3. Logische Klassifikation der phonologischen (distinktiven) oder sinnunterscheidenden68 Oppositionen.
Das Phoneminventar einer Sprache ist ein Korrelat des Systems von phonologischen Oppositionen. Die entscheidende Rolle spielen in der Phonologie keine Phoneme, sondern phonologische Oppositionen. Das System der phonologischen Oppositionen ist durch eine bestimmte Struktur charakterisiert. Um diese Struktur zu verstehen, sollen die verschiedenen Arten von phonologischen Oppositionen untersucht werden.
Die Opposition (oder der Gegensatz) setzt nicht nur Merkmale voraus, wodurch sich die Oppositionsglieder voneinander unterscheiden, sondern auch die Merkmale, die beiden Oppositionsgliedern gemeinsam sind. Die letzten Merkmale bilden ihre Vergleichungsgrund- lage. Zwei Gegenstände, die keine gemeinsamen Merkmale haben, können nie einander gegenübergestellt werden. N. S. Trubetzkoy unterscheidet die phonologischen Oppositionen:69
nach dem Verhältnis der Opposition zum System der Oppositionen;
b) nach dem Verhältnis der Oppositionsglieder zueinander;
c) nach dem Ausmaß der Gültigkeit der Oppositionen,
a) Die Klassifikation der Oppositionen nach ihrem Verhältnis zum System der Oppositionen.
Nach der Vergleichungsgrundlage wird in der Phonologie zwischen eindimensionalen und mehrdimensionalen Oppositionen unterschieden. Bei der eindimensionalen Opposition gelten die den beiden Oppositionsgliedern gemeinsamen Merkmale für kein anderes Phonem derselben Sprache, z. B. dt. f—d sind die einzigen dentalen Verschlußlaute. Eindimensional sind: v—f, b—p, g —k, b—m, d—n, g—n, k—x, z—s, s—ʃ. Kommen die den beiden Gliedern der Opposition gemeinsamen Merkmale auch bei anderen Phonemen derselben Sprache vor, so ist diese Opposition mehrdimensional: z. B.: dt. d—b, p—t, g—z usw.
Die eindimensionalen Oppositionen kommen gewöhnlich seltener als die mehrdimensionalen vor.
Nach den phonologischen relevanten Merkmalen unterscheidet man proportionale und isolierte Oppositionen. Bei den proportionalen Oppositionen treffen ihre Merkmale auch für eine oder mehrere andere Oppositionen zu.
z. B.: p—b, t—d, k—g, s—z, f—v.
Wenn dies nicht der Fall ist, so ist die Opposition isoliert, z. B. dt. p—ʃ, r—1, h—k.
Die isolierten Oppositionen sind in jedem phonologischen System zahlreicher als die proportionalen.
b) Klassifikation der Oppositionen nach dem Verhältnis der Oppositionsglieder zueinander.
Nach diesem Prinzip werden unterschieden:
1. Privative Oppositionen.
2. Graduelle Oppositionen.
3. Äquipollente Oppositionen.
Bei den privativen Oppositionen unterscheiden sich ihre Glieder durch das Vorhandensein oder Fehlen eines einzigen Merkmals. Das eine Glied ist dabei merkmaltragend, das andere merkmallos. z. B.: d—t, g—k, z—s, b—p, v—f.
Dieser Typ der Opposition ist für die Phonologie äußerst wichtig. Die graduellen Oppositionen sind solche, deren Glieder sich durch verschiedene Grade eines Merkmals unterscheiden:
z. B.: o:—u:, e:—i:, ø:—y: (verschiedene Stufen der Zungenhebung).
Diese Art der Oppositionen kommen seltener als privative vor.
Die äquipollenten Oppositionen sind weder privativ noch graduell. Ihre Oppostions-glieder sind logisch gleichberechtigt und unterscheiden sich voneinander durch zwei oder mehrere Merkmale: z. B. p—t, k—s, t—g usw.
Die äquipollenten Oppositionen sind zahlreich in beliebiger Sprache.
c) Klassifikation der Oppositionen nach dem Ausmaß ihrer Gültigkeit.
In bezug auf ihr Gültigkeitsausmaß werden konstante und neutralisierbare (aufhebbare) Oppositionen unterschieden. Die konstanten Oppositionen sind unter allen Bedingungen gültig, d. h. sie wirken immer differenzierend. Die äquipollenten Oppositionen (siehe oben) sind konstant, z. B. p—t, k—s, f—h usw.
Neutralisierbare (aufhebbare) Oppositionen können in bestimmten Positionen aufgehoben werden, d. h. ihre Glieder unterscheiden sich «als lautliche Gegensätze nicht mehr voneinander, z. B. d—t (Rad — Rat), z—s (reist—reißt).
Die privativen und graduellen Oppositionen (siehe oben) gehören zu den neutralisierbaren Oppositionen.
Aus den obigen Darlegungen ist zu ersehen, daß die Rolle der einzelnen Oppositionen in beliebiger Sprache sehr unterschiedlich ist und daß diese Rolle von ihrer differenzierenden Kraft in verschiedenen Positionen abhängig ist.
Die Positionen, in denen die Opposition ihre Gültigkeit behält, werden als Positionen der Relevanz bezeichnet. Die Positionen, in denen die Opposition ihre Gültigkeit verliert, nennt man Positionen der Nullelement oder Irrelevanz. In der Position der Neutralisation erscheint ein sogenanntes Archiphonem. Unter dem Archiphonem versteht man dabei die Gesamtheit der den beiden Phonemen gemeinsamen distinktiven Eigenschaften, z. B.: Rad—Rat d—t, t ist Archiphonem.
Daraus geht hervor, daß nur die eindimensionalen Oppositionen neutralisiert werden können.
Do'stlaringiz bilan baham: |