriften regelten
selbst intimste Verrichtungen, und da es darauf ankam, im Ruf unbedingter
Religionstreue zu stehen, nahmen die Demonstrationen der Rechtsgläubigkeit
zuweilen schaurig-komische Formen an.
“
214
(Ebd.: S. 124)
Christ schlussfolgert, indem er Bezug auf Vámbéry nimmt:
„
Kein Wunder schließlich, daß Vámbéry nach allem zu dem Schluß kommt, Buchara
sei der schändlichste Sünderfleck, den er im Orient kenne.
“
(Ebd.: S. 125)
Christ fasst anschließend die Geschichte Bucharas kurz zusammen und zählt auf,
welche Veränderungen dem Lande „
eine winzige Strecke Sozialismus
“ (ebd.) gebracht
habe:
„
Kein Emir mehr, kein Mangel an Wasser, keine Armut, keine Bettler, kein
Religionsdiktat, kein Analphabetismus, keine Schleier, kein Weinverbot, kein
Rauschgift, keine Kinderehe, keine Derwische, die sich auf dem Basar mit
demonstrativer Frömmigkeit den Hintern wischen, keine Auspeitschung vor der
Zitadelle, kein Betrug der Baumwollbauern, keine Jugend, die ihre Zeit mit
scholastischem Unsinn vertut…
“
(Ebd.: S. 125)
Im oben angeführten Textauszug wurde vom Autor die anaphorische Negation als
bestimmendes Stilmittel gewählt, die eine einprägend-verstärkende Wirkung entfaltet.
Der Autor zählt damit alles ‚Negative‘ (
Emir
,
Mangel an Wasser
,
Armut
,
Bettler
,
Religionsdiktat
,
Analphabetismus
,
Schleier
,
Weinverbot
,
Rauschgift
,
Kinderehe
,
Derwische
,
Auspeitschung
,
Betrug
) auf, das es dank des sowjetischen Regimes nicht
mehr gibt.
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