1. Aussonderung der Streitpunkte.
Das Studium der uns zugänglichen Literatur72 läßt feststellen, daß ein lebhafter Meinungsaustausch zwischen Phonologen in bezug auf die phonologische Identifizierung folgender Sprachlaute und Lautverbindungen besteht:
[ao] Haus
[ae] mein
[ɔø] neu
[ə] lehre
[e:] und [ɛ:] Ehre—Ähre.
Ferner in bezug auf Laute, fremder Herkunft und den Glottisverschluß oder Knacklaut.
Im folgenden gehen wir auf sie einzeln ein.
2. Zur Segmentierung und Identifizierung der deutschen Diphtonge.
Die Diphthonge werden gewöhnlich als phonetische Kombination zweier Vokale in einer Silbe definiert.73
Der Diphthong, als Begriff, entstand noch lange vor dem Aufkommen der Phonologie. Im XIX. Jahrhundert74 machte man Unterschiede zwischen zwei Vokalen, die nebeneinander standen und sich auf zwei Silben verteilten (The-ater, be-achten) oder einer Silbe angehörten (Auge, Eis). Daraus begann man zu folgern, daß der Diphthong ein Einzelphonem wäre.
Die letzte Meinung stammt von J. Vachek und N. S. Trubetzkoy.75
Als ausreichendes Kriterium galt hier die Verteilung auf eine oder zwei Silben. «Ein Diphthong muß unter allen Umständen einsilbig sein»— behauptet P. Menzerath.76 Otto von Essen schreibt: «Unter einem Diphthong versteht man einen im phonetischen Sinne vokalischen Zwielaut, der die sprachliche Funktion eines einfachen Vokals hat, d. h. dessen einzelne, in gewöhnlicher Rede auffaßbaren Bestandteile, artikulatorisch und klanglich kontiniuierlich ineinander übergehen, wobei einer der beiden Teile eindrucksmäßig das Übergewicht haben kann.» Und weiter: «Die Phonetik kann nur dort Diphthonge untersuchen, wo sie phonologisch als solche festgestellt sind.»77
Praktisch bedeutet es, daß die Schuld für die eventuell unbeendete Segmentation bei den Phonologen liege.
Jetzt gehen wir zur Frage der Segmentation der Diphthonge über.
Das Phonem wurde bekanntlich von N. S. Trubetzkoy als kleinste lineare bedeutungsdifferenzierende Spracheinheit definiert.
Zur Feststellung der phonologischen Opposition brauchen wir, der Prager Schule gemäß, zwei Bedingungen:
a) das Vorhandensein des phonetischen Kontrastes in einem Wortpaar, das sonst identisch ist;
b) einen Bedeutungsunterschied, der diesem Kontrast entspräche.
Diese zwei Bedingungen genügen zur Aussonderung des Phoneminventars78 nur scheinbar, weil diese Kriterien auf die schon vorher ausgesonderten kleinsten Segmente angewandt werden können. Diese Kriterien dienen keinesfalls als Beweis der beendeten Segmentation. Zuerst soll die Segmentation zu Ende geführt werden. Nachdem die kleinsten, weiter nicht zerlegbaren Segmente gefunden worden sind, kann man zur Feststellung der phonologischen Opposition übergehen. Auf solche Weise könnte man nur auf die richtige Lösung des Problems über die mono- oder polyphonematische Wertung der sogenannten Diphthonge und Affrikaten kommen.
Jetzt wollen wir auf einige Meinungen der Germanisten in bezug auf dieses Problem eingehen.
L. R. Sinder geht bei der Lösung des Problems von der morphologischen und silbischen Unteilbarkeit der Bestandteile der Diphthonge, von dem Prinzip der Lautalternation und von den historisch-phonetischen Fakten aus. Aus diesen Gründen sollen sie als monophonematische Lautverbindungen bestimmt werden.79
Die Zahl der vokalischen Phoneme ist so hoch, da auch die Diphthonge als solche gerechnet werden. Deshalb beträgt in Einzelarbeiten die Zahl der deutschen Vokalphoneme 18, wenn man vom reduzierten Murmellaut und von den nasalierten französischen Vokalen absieht.
N. Morciniec und M. Adamus haben u. E. voll Recht, wenn sie betonen: «Diphthonge gelangten in das Phoneminventar dank der unbeendeten Segmentation und Delimitation.»80 Die Diphthonge sind weiter in noch kleinere Teile zerlegbar, obwohl ihre Bestandteile meist in einer Silbe stehen. Davon zeugt der Vergleich folgender Wortpaare: aus—Eis, Maus—Mais, Haus—heiß. In diesen Wortpaaren wird die differenzierende Funktion durch die zweiten Bestandteile der Diphthonge ausgeübt. Ihre ersten Teile sind phonetisch identisch.
Das Gesagte läßt die Folgerung zu, daß sowohl der Vergleich von Haß zu Haus und heiß, als auch der von Haus zu heiß, beweist, daß die deutschen Diphthonge zerlegbar sind. Deshalb sollen die zweiten Elemente [i] und [u] als selbständige Phoneme bestimmt werden, weil ihr phonetischer Kontrast bedeutungsunterscheidend wirkt.
Die ersten Bestandteile der angeführten Diphthonge sollen als Varianten des kurzen [a] angesehen werden.81
Vom phonetischen (akustisch-physiologischen) Standpunkt aus unterscheidet L. W. Stscherba zwei Arten von Diphthongen—echte und unechte.82 Die Bestandteile der echten Diphthonge sind gleich gespannt. Die Bestandteile der unechten Diphthonge klingen nicht gleich, einer von ihnen wird gespannter als der andere gesprochen. Wenn der erste Teil das Hauptelement ist, spricht man von fallenden Diphthongen. Bildet der zweite Teil das Hauptelement, so haben wir es mit den steigenden Diphthongen zu tun. Die deutschen Diphthonge sind als unechte und fallende zu bezeichnen.
Im Usbekischen gibt es keine Diphthonge.
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