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Geschick, und er braucht eine gewisse nachschöpferische Fähigkeit
“ (Welke 1988a,
S.1118). Diese Tätigkeit hatte ihn zum Schreiben angeregt.
Sein erstes Buch „Immer fehlt was“ wurde 1971 veröffentlicht und bereits zwei Jahre
später wurden seine Erzählungen „Das Chamäleon oder Die Kunst modern zu sein“
(1973) herausgegeben. Im Jahr 1974 publizierte Christ seinen ersten Reisebericht
unter dem Titel „Reisebilder. Ansichtskarten aus der DDR“,
der als neue Etappe in
seiner literarischen Karriere bezeichnet werden kann, denn durch seine Reiseberichte
wurde Christ später allgemein bekannt. In demselben Jahr erhielt er den Heinrich-
Heine-Preis des Ministeriums für Kultur der DDR.
Der zweite Reisebericht „Um die halbe Erde in hundert Tagen“, der beim deutschen
Publikum auf großes Interesse stieß und als erste große Arbeit von Christ gilt, wurde
1976 publiziert. Seine Reise in die UDSSR fand 1974 statt und dauerte, entsprechend
dem Buchtitel, genau einhundert Tage (vgl. Christ 1976, S. 9). Sie führte den Autor
durch den Kaukasus, Mittelasien, die Ukraine, Russland, die Taiga und Sibirien. Seine
Reise
wurde
mithilfe
des
Kulturfonds
der
DDR,
des
sowjetischen
Schriftstellerverbandes und der Komsomol-Presse vorbereitet und organisiert (vgl.
ebd.: S. 507).
„Um die halbe Erde in hundert Tagen“ war sein erstes großes Reisewerk, das er selbst
„
in mehrerer Hinsicht [als] ein Wagnis
“ (Welke 1988a, S. 1134) wahrnahm und in einer
Mischform aus Reisebericht und -reportage verfasste. Das Buch ist in acht Abschnitte
unterteilt; der zweite große Abschnitt ist Mittelasien, den Usbekischen, Tadschikischen
und Kirgisischen Sowjetrepubliken, gewidmet.
Der usbekische Teil seines Buches beinhaltet Beschreibungen der usbekischen Kultur
und Traditionen, der bekannten usbekischen Städte
Samarkand, Buchara und
Taschkent. Einen kleinen Abschnitt widmet er den Basaren.
Er benutzt verschiedene Stil- und Redemittel, um sein Werk kunstvoll zu gestalten. Er
macht meisterhaft Gebrauch von rhetorischen Stilmitteln wie Apostrophen („
So stell dir
doch vor, meine Teuerste, dein Mann käme an einem beliebigen Freitagabend nach
Hause …
“
(Christ 1976, S. 141)), Vergleichen („
Er wies auf die Teetassen, in
Usbekistan bei einem Besuch so wichtig wie die Stühle zum Sitzen: Stärken Sie sich
.“
(ebd.: S. 190)), Personifikationen („
Geschichten würzen das Mahl.
“
(ebd.: S. 146)),
Antithesen („
Bei aller Buntheit: Was müssen das für graue Bazare gewesen sein.
“
(ebd.: S. 180)) u. a. m.
In dem Abschnitt seines Reisebuches „Taschkent, die trostreiche Stadt“ beschreibt er
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das schwere Erdbeben in Taschkent am 26. April 1966. Dabei verwendet Christ die
Form der Reportage und ergänzt seine Beschreibungen durch Augenzeugenberichte.
Er wurde auf dieser Reise von dem Architekten Adamow begleitet (vgl. ebd.: S. 195-
208).
Nach seinem Kinderbuch „Der Spinatbaum in der Wüste“ (1978) veröffentlichte er
„Nichts als Ärger. Heitere und bedenkliche Geschichten“ (1978). Die
Reiseerinnerungen an usbekische Städte aus dem Buch „Um die halbe Erde in hundert
Tagen“ veröffentlichte er erneut als Buch unter dem Titel „Taschkent, Buchara,
Samarkand – Usbekische Reisebilder“ (1979) und etwas später „Adieu bis bald.
Reisebriefe“ (1979). Im Jahr 1982 erfolgte die Herausgabe des Buches „Blick auf
Pakistan. Tagebuch und Skizzenblock“ mit Karl Erich Müller. Im selben Jahr erhielt
Christ die Johannes-R.-Becher-Medaille in Gold. Ein Jahr später publizierte er nach
einem achtmonatigen Aufenthalt in Südasien sein zweites großes Reisebuch „Mein
Indien“, das er selbst als „
Höhepunkt [seines] Schaffens
“ (Welke 1988a, S. 1133)
bezeichnet. Das „am wenigsten authentische Reisebuch Christs“ (Welke 1988b, S.
1149) nach Dunja Welke erschien 1987 unter dem Titel „Die Zimtinsel. Begegnung mit
Buddha“. So publizierte Christ von 1974 bis 1987 zehn Reisebücher über die
Sowjetunion, Europa, Südasien und die ehemalige DDR. Seine Reisebücher, die „
aus
hundert Prozent Fakten und null Prozent Phantasie
“ (Welke 1988a, S. 1129) bestehen,
sind vor allem auf Kultur, Traditionen und Landschaft des fremden Landes konzentriert
(vgl. Welke 1988b, S. 1152).
Seine langjährige Lektorentätigkeit, seine Phantasie und nicht
zuletzt sein Wunsch,
„
den Leser von der ersten bis zur letzten Seite [zu] fesseln
“ (Welke 1988a, S. 1130),
ermöglichten es ihm, sich „a
ls Autor mit Traditionsbewusstsein und Stillwillen
“ (Welke
1988b, S. 1152) im Feuilleton und in der Reiseliteratur zu beweisen (vgl. ebd.). Für
sein literarisches Schaffen erhielt Christ 1988 den Goethe-Preis der Stadt Berlin.
Christ erweiterte seine Reiselandschaft weiter. Im Jahr 1989 veröffentlichte er ein
weiteres Reisebuch mit Erzählungen, „Welt-Betrachtung.
Zwischen Polarkreis und
Äquator“, und 1990 folgte das von Barbara Schumann illustrierte Buch „Kleines
Reisebrevier in siebzehn Lektionen“. Zu seinen letzten Büchern gehören „Dessau und
das Wörlitzer Gartenreich“ (1997), „Küstenspaziergänge“ (2000) und „Der Tag, die
Nacht und ich dazwischen“ (2001). Im Jahr 2007 erschien gemeinsam mit Peter Kühn
das kulturhistorische Reisebuch: „Halle an der Saale“. Zudem verfasste er für den
Rundfunk der DDR drei Features: „Stationen zwischen Himalaja und Kap Comorin“
(1979), „Unterwegs nach Berlin“ (1986), „Verschwundenes Land – Gestohlene Zeit“
(1990) (vgl. Conley 1999, S. 89, 136, 164).
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„
Meine Reisebücher sollen Menschen und Kulturen einander näherbringen. Literatur
hat sich zu allen Zeiten in den Dienst solcher Vermittlung gestellt
.“ (Welke 1988a, S.
1128). Mit diesen Worten versuchte Richard Christ im Interview mit Dunja Welke das
Hauptziel seiner Reisen zu verdeutlichen. Er hatte während seiner Reisen nicht immer
vor, zu schreiben, er reiste „
ohne Schreibabsicht
“ (ebd.: S. 1131) und „
ohne
vertragliche Bindungen
“ (ebd.), kam jedoch „
oft mit vollen Notizbüchern
“ (ebd.) zurück.
Er brauchte Zeit, ehe er herausfand, in welcher Form und Struktur er die Ausbeute der
Reise verschriftlichen wollte (vgl. ebd.: S. 1131). Einige seiner Bücher hatte er schon
lange vor ihrer Veröffentlichung niedergeschrieben (vgl. ebd.: S. 1125-1126).
Zuletzt lebte er als freier
Schriftsteller in Berlin, ehe er am 15. März 2013 verstarb.
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