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Die Naßbeliandltmg von Papier



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Die Naßbeliandltmg von Papier

- in dieser Zeit die Naßbehandlungskassetten mehrmals vertikal bewegen - Spülen.

Auch bei dieser Anwendung werden die behandelten Blätter neutralisiert, in geringem Maße aufgehellt und chemisch stabilisiert. Nachfolgende Bearbeitungen aller Art (Abpuffern, Nachleimen, Anfasern, Spalten usw.) führen zu guten Gesamtergebnissen.

Die Naßbehandlung geschädigter Papiere verfolgt Zielstellungen, die als Voraussetzung für die folgenden Arbeitsschritte notwendig sind. Der heu­tige Kenntnisstand sollte es gestatten. Naßbehandlungsverfahren differen­ziert, am Schadensbild orientiert, mit hoher Sicherheit für die Objekte und Personen durchzuführen. Die für die Behandlung großer Mengen von Blät­tern konzipierten technischen Systeme führten zu signifikanten Qualitäts­steigerungen und, wie die angeführten Beispiele zeigen, in aller Regel zu gesicherten Ergebnissen.

Vom Wasser

Ohne Wasser gäbe es kein Papier. Zwangläufig spielte Wasser bei der Papierherstellung immer eine hervorragende Rolle. Je reiner das zur Verfü­gung stehende Wasser war, um so besser (weißer) konnte das Papier herge­stellt werden. Die Reinheit als Kriterium, erfaßte natürlich nicht die gesam­ten Eigenschaften des Wassers und seiner Inhaltsstoffe, sondern reduzierte sich auf den Grad der Verschmutzung.

Die Papierrestaurierung benutzt von Anfang an das Wasser als Arbeits­medium. Die grundsätzliche Eignung für die Reinigung, Entsäuerung oder Anfaserung ist nachgewiesen. Der Einfluß der Beschaffenheit des Wassers im Restaurierungsprozeß ist entscheidend für die Erzielung stabiler Ergeb­nisse.

Mit zunehmenden Restaurierungskapazitäten steigt der Wasserbedarf. Wasser und Abwasser werden zum Kostenfaktor. Die Naßbehandlung beinhaltet zwei elementare Ziele. Der Abtransport wasserlöslicher Schad­stoffe gelingt um so besser, je chemisch reiner das Lösungsmittel beschaffen ist. Das wäßrige Medium als Träger von Kalzium- und Magnesiumionen in wirksamen Mengen ist ein essentielles konservatorisches Anliegen. Das zur Verfügung stehende Leitungswasser kann, von Ausnahmen abgesehen,

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Vom Wasser

beide Anforderungen gleichzeitig nicht optimal erfüllen. Lettungswasser enthält, je nach geographischen und geologischen Bedingungen unter­schiedlichste chemische Verbindungen. Die Qualität kann, aufgrund der Ringleirungen der Wasserversorger, Schwankungen unterliegen. Deshalb macht es sich erforderlich, das für Naßbehandlungsverfahren benötigte Wasser netzunabhängig bereitzustellen.

Eine Wasseraufbereitungsanlage für restauratorischen Gebrauch muß entsprechend der konkreten Rahinenbedingungen entworfen werden. Der benötigte Wasserbedarf, die erforderlichen Qualitäten, die technische Zu­verlässigkeit, Pflegeleichtigkeit und Platzbedarf bilden die Entscheidungs-grundlage. Im ,Zentrum für Bucherhaltung' wurde eine Wasseraufberei-nmgsanlage konzipiert und gebaut, die den praktischen Gegebenheiten des Werkstattbetriebes Rechnung tragen kann, die modular aufgebaut wurde und dadurch flexibel und anpassungsfähig ist.

Das Trinkwasser aus dem Stadtnetz Leipzigs mit einer Gesamthärte von 14-18°dH und 5-7°dH Karbonathärte hat eine Leitfähigkeit von etwa 750pS/cm. Die Aufbereitungsanlage liefert in 90 min etwa 500 Liter Rein­wasser mit einer Leitfähigkeit von 8-15uS/cm. Die Leitfähigkeit gibt Aus­kunft über den Grad der Verunreinigung (Begleitstoffe) des Wassers. Die Leipziger Anlage entfernt 98% der Verunreinigungen unter Produktionsbe­dingungen zuverlässig.

Der zweite Anlagenteil besteht aus der Aufhärtung. Das Reinwasser kann in diesem Anlagenteil innerhalb von 4-5 Stunden auf eine Leitfähig­keit von über 2000 mikroS/cm mit Kalzium und Magnesiumionen aufgehärtet werden (ebenfalls 500 Liter) bei einem pH-Wert von etwa 8- 8,5.

Das Leitungswasser durchströmt zuerst einen Grobfilter, der grobe Ver­unreinigungen (Rost, Rohrleitungsablagerungen usw.) entfernt. Unmittel­bar dahinter ist eine Rohrtrenneinheit installiert, die bei Druckabfall im Leitungsnetz sofort schließt und damit ein Rückströmen aus der Aufberei­tungsanlage verhindert. Es folgen die Entchlorung und Enthärtung, an­schließend die Umkehrosmose.

Der Sammelbehälter ist mit Überlaufschutz und Trockenlaufsicherung ausgerüstet. Eine Druckerhöhungsstation gestattet den Transport und die Entnahme des Reinwassers.

Der zweite Anlagenteil besteht aus einem Druckfilterbehälter, dem Sam­melbehälter (500L) und einer weiteren Druckerhöhungsstation. Aus dem gefüllten Sammelbehälter wird das Reinwasser durch den Druckfilter-

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Die Naßbehandlung von Papier





Abb. 3l Die Insvaiistion der Wasseranfbereitungsanlage befindet sich hinter der Naßbehandlimgsanlage



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Abb. 32 Die Umkehrosmose als wartungsarme und leistungsfähige Technologie der Wasseraufbereitung

Vom Wasser






Abb. 33 Die Druckerhöhungsstation] speist ein internes Leitungsnetz mit mehreren Entnahraestellen




Abb.34 Granulargefullter Druckfilter-behalter zum Aufsalzen des Wassers mit Magnesium und Kalzium

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Die Naßbehandiung von Papier

behaltet gedrückt und zurück in den Sammelbehälter geführt. Die Kreislauf erzielt die zunehmende Aufhärtung des Wassers. Zu diese Zweck ist der Druckfilterbehälter mit etwa 350 Liter Granulat gefüllt.

Das Granulat besteht aus einem hochreinen Rohdolomit mit fast exak-rem Kalzium-Magnesium-Verhältnis von 1:1. Das Reinwasser wird v unten in den Behälter geführt und muß die gesamte Granulatsäule durch strömen um oben auszutreten und zurückzufließen. Neben der Wassere leitung im Behälterboden befinden sich ringförmig angeordnete Einblas-düsen für Kohlendioxyd, dessen Zuführung so eingestellt werden kann daß am Behälter oben keine Blasenbildung registriert wird. Auch das Koh-lendioxyd muss die gesamte Granulat-Wassersäule durchströmen, so d gute Bedingungen für die Hydrogenkarbonatbiidung bei geringem CO2 Einsatz gewährleistet sind.

Die gesamte Anlage wird jährlich einmal überprüft und gewartet, mehrjähriger Betriebszeit hat die Anlage im automatischen Betrieb i! Eignung unter lkweis gestellt. Für die Zukunft bleibt noch eine Problem tik zu lösen. Die Wasseraufbereirungsanlage ist für den Dauerbetrieb ,kon-zipiert. In Zeiten des verminderten Wasserbedarfs besteht die Gefahr der Verschleimung/ Algenbildung. Dieser Gefahr kann eine Entkeimungss tion begegnen. Allerdings können eine Reihe von angebotenen Verfahr die sichere Problemlösung nicht garantieren. Deshalb besteht für di< Aufgabe Entwicklungsbedarf.

Die Möglichkeit des fast unbegrenzten Zugriffs zu Rein- oder aufgehar-tetem Wasser in den beschriebenen Qualitäten bietet die Gewähr und t det die Voraussetzung für reproduzierbare Naßbehandlungseffekte. Diese Zielstellung wird unterstützt durch den sinkenden und differenzierter Einsatz von Chemikalien. In Zukunft sind Überlegungen notwendig, W ser als kostbare Ressource ökonomischer zu nutzen. Zur Zeit wird 'Zentrum für Bucherhaltung' geprüft, wo geschlossene Wasserkreisläufe und eine Mehrfachnutzung durch Wiederaufbereitung sinnvoll und nutz-bringend eingesetzt werden können.

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Die Technologie der Naßbehandlung



Die Technologie der Naßbehandlung von zerfallsbedrohtem und kontami­niertem Schriftgut unterlag in der Vergangenheit einer Entwicklung, die eine Rationalisierung der zeitaufwendigen und mit systembedingten Qua­litätsmängeln behafteten manuellen Verfahrensweise zum Ziel hatte.




Abb. 35 System der Naßbehandiung


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Die Erkenntnis, daß eine optimale Naßbehandking großer Mengen von Einzelblättern nur dann hohe Quantitäts- und Qualitätsebenen erreichen kann, wenn es gelingt, die Blätter in einer senkrechten Position durch die Bäder zu führen, war Bedingung und Ausgangspunkt. Für fragile Einzel­blätter in größeren Stückzahlen stellt die übliche Naßbehandlung einen risikobehafteten und belastenden Prozeß dar. Andererseits bestimmt die Qualität der Naßbehandlung das Gesamtergebnis der Restaurierung in großem Maße. In den Jenaer und Leipziger Restaurierungszentren wurde schrittweise an der Problematik der Naßbehandlung gearbeitet, wobei alle Aspekte der Naßbehandlung Beachtung fanden.


Die Naßbehandlung von Papier





Abb. 36 Siebraschen aus definiertem Material, definierten Maschenweiten, mit optimalen Eigenschaften wie z.B. Hizebestandigkeit, hervorragende Wasserauf'- und Abgabeeigenschaften,

mikrobenfest, pflegeleicht

Die hier beschriebene Technologie der Naßbehandlung stellt vorerst den Abschluß dieser Entwicklungen dar. Die quantitativen Grenzen dieser Technologie können nur überwunden werden, wenn das Prinzip der Arbeitstakte abgelöst wird durch eine kontinuierliche Arbeitsweise. Die im folgenden erläuterten Abläufe und Hilfsmittel repräsentieren den heutigen Stand. Alternative Technologien mit gleichen oder besseren Ergebnissen sind derzeit nicht bekannt. Die in Jena installierte Naßbehandlungstechno­logie wird im Kontext zur Problematik der Massenrestaurierung als not­wendige Grundlage dargestellt und mir Anwendungsbeispielen illustriert.

Die optimale Naßbehandlung von fragilen Einzelblättern ist an unter­schiedliche Zielstellungen gebunden. Als da sind:



  • Die Naßbehandlung darf zu keiner weiteren Beschädigung an den Blät­
    tern führen.

  • Alle Blätter müssen zur gleichen Zeit den gleichen Bedingungen ausge­
    setzt werden können.

  • Die eingesetzten Wirkstoffe und vor allem Wasser müssen rationell ge­
    nutzt werden.

  • Die Behandlung großer Stückzahlen gestattet die Bildung von Schadens­
    gruppen und damit individuelle Behandlungsabläufe.

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Die Naßbehandiung von Papier





Abb. 3S Details der ßeckenkonstruktion, die genau auf die Transportbehähergrößen abge­stimmt sind. Wasser- und Chemikaliens'erbrauch sind minimiert

Mit Hilfe einer Transporteinrichtung, die die gefüllten Transportbehälter aufnimmt, können beliebige Naßbehandlungsverfahren absolviert werden. Dabei zeigt sich die schnelle Aufnahme und die gleichschnelle Abgabe von Flüssigkeiten als qualitätsbeeinflussender Vorteil. Die in den Siebtaschen deponierten Originale werden von den Behandlungsflüssigkeiten umspült, von den Siebmaterialien gestützt und an ihrem Standort in senkrechter Po­sition festgehalten. Damit sind alle Anforderungen erfüllt, die für effektive chemische oder physikalische Naßbehandlungsabläufe notwendig sind. Die absolute Sicherheit der Originale während der Abläufe der Naßbe­handlung ist augenfällig.

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Die Technologie der Naßbehandlung

Abb. 39 Vorbereitung züm Trocknen der fertigen Blätter

Die beheizbaren Tauchbecken sind technisch mit allen notwendigen Ein­richtungen versehen, die notwendig sind, um optimale Ergebnisse bei allen Naßbehandlungen zu garantieren. Die Maße der Becken sind auf die Transportkassetten abgestimmt.

Unabhängig vom gewählten Naßbehandlungsverfahren können immer die notwendigen Parameter gewählt werden. Die exakte Reproduzierbar­keit der Abläufe ist garantiert. Genaue Temperaturregelung ist die Voraus­setzung für den Einsatz von Enzymen. Wasserstoffperoxidbleichen oder der Einsatz von Borhydriden können ohne die negativen Begleiterscheinun­gen, wie Auftreiben der Blätter oder Blasenbildungen in den Blättern, ab-

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Die Naßbehandiung von Papier






Abb. 40 Fahrbare Trockenregale können dort stehen, wo gerade Platz frei ist

solviert werden. Das Material der Becken garantiert lange Nutzungszeiten, ist pflegeleicht und korrosionsfest.

Nachdem alle Restchemikalien ausgespült wurden, die Transportkasset­ten mit Inhalt abgetropft sind (dauert nur wenige Minuten) werden die Siebtaschen mit den feuchten Blättern aus den Transportkassetten entnom­men. In den Falz der 'Badebücher' schraubt man mit einfachen Handgrif­fen zwei Metallstäbe, die es gestatten, die aufeinanderliegenden Siebta­schen auseinanderzuziehen.

Die feuchten Blätter können nun in den Siebtaschen gesichert, auf fahr­baren einfachen Gestellen hängend, trocknen. Der Trocknungsprozeß er­folgt auf natürliche Weise, in der Regel ohne Energiezufuhr, an der Luft. Die dargestellte Anordnung gewährleistet einen schnellen Trocknungsvor-

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Die Technologie der Naßbehandlung



Abb. 41 Einlegen der getrockneten Spalteinheiten zum Ablösen

gang. Die Möglichkeit, den Trocknungsvorgang z.B. durch Luftumwäl­zung oder ähnliches zu beschleunigen, bleibt unbenommen. Verfügt man über ausreichend Siebbeutel und Transportkassetten, sind Tagesleistungen von 3500-4500 Blatt problemlos zu realisieren. Nachdem die Blätter abge­trocknet sind, erfolgt die Entnahme aus den Siebtaschen, die anschließend sofort wieder benutzt werden können. Die Entnahme der trockenen Blät­ter, die nun wieder gut handhabbar sind, beendet den Naßbehandlungs­prozeß. Unschwer sind die Vorteile dieses Systems zu erkennen.

Das Ablösen der Trägermaterialien als letzter Arbeitsschritt des Spalt­prozesses stellt hohe Anforderungen an das restauratorische Umfeld. Auch diese Arbeiten sind nur in guter Qualität und akzeptabler Quantität zu leisten, wenn eine bewährte Technologie zur Verfügung steht. Das Ablösen der Trägermaterialien hat bei einer zunehmenden Anzahl von Schadensbil­dern eine Doppelfunktion übernommen. Neben das Ablösen ist die Funk­tion der Naßbehandlung getreten.

Zum Ablösen werden die gut ausgetrockneten Spalteinheiten zwischen die Siebbeutel eingelegt. Im Unterschied zur Naßbehandlung kommt es beim Ablösen nicht darauf an, die Originale während des Prozesses zu sichern. Diese Funktion übernimmt das Trägermaterial.

Wie beim Naßbehandlungsprozeß werden die Transportkassetten gefüllt und für das Ablösen bereitgestellt. Die eingelegten Spalteinheiten unterliegen den gleichen Vorteilen wie die Einzelbiätter bei der Naßbe-handiung.

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Die Naßbehartdlung von Papier

Abb. 42 Auch beim Ablösen bildet das gesicherte Handling der Originale eine unverzichtbare Voraussetzung

Die Transporteinrichtung bringt die Kassetten in Position. Im ersten Tauchbecken befindet sich die Enzymlösung bei einer Temperatur knapp unter dem Temperaturoptimum des Enzyms. In unserem Fall etwas unter 60° C. Die Kassetten werden in die Lösung eingefahren. Ein mehrmaliges Eintauchen garantiert, dass sich die Lösung gut verteilt und eventuelle Lufteinschlüsse entfernt werden. Nach 15 Minuten ist der Gelatinefilm





Bild 43 Gleichgültig, in welcher Abfolge und mit weicher Zielstellung mit wäßrigen Medien gearbeitet wird, die modular aufgebaute Technik kann allen Anforderungen entsprechen

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Die Technologie der Naßbehandlung

Abb. 44 Nach dem Gelatineabbau können die Spalteinheiren sicher zum Abgautschen entnommen werden

weitgehend abgebaut. Im zweiten Tauchbecken erfolgt das Klarspülen. Mitgeschleppte Enzymreste werden in dem 80-90°C heißen Wasser inak­tiviert. Die Einwirkzeit beträgt zwischen 10-15 Minuten.

Während der Ablösebäder erwärmen sich die Originalblätter auf die Wassertemperaturen. Nach Beendigung der Bäder kann die größte Menge des Wassers sehr schnell abtropfen. Nach etwa 5 Minuten können die Kas­setten von den Siebtaschen getrennt und der Weiterverarbeitung zugeführt werden.

Die noch heißen und feuchten Spalteinheiten werden in schneller Folge zwischen das Abgautschmaterial geschichtet. Wie schon erwähnt, kommen dafür Holzpappen oder Filze in Frage. Das Abgautschen der Spalteinheiten im heißen Zustand ist von großer Bedeutung, weil m diesem Zustand das gesamte Blattgefüge in den endgültigen Zustand versetzt werden kann. Dieser Zustand wird charakterisiert durch die Egalisierung von Kleb­schichten, Abbau von Materialspannungen, Abtransport von Reaktions­produkten und Verunreinigungen. Der Ablöseprozeß übernimmt zum Bei­spiel bei der Bearbeitung von Tinten- und Farbfraßschäden die Funktion der Naßbehandlung. Bei diesen Schadensbildern wäre eine Naßbehand­lung zu Beginn der restauratorischen Bearbeitung verhängnisvoll. Nach der Stabilisierung der Blätter erweist sich die Naßbehandlung als nutzbrin­gend.

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Die Nassbehandlung von Papier

Abb. 45 Das Abgautschen als letzter qualitätsbestirnrnender Schritt des Ablösens

Auch am Beispiel moderner Naßbehandlungstechnologien kann sehr leicht die Veränderung und Bewegung im restauratorischen Arbeitsfeld nachgewiesen werden. Der Ablauf der Nassbehandlung ist gekennzeichnet durch manuellen Aufwand zu Beginn und manuellen Aufwand am Ende. Dazwischen besteht die Aufgabe des Restaurators nur noch in der Bedie­nung und Kontrolle der Anlage. Diese Abläufe funktionieren aber nur ohne Reibung, wenn die technische Basis perfekt ist und gleichzeitig nach festgelegten Rezepturen verfahren wird. Es wird deutlich, daß hier der Weg zu genormten Qualitäten beschritten worden ist. Die Qualitätsnorm stellt ein notwendiges und wesentliches Kriterium der gesamten Bestandserhal­tung dar. Aus den dargestellten Entwicklungen können weitere Konse­quenzen abgeleitet werden. Optimale Ergebnisse restauratorischer Arbeits­schritte bedingen die Durchsetzung des Prinzips der Arbeitsteilung. Es wird transparent, daß definierte Arbeiten dem Einsatz von Hilfskräften zugänglich werden. Diese Ergebnisse bilden das Material ab, das benötigt wird, um die Bestandserhaltung als bloße Vorstellung in praktikable und finanzierbare Realitäten umzusetzen. Letztlich stellt sich die Frage nach dem passenden Profil zukünftiger Restauratoren. Von diesem Profil ist abzuleiten, wie gut oder wie schlecht ein System der Naßbehandlung oder ein System der Bestandserhaltung funktionieren kann.

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Die Technologie der Naßbehandtung





Abb. 46 Nassbehandtung in der Landes- und Universitätsbibliothek Jena



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Abb. 47 Trocknende Blätter in den Siebraschen

Die Naßbehandlung von Papier





Abb. 48 Nassbehandlung im 'Zentrum für Bucherhaltung' der Deutschen Bibliothek in Leipzig



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Abb. 49 Alternative zu den Siebtaschen

Die Stabilisierung von Papier

Das manuelle Papierspaltverfahren stellt eine Abfolge von Arbeitsschritten dar, die einzeln betrachtet den Eindruck vermitteln, es handle sich um leiche beherrschbare Tätigkeiten. Unstrittig ist die erforderliche Präzision, mit der alle Arbeitsschritte verrichtet werden müssen. Fehleinschätzungen, die sehr häufig einer subjektiven Sicht folgen, werden unweigerlich mit dem Mißerfolg bestraft. Dieser zwangsläufige Mißerfolg wird der Methode angelastet. Hier wird ein Grund sichtbar, der der Verbreitung der Methode bis heute im Wege steht.

Das manuelle Papierspaltverfahren wurde in den vergangenen drei Jahr­zehnten schrittweise perfektioniert, jeder Teilerfolg wurde mit Zeit und geistiger Energie bezahlt. Jeder Teilerfolg machte nicht nur das Verfahren effektiver, sondern führte zu einem Erfahrungsschatz.

Das manuelle Papierspaltverfahren kann, auch bei perfektester Ausprä­gung, die physische Grenze der Anwender nicht überwinden. Der Wider­spruch zwischen Kapazität und Bedarf ist nicht lösbar.

Das manuelle Papierspaltverfahren ist, bei Verfügbarkeit von Maschi­nen, auch in Zukunft unverzichtbare restauratorische Verfahrensweise. Mit Maschinen kann man auch in Zukunft nicht die hundertprozentige Bedarfsdeckung erreichen. Es wird immer Originale geben, die nur mir der manuellen Methode zu erhalten sind.

Es ist erkennbar, daß in der momentanen Situation Entwicklungsrich-rungen formiert werden. Die Notwendigkeit einer umfassenden Konzep­tion entspringt eiern Tempo des Papierzerfalls. Eine umfassende Konzep­tion der Fiestandserhaltung beinhaltet nicht nur rechnische Lösungen. Integriert sind Lösungen für optimale Restaurierungsmaterialien, Chemi-kalien, Hilfsmaterialien sowie logistische und organisatorische Lösungen.

Das mechanisierte Papierspalten als rationelle und ökonomische Stabili­sierungsmethode war lange Zeit eine Zielvorstellung, die in ein Gesanu-

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Die Stabilisierung von Papier

konzept eingebettet war. Heute ist das mechanisierte Papierspalten als Pro­blem realisiert. Es stellt momentan eine Insellösung dar, die durch Periphe­rielösungen komplettiert werden muß.

Kaschiermaschine, Spaltmaschine und die Steuereinheiten bilden die technischen, modular aufgebauten Bestandteile des Verfahrens. Mit diesen verfügbaren Maschinen ist es möglich, die zu behandelnden Blätter konti­nuierlich zu beschichten, zu pressen, zu spalten, den Kern einzubringen und die Blätter wieder zusammenzufügen. Der letzte Schritt, das Ablösen der Trägermaterialien, erfolgt zur Zeit noch manuell.

Die mechanisierte und damit kontinuierliche Ablösung der Trägermate­rialien bleibt einer Weiterentwicklung der Spaltanlage vorbehalten. An die­ser technischen Aufgabe arbeiten gegenwärtig Konstrukteure und Restau­ratoren. Die Realisierung dieser Entwicklung würde es erlauben, einen weiteren Schritt der Kapazitärserhöhung zu gehen. Endgültig kann eine restaurarorische Gesamtbehandlung von geschädigtem Schriftgut bei Voll­endung des Gesamtkonzeptes, welches die Naßbehandlung und das Anfa-sern mit der Papierspaltung modular verknüpft, in notwendigen Dimensio­nen und Qualitäten geleistet werden. Realistische Vorstellungen über die notwendigen Schrittfolgen sind erarbeitet. Unter der Voraussetzung der finanziellen Absicherung durch Fördermittel ist das Gesamtprojekt in etwa drei Jahren abzuarbeiten.

Die Papierspaltverfahren in ihrer historischen Entwicklung

Die Vorstellung, labile und stark beschädigte Papierblätter in der Mitte aufzutrennen, um alle Stabilisierungsarbeiten im Innern des Blattes durch­zuführen, faszinierte unsere restauratorisch tätigen Vorfahren und war Ausgangspunkt früherer Versuche der Papierspaltung. Erstmalig publi­zierte sie der Londoner Restaurator Baldwin im Jahre 1848, nach ihm, in den 60er Jahren des 1.9. Jahrhunderts, ßonnardot und andere französische Konservatoren, zu Beginn des 20. Jahrhunderts Lenormand und Morgana, etwas später D. Cockerell.

J.Vyskocil, der Altmeister der tschechischen Restauratoren, beschreibt die historische Technik der Papierspaltung wie folgt: «Die Spaltung von Papier war niemals eine leichte Arbeit ohne Risiko. Der Erfolg dieser Methode war niemals verbürgt. Die Grundlage aller dieser Methoden war

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Papierspaltverfahren in historischer Entwicklung



folgende Gemeinsamkeit: Das zur Spaltung bestimmte Dokument wurde auf beiden Seiten mit einer gleichmäßigen Schicht von warmem, nicht zu dünnem Leim bestächen, zwischen zwei Stücke dichtfädige feine weiße Leinwand, im Format einiger Zentimeter größer als das Dokument gelegt, worauf alles fest gepreßt wurde, damit das Dokument überall gut an der Leinwand anklebte. Nach vollständigem Trocknen des Leimanstriches, das den ganzen Tag dauert, kann dann zur Spaltung des Dokumentes geschrit­ten werden. Nach der Überprüfung, ob die Rück- und Vorderseite des Dokumentes gut an der Leinwand haftet, beginnen wir an einer Ecke das Papier durch Zug, am besten in der Richtung der Papierfasern zu spalten. Oftmals müssen wir an einer Stelle, an einer anderen Ecke des Papiers neu beginnen, weil sich nicht überall das Papier so vollständig trennen läßt, daß sich Rück- und Vorderseite gleichmäßig spalten. Das ist ein Höhe­punkt in der Konservierungsarbeit. Sie ist langwierig und erfordert bedeu­tende praktische Erfahrungen, Geduld und Vorsicht. Wenn wir dann das Blatt Papier spalten, befinden sich Vorder- und Rückseite auf der Lein­wand, auf die sie geklebt sind. Von der Leinwand nehmen wir es so ab, daß wir die Teile des Blattes in heißes Wasser rauchen, das den Leim auf­löst. Nach dem Trocknen und nach dem Pressen kleben wir zwischen beide Papierteile ein Seidennetz, und damit renovieren und festigen wir auch wieder das ursprüngliche Dokument. So war bisher der übliche Vorgang der Arbeit bei der Konservierung von Dokumenten, die auf gut erhaltenem und unzerstörtem Papier gedruckt waren.»

Diese instruktive Schilderung früherer Papierspakmethoden umreißt die Problematik treffend. Neben dem Risiko wird der hohe Aufwand und die beschränkte Einsatzmögiichkeit des Verfahrens belegt. Der ehemalige Direktor der Wiener Albertina, Josef Meder, befaßte sich mit Problemen der Graphikrestaurierung und notierte zwischen 1877 und 1881 zwei Re­zepte zur Papierspaltung, die Gesichtspunkte enthalten, die uns später wie­derbegegnen, allerdings mit anderen Mitteln der Realisierung. In den Ma­nuskripten J. Meders heißt es zur Thematik «Papier Spalten»:

«Man weicht das zu spaltende Papier in 10%iger Salzsäure (bis zu) 12 Stunden, nach der Papierdicke, ein und wässert dann in warmen Wasser 6-10 mal aus, bis das Lackmuspapier sich nicht mehr rötet. (Zusatz: zu­nächst in lauwarmer 10%iger Kalilösung noch 1/4 Stunde weichen und aus­wässern mit lauem Wasser.) Zur gänzlichen Entfernung des Leimes aus

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Die Stabilisierung von Papier



dem Papierkörper ist es nötig, das warme Wasser jedesmal bis zur Abkü tung stehen zu lassen und fleißig umzuschwenken. Während des Einwei-chens in der Salzsäure wird festes glattes Papier mit feinem Leim - Ha senblase, Etiquettenleim - dünn aber gut überstrichen und dann getrocknet. Nach der Auswässerung wird das zu spaltende Papier solange aufgehängt, bis es eben zu trocknen beginnt, d.h. bevor seine Fläch trocken sind. (Zusatz: mehr trocken als feucht, sonst treibt Klebemir durch die Oberfläche.) In diesem halbfeuchten Zustande wird es zwischen zwei Flächen geleimten Papieres behutsam, ohne Luftblasen eingelegt sanft angedrückt in eine Presse gegeben, und mindestens 12-24 Stunden hingestellt. Nach Herausnehmen aus der Presse wird das Leimpapier ge-nau nach der durchscheinenden Einlage an allen vier Seiten beschnitte um das Einreißen zu beseitigen, und nun an einer Ecke versucht, den auf-einandergelagerten Papierkörper zu trennen. Ist die Endeimung und c ganze Prozedur gut erfolgt, so geht dies leicht, und man löst so eine ganze Seite. Die Flächen des zu spaltenden Papieres haften an dem Leimpapier, während der entleimte mittlere Papierkörper sich leicht und nach der Gute des Filzes und Verfahrens auch gleichmäßig in zwei Flächen spaltet, von denen die eine meist dünner ist und die Drahtstifte und das Wasserzeiechen enthält, die andere (ein) etwas dichter gleichmäßiger Filz von oft wunder-barer Schönheit. Nun gilt (es) diesen dünnen spinnegewebeartigen Körp vom Leimpapier zu trennen. Dazu legt man die gespaltenen Papierflächen auf geölte oder Wachspapiere - Leimpapier bleibt oben -, legt es auf di sem Unterlagpapier (in) eine Schale mit warmen Wasser. Nach Verlauf von 3-5 Minuten kann man das Leimpapier, das oben schwimmt, abheben und der zarte Filz liegt auf dem Ölpapier; dieses wird an einer Seite gefasst, langsam aus dem Wasser gehoben, so daß dieses z.B. links abfliesst, während das Papier rechts aufgezogen wird. Nun legt man dasselbe auf ein Brett, drückt ein anderes Blatt Ölpapier darauf, wendet beides und bringt es so zurück ins Wasser (Zusatz: oder man drückt beide Ölpapiere in ei-nein Schwämme aus), so daß das erste Ölpapier oben schwemmt und a gehoben wird, worauf es auf der neuen Unterlage emporgehoben und c obige Procedur wiederholt wird. Dies geschieht so oft als nötig um den a fällig anhaftenden Leim zu entfernen. Die Procedur erfordert ein behutsa-mes Manipulieren, dann gelingen selbst Quartblätter wunderbar. Au< Holzschnitte auf beiden Seiten bedruckt lassen sich so trennen, meiste: ohne Schaden des Druckes (1877)».

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Papierspaltverfahren in historischer Entwicklung



Papier Spalten - Abzugsbilder

"Nach folgendem Verfahren lassen sich alte und neue, dicke und dünne, ja selbst die ordinären Holzstoffpapiere spalten.

Man legt die Papiere - bei Illustrationen, Holzschnitten möglichst Rand lassen - in eine Schale mit warmen Wasser, worin sie beliebig lang liegen können -1-6 Stunden -, Nach Abschütten des Wassers gießt man 5-10%ige Salzsäure auf, die 1-2 Stunden stehen bleibt, um die Planier­masse, den Leim aufzulösen. Hierauf gießt man heißes Wasser auf die Blät­ter und wiederholt dies so oft und solange, bis die Blätter ganz entsäuert sind, somit Lackmuspapiere nicht mehr röten. Während dem Säurebad und dem Auslaugen ist es angezeigt, die Wanne öfters zu schütteln und zu schwenken. Ist das Papier ganz entsäuert, so schüttet man das Wasser ab, hebt behutsam Blatt für Blatt auf und legt es auf horizontal gelagertes Löschpapier zum Trocknen. Während diese auslaugen, bestreicht man glattes starkes Papier - am besten Hanfpapier, das glatt, zäh und daher wiederholt gebraucht werden kann - mit einer warmen Lösung von ca. 4 Teilen Wasser, l Teil Leim, 3 Teile Zucker, -3/4 Teile Gummi arab, mit brei­tem Pinsel ganz gleichmäßig und hängt es zum Trocknen auf. Ist dieses Leimpapier ganz trocken - nicht früher - so schneidet man es in Stücke, jedes gerade doppelt so groß wie das zu spaltende Papier - um einen Zen­timeter größer ist beim Trennen vorteilhaft -, nimmt Blatt für Blatt von den noch halbnassen Papieren und drückt sie zwischen das Leimpapier fest und ohne Blasen an. Um die Blasen - die ebenso viele Löcher geben wür­den — zu vermeiden, feuchtet man die Rückseite eines Leimpapieres mit dem Schwämme schnell ein, legt das halbfeuchte Blatt auf die geleimte Seite, drückt es fest an und sogleich die andere Seite des Leimpapiers dar­auf, und streicht und drückt nun das ganze mit einem Tuche auf beiden Seiten solange, bis beide Seiten faltenlos haften. Nun legt man das Ganze zwischen Löschpapier und läßt es unter mäßigem Druck trocknen. Nach 6-12 Stunden - oder auch länger - schneidet man eine Seite der zusam­mengelegten Papiere gleich, und sucht an einer Ecke dieselben zu trennen. Auch alle 4 Ränder kann man beschneiden, besonders wenn fehlerhafte Stellen auslassen, und das Trennen an den Rändern versuchen, denn sind diese scharf, so spaltet sich das größte Blatt meist spielend leicht. Wo die Ränder einreißen, muß man mir Beschneiden nachhelfen; daher ist es, wie oben gesagt, geraten, einen Centimeter Rand zu lassen, um Spielraum zu

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