VII. Einteilung der Sprachlaute. Vokale und Konsonanten.
Die Sprachlaute werden gewöhnlich in Vokale und Konsonanten eingeteilt. Bei der Klassifikation geht man von verschiedenen Prinzipien und Betrachtungsweisen aus. Im folgenden werden sie von uns kurz behandelt. Je nachdem, ob die Sprachlaute phonetische Silben bilden können oder nicht, teilt man sie in Selbstlaute (silbische) und Mitlaute (unsilbische)28 ein. Daß dieses Kriterium nicht stichhaltig ist, zeigen die Beispiele aus der Sprachwirklichkeit. Z. B. die Interjektionen pst, pscht, seht und 1, m, n, ng, in denen Konsonanten selbständig als Silbenträger auftreten können. Die letzten sind sogar «Selbstlaute».
Die akustische Einteilung in Klang-oder reine Stimmlaute, stimmlose oder reine Geräuschlaute, Klang- oder stimmhafte Geräuschlaute ist auch ungenügend und unbefriedigend, denn unter die Klanglaute können sowohl die Vokale als auch manche Konsonanten eingeordnet werden. In der Gruppe von Konsonanten gibt es auch Zwischenfälle nach dem Grad ihrer Klänge (z. B. stimmhafte Konsonanten und Sonorlaute). E. Sievers erkannte «die Unmöglichkeit, eine bestimmte Scheidung zwischen Vokalen und Konsonanten durchzuführen»29 und entschied sich für die Bezeichnungen «Resonant» und «Konsonant», wobei er die Nasenlaute und l zu den Resonanten rechnete. Forchhammers Klassifikation beruht auf zwei artikulatorischen Prinzipien, die er als «konstruktive» bezeichnet.30 Danach sollen die Vokale als Oral- bzw. Öffnungslaute, die Konsonanten als Hemmlaute bestimmt werden.Baudouin de Courtenay baute die Einteilung der Sprachlaute auf ihrer Bildungsweise auf.31
Manche Sprachforscher sind geneigt, das Problem der Scheidung von Vokalen und Konsonanten auf Grund der sprachlichen (phonologischen) Funktion der Phoneme zu lösen32: ein Vokal ist immer Träger eines phonologischen oder expressiv relevanten prosodischen Merkmals; Konsonanten sind es nicht oder ausnahmeweise in Vertretung eines vernachlässigten bwz. ausgefallenen Vokals (z. B. kommn, falln).
N. S. Trubetzkoy war der Ansicht, daß die Sprachlaute (Vokale und Konsonanten) nur als akustische Begriffe bestimmt werden sollen.33
F. de Saussure und Grammont klassifizierten die Sprachlaute nach ihrem Öffnungsgrad. Sie unterscheiden zwischen 7 bis 9 Öffnungsgraden.
Für L. W. Stscherba und seine Schüler gilt die Regel, daß sich die Sprachlaute voneinander nach dem Spannungsgrad des Sprechapparats, nach dem Vorhandensein oder Fehlen eines Hindernisses bei ihrer Artikulation und dem Grad der Stärke des Phonationsstroms unterscheiden.34
Otto von Essen definiert die Vokale und die Konsonanten wie folgt: «Vokale sind Öffnungslaute, zu deren Klangfarbengestaltung die Resonanz des Ansatzraums wesentlich ist, ohne Berührungsfläche in der Mittellinie des Gaumens, sofern sie prosodische Merkmale tragen. Alle Laute, die nicht unter die obige Definition gebracht werden können, sind Konsonanten».35
Aus dieser kurzen Übersicht geht hervor, daß das Problem der Klassifikation der Sprachlaute in Vokale und Konsonanten und ihre scharfe wissenschaftlich begründete Scheidung bisher durchaus nicht endgültig gelöst ist. Bei allen diesen Klassifikationskriterien wird die Grenze zwischen Vokalen und Konsonanten in bestimmter Weise verwischt. Das erklärt sich u. E. durch den komplizierten Charakter der Sprachlaute, in denen sich verschiedene Eigenschaften (sowohl akustisch-physiologische als auch sprachliche, d. h. phonologische) überschneiden. Deshalb ist eine einwandfreie Lösung dieses Problems auf Grund der schon erwähnten Prinzipien kaum möglich.
Aus diesen Gründen sollen für praktische Zwecke bei der Klassifikation der Sprachlaute nur solche Merkmale in Betracht gezogen werden (dabei können akustische und physiologische benutzt werden), die direkt oder indirekt eine Beziehung zur sprachlichen (phonologischen) Funktion der Sprachlaute haben. Nur auf solche Weise kann man auf eine verhältnismäßig befriedigende Systematisierung der Vokale und Konsonanten kommen.
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