VIII. Systematisierung der deutschen Vokale und Konsonanten nach physiologischen Merkmalen.
Die Gliederung der Sprachlaute nach der physiologischen Betrachtungsweise ist für praktische Zwecke (Fremdsprachenunterricht, Sprecherziehung) am besten verwendbar. Das kann man von der akustischen Betrachtungsweise kaum behaupten. Deshalb wird im folgenden die Einteilung der Vokale und Konsonanten nach ihren Artikulationsmerkmalen von uns eingehend beschrieben.
a) Vokale
In der Geschichte der Phonetik gab es Versuche, die Vokale nach unterschiedlichen physiologischen Geschichtspunkten zu systematisieren. Ein solcher Versuch war der von Ch. F. Hellwag, der 1781 in seiner Dissertationsarbeit36 das uns zur Zeit bekannte Vokaldreieck aufgestellt hatte. Es berücksichtigt die Beteiligung der Zunge an der Artikulation: Zungenstellung (horizontale Zungenbewegung) und Zungenhebung (vertikale Hebung des Zungenrückens zum Gaumen). Die deutschen Vokale lassen sich in dieses Schema folgendermaßen einordnen.
Im Jahre 1925 wurde von der Kopenhagener Konferenz das sogenannte Vokalviereck ausgearbeitet und angenommen. Dabei werden nur die bekannten Kardinalvokale berücksichtigt. Die deutschen Vokale kann man nach dem Viereck folgenderweise veranschaulichen.
Unter den zahlreichen späteren Darstellungsversuchen (dazu gehören die von Winteler-Sievers, Techmer, Trautmann, Bell, Sweet, Passy, Jones, Stumpf) sei der sogenannte Vokalklotz von Forchhammer erwähnt. J. Forchhammer zieht in seinem Schema die Formung des Mundraums für die Bestimmung der Vokale heran und löst die Teilartikulationen in noch kleinere Teile auf: Lippenartikulation, waagerechte Zungenhebung und senkrechte Mundbewegung. Auf solche Weise werden Vokale mit entrundeter und runder Lippenstellung, Vorderzungen- und Hinterzungenvokale, enge, halbenge und offene Vokale unterschieden.37
Die dargestellten Systematisierungsversuche berücksichtigen nur das Wesentliche über die Stellung der Vokale im Deutschen. Dabei werden in der Regel die Kardinalvokale behandelt. Solche Sprachlaute des Deutschen wie das reduzierte [a] und die Diphthonge38 können in diese Schemata nicht eingeordnet werden, weil bei ihrer Artikulation Zungenstellung, Zungenhebung, Lippenstellung nicht konstant sind.
Problematisch ist auch die Einordnung vom kurzen [a], weil es nach dem Kopenhagener Vokal Viereck zu den Lauten mit der vorderen Zungenstellung gehört.
b) Konsonanten
Gewöhnlich teilt man die Konsonanten nach der Artikulationsstelle, dem artikulierenden Organ, der Artikulations- und Überwindungsart ein.39 Die Artikulationsstelle gibt den Ort an, wo der bestimmte Laut gebildet wird. Das Organ, durch das der Laut gebildet wird, ist artikulierendes Organ. Folgende Sprechorgane sind für die deutschen Laute wesentlich: Unterlippe, Zungenspitze, Gaumen, Stimmlippen.
Im folgenden bringen wir in Anlehnung an H.-H.Wängler die Tabelle, die das Verstehen der Lautbezeichnungen nach der Artikulationsstelle und dem artikulierenden Organ erleichtern soll.
Artikulationsstelle Lautbezeichnung
Oberlippe Lippenlaute (Labiale)
Oberzahnreihe Zahnlaute (Dentale)
Zahndamm (Alveolen) Alveolare (Zahndammlaute)
Vorderer
Mittlerer Hartgaumen Gaumenlaute (Prae-, Medio-
Hinterer Postpalatales)
Weichgaumen Gaumensegellaute (Velare)
Zäpfchen Zäpchenlaute (Uvulare)
Mundrachen Rachenlaute (Pharyngale)
Artikulierendes Organ Lautbezeichnung
Unterlippe Labiale
Zungenspitze Koronale
Vordere Zungenoberfläche Prädorsale
Mittlere Zungenoberfläche Mediodorsale
Hintere Zungenoberfläche Postdorsale
Stimmlippen Laryngale
Die Artikulationsart behandelt die Art des Hindernisses (Öffnung bzw. Verschluß oder Enge) und wie das artikulierende Organ und die Artikulationsstelle bei der Bildung der Laute Zusammenwirken. Nach der Artikulationsart unterscheidet man:
1. Verschlußlaute: b, p, d, t, g, k
2. Engelaute: f, v, s, z, ʃ, ʒ, ç, j, x
3. Seitenengelaute: 1
4. Nasale: m, n, ŋ
5. Zitterlaute: r, R
6. Hauchlaut: h
Die Überwindungsart gibt an, auf welche Art und Weise, (durch Hemmung, Sprengung, Reibung, Flattern) das durch artikulierendes Organ und Artikulationsstelle gebildete Hindernis von dem Phonationsstrom überwunden wird, und zeigt an, ob die Laute stimmhaft oder stimmlos sind. Da er durch die Artikulationsart eindeutig charakterisiert ist, erübrigt es sich, die Überwindungsart speziell anzugeben.
Da manche Artikulationsstellen der Konsonanten nicht konstant sind und sich manchmal überschneiden, bereiten solche Laute wie [r], [R], [h] im Deutschen Schwierigkeiten; die sogenannten Affrikaten können in diese Tabelle sogar nicht eingeordnet werden.
Die Artikulationsstelle des Hauchlautes ist bisher nicht geklärt, obwohl viele Forscher ihn zu den Kehllauten zählen.40 Wir sind geneigt ihn mit Wängler und anderen Phonetikern41als unlokaliserten Laut zu bestimmen.
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