Wolfgang Wächter Bücher erhalten, pflegen und restaurieren


Die Stabilisierung von Papier



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Die Stabilisierung von Papier

haben. Die nun gespaltenen Hälften legt man in warmes Wasser, und zwar jedes Blatt mit der neueren gespalteten Seite auf Öl- oder Wachspapier. Im Wasser löst sich das Leimpapier; man kehrt das auf dem Wachspapier lie­gende Blatt um, reinigt die Leimseite mit einem Pinsel irn Wasser von jeder Leimspur, hebt es mit dem Wachspapier heraus und trocknet es. So lassen sich selbst große Blätter spalten.

Sollte eine der beiden abgezogenen Flächen Schaden zeigen, haften z.B. kleine Randstücke der Rückfläche auf dem Bilde, dessen klares Abzugsbild wünschenswert ist, so kann man in warmen Wasser diese schadhaften Stel­len mit den Fingerspitzen behutsam abrollen, und so ist die eine Fläche ganz rein erhalten. Das Austaugen des Bildes im warmen Wasser zwischen Öl- oder Wachspapieren ist sehr einfach und notwendig.

Diese meist sehr dünnen Blätter können nun bei Illustrationen aus Druckpapier entweder auf weiße Papiere geklebt und als Bild an sich ver­wendet werden oder als farbiges Abzugsbild ... (Diese zweite, offenbar spä­tere Fassung stammt vielleicht aus dem Jahre 1881)».

Die Rezepturen Meders zeichnen sich durch ihre exakte Formulierung aus und umreißen die Gesamtheit der Möglichkeiten dieser Methode zu seiner Zeit.

In der Zeitschrift für Häusliche Kunst, «Liebhaber - Künste», Jahrgang 1892, Seite 262 wird in der Rubrik 'Nützliche Winke' ausgeführt: «Papier zu spalten. Des öfteren ist dem Sammler die bedruckte Rückseite eines Zei­tungsausschnittes, einer Illustration störend, und er steht vor der Frage, das Papier in zwei Hälften zu zerlegen. Es werden hierfür zwei Verfahren angegeben, mit welchen man ja einen Versuch machen kann. Nachdem ei­nen, das sich wohl für stärkere Papiere eigner, legt man das betreffende Stück auf eine Glasscheibe und läßt es so lange Wasser auffangen, bis das Papier vollständig getränkt erscheint. Mit einem Messer beginnt man dar­auf am Rande die Trennung und zieht langsam die obere Schicht ab. Nach der anderen Methode klebt man das Papier, das man mit einem Kleister beiderseitig satt bestrichen hat, zwischen zwei etwas größer geschnittene Leinwandstücke, preßt und trocknet das Ganze zwischen zwei Brettchen. Nach dem Trocknen reißt man die Leinwandstücke auseinander, an wel­chen je eine Papierhälfte bleibt. Die weiter zu benutzende Hälfte wird auf eine Glasplatte gelegt und eingenäßt, bis sich die Leinwand ablösen läßt. Den aufgeweichten Kleister entfernt man mit einem weichen Pinsel. Ist das

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Papierspaltvertehren in historischer Entwicklung



Papier getrocknet, so kann dasselbe noch auf ein starkes weißes Papier aufgeklebt werden. Um dies faltenlos zu bewerkstelligen, ist es bei größe­ren Flächen notwendig, beim Aufkleben mit einem Rande zu beginnen, in­dem man das Papier von einer zweiten Person an der gegenüberliegenden Kante hochheben läßt. Mit einem aufgelegten Fließpapier streicht man dann, immer von der Mitte ausgehend, nach links und rechts die ganze Fläche nach und nach fest, indem der Helfende in gleichem Masse nach­gibt.»

Max Schweidler, als profilierter Fachmann mit der Problematik vertraut, äußert sich zum Papierspalten wie folgt:

«Auch dieses Verfahren ist nicht schwierig, nur gehört dazu etwas mehr Geduld. Ein Bogen Papier, bedruckt oder leer, stark oder dünn, kann so geteilt werden, daß man zwei Blätter in der Größe erhält, die der geteilte Bogen hat. Beide Bogen haben dann nur die halbe Stärke. Das ist keine Zauberei, sondern eine einfache Handhabung.

Zwei farblose, aber nicht allzu starke Bogen Packpapier, etwa fünf Zen­timeter größer irn Geviert, als der zu teilende Bogen oder Druck, werden in ein Kaltbad gelegt, damit die Papiere sich etwas dehnen können. Das zu teilende Papier, es kann hart oder weich sein, bekommt auch ein Bad. Man läßt alle drei Teile mindestens eine Stunde im Wasser Hegen, da sie von verschiedener Beschaffenheit sein können. Man nimmt sie dann aus dem Bade, läßt das Wasser nur flüchtig abtropfen und legt die Teile zum schnel­leren Aufsaugen der überflüssigen Feuchtigkeit auf Holzpappe oder Fließ­papier. Während dieser kleinen, nicht anstrengenden Arbeit hat man schon den besten Tischlerleim, der keine Krümel oder sonstige Unreinheiten auf­weisen darf, gut flüssig gemacht. Der Leim muß vom Pinsel laufen, denn man muß mit einem breiten Flachpinsel das zu teilende Blatt von einer Seite (man achte darauf, daß es feucht aber nicht pitschnaß ist) mit dem flüssigen und sehr heißen Leim bestreichen. Danach legt man einen Bogen Packpapier auf die geleimte Seite und läßt überall etwas überstehen. Die zweite Seite des Druckes wird ebenfalls bestrichen und mit dem zweiten Bogen Packpapier bedeckt. Die Bogen haben nun das ganze Blatt herme­tisch abgeschlossen. Da alle drei Teile in feuchtem Zustande behandelt wurden, also noch feucht sind, so muß man jetzt alle Falten und Blasen herausstreichen, damit die Teile ganz glatt, wie angegossen, aussehen. Dann beschwert man sie unter sanftem Druck und läßt die Teile zwischen saugenden Pappen etwas austrocknen. Nach ein bis zwei Stunden verstärkt

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man den Druck durch schwere Bücher, damit sie ganz austrocknen und sich fest miteinander verbinden.

Hat diese kleine Arbeit den beschriebenen Verlauf genommen, dann schneidet man von der linken, der oberen oder unteren Kante soviel von dem überstehenden Packpapier ab, daß man an das Blatt herankommt Das stark eingepreßte Blatt markiert sich auf dem Packbogen, so daß keine Gefahr besteht, das Blatt beim Beschneiden der Bogen zu beschädige Man hat also das Papier von zwei Seiten beschnitten und versucht nun, an dem Treffpunkt der Schnittlinien das Blatt zu teilen. Mit einem scharf Federmesser schneidet man das Blatt so an der Ecke ein, daß man auf j dem Packpapierbogen, links und rechts, je eine kleine Ecke des geteilten Druckes hat. Kann man mit den Fingerspitzen die beiden Eckchen gut fas-sen, so zieht man gleichmäßig und ganz vorsichtig von beiden Seiten, links und rechts, immer weiter. Merkt man, daß das Papier etwas einreißt, dann muß man das Blatt drehen oder den Druck der Fingerspitzen so anwende auch ein dünnes Federmesser hilft nach, daß man wieder in die richtige Bahn kommt.

Jetzt legt man die beiden Teile in ein Kaltbad und läßt sie darin eine Stunde weichen. Im Verlauf dieser Zeit wird der geteilte Bogen in den m< sten Fällen von dem zur Teilung benutzten Hilfsbogen abgeschwomrrn sein. Das kalte Wasser entfernt man und gießt sehr heißes Wasser über die Blätter, damit die restlichen Leimspuren gänzlich aufgelöst werden. Mit den Unterstützungsbogen nimmt man dann die Blätter heraus.

Man kann nun noch einen zweiten Teilungsversuch unternehmen. Nach-dem man das Blatt zur besseren Austrocknung zwischen Pappen gelegt hat, holt man es vor völliger Austrocknung hervor und versucht nun die Teilung.

Es kann mitunter vorkommen, daß man mehr Erfolg hat, wenn das zu teilende Blatt nicht ganz wie ein Brett ausgetrocknet ist. Wie stets wird man auch in diesem Falle natürlich mit einer Probearbeit erst Versuche a steilen. Hat man die genügende Sicherheit erlangt, Packpapier und Leim Flüssigkeit gut ausgeprobt, dann ist das Verfahren, Teilung von Papiere sehr leicht durchführbar.

Man teilt oder spaltet ein Blatt, wenn es von zwei Seiten mit Zeichnun-gen versehen ist oder wenn ein geeigneter Druck zu einem Lampenschirm verwendet werden soll, aber infolge zu dicken Papiers nicht transpare genug ist.

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Papierspahverfahreti in historischer Entwicklung



Ferner wird man genötigt, das Papier zu teilen, wenn Kupferstiche oder Steindrucke auf der Rückseite bedruckt sind und aufgezogen werden sol­len. Infolge des Kleisteraufstriches würde die Druckschrift deutlich nach vorn durchschlagen und dadurch die Vorderseite unansehnlich machen.

Erwähne sei noch, dass man zu reinen Restaurierungszwecken niemals Flickpapier spalten darf, da die nicht gespaltene Seite jedes Blattes durch den Leimaufstrich eine gewisse Festigkeit erhalten hat.

Zum Teilen oder Spalten eignen sich nur solche Papiere, die frei von Klümpchen und Metallstücken sind. Bei einer Teilung würden diese her­ausfallen und kleine Löcher hinterlassen. Man muss jedes Papier, das man teilen will, vorher prüfen. Die störenden Steilen fallen bei Durchsicht als dunkle Flecken auf.

Im Jahr 1932 wurde die Papierspaltmethode des Italieners Leti bekannt. Dieser legt das zu spaltende Blatt zwischen zwei Zelluloidfolien in ein Aze­tonbad, in welchem das Zelluloid angelöst wird und einen vollkommen haftenden Überzug auf beiden Seiten des Originals bildet. Dieser Überzug mit samt dem Original muß bis zur vollständigen Verflüchtigimg des Aze­tons liegen bleiben. Nach dem Ausrrocknen erfolgt der Spaltvorgang. Ein weiteres Azetonbad löst die Zelluloidfolien wieder vom Papier. Auch bei diesem Verfahren ist die Unversehrtheit des Originals neben einer gewissen Stabilität Bedingung, denn im Falle des Vorhandenseins von Fehlstellen ist der Spaltprozeß nicht möglich. Unter Beachtung der Gefahren, die durch Lösungsmitteünklusionen entstehen können, müssen wir heute eine kriti­sche Stellung beziehen.

Wiederum von J.Vyskocil stammt die Beschreibung einer Papierspaltme­thode von Sedlecky. Vyskocil schreibt: «Die Erfindung von Sedlecky ver­einfacht die Spaltung - Konservierungsmethode wesentlich, sie beschleu­nigt sie zeitlich und verbessert die Arbeit durch die Verwendung von Polyamid. Polyamid in Gestalt eines klaren, durchsichtigen und dünnen Lackes ersetzt bei der Spaltung von Papier den Leim, die Hilfsleinwand und die Zelluloidblätter. Mit dieser Methode ist es möglich, Papier jegli­cher Art und Qualität, mag es intakt oder vermodert sein, zu spalten und zu festigen. Der oberflächliche Anstrich, oder das Besprühen mit Poly­amidlack, bildet auf dem Papier einen glänzenden, festen vollkommen wasserundurchlässigen Film, der in sich das Papier von allen äußeren Ein­flüssen vollständig abschließt. Einige Minuten nach der Durchführung des Anstrichs ist er vollkommen trocken und deshalb sogleich geeignet zu wei-





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teren Arbeitsgängen. Man schneidet ihn eng ringsherum ab und taucht da« beschichrete Blatt 2-3 Stunden in warmes Wasser. Das Wasser dringt lang­sam zwischen beide Filmschichten und zerweicht die Papierfasern inner­halb des Blattes, das an den Rändern schon nach einigen Minuten beginnt, sich von selbst zu spalten. Der Anstrich haftet fest an der Vorder- und Rückseite des Papiers und verhindert die Spaltung des Papiers in zwei un­gleich starke Hälften, oder das es überhaupt nicht spaltet. Die Spaltung können wir beschleunigen, indem wir mit der Hand beide Hälften des Blattes voneinander lösen. Die Lackschicht kann man von der Oberfläche des Papiers ohne Spuren abwaschen, so daß der Anblick des Papiers wie­der glanzlos und normal ist. Zwischen beide gespaltene Teile legen wir ein Seiden- oder Silonnetz und verkleben sie inwendig mit dem zugehörigen Leim.

Diese Methode von Sedlecky ist ein würdiges Pendant aller Weltmetho­den Papier zu spalten und steht mit ihrer Leichtigkeit, Verläßlichkeit und Schnelligkeit allen anderen voran.»

Lassen wir es dabei bewenden und beenden wir unseren Ausflug in die Geschichte der Papierspaltung. Die angeführten Beispiele, es existieren weitere ähnliche, zeigen die Entwicklungstendenzen, aber auch die Be­grenztheit der Anwendung. Die breite Darstellung der Verfahren sollte zur Transparenz führen und die ganz unterschiedlichen Zielstellungen verdeut­lichen. Interessant ist der Versuch, diese Schilderungen mit den heute gülti­gen ethischen und ästhetischen Kategorien zu messen, die oft genug zur Begründung einer Ablehnung der Spaltmethoden benutzt werden.

Die angeführten Beispiele erhellen eine über hundertjährige Entwick­lung. Mit unterschiedlichen Hilfsmitteln zu unterschiedlichen Zwecken wurde immer wieder der Beweis erbracht, daß man Papier spalten kann. In dieser langen Zeit haftete dem Spalten immer das Flair der Zirkusattrak­tion an.

Etwa in der Mitte der 60er Jahre begannen in Jena und Leipzig junge Restauratoren mit Versuchen, aus der Möglichkeit, Papier spalten zu kön­nen, eine reproduzierbare Stabilisierungsmethode zu entwickeln. Zum er­sten Mal wurde systematisch an Problemlösungen gearbeitet. Diese Ent­wicklungen fanden von Anfang an in einem starken Spannungsfeld statt, dessen Polarisierung, vehemente Ablehnung und unerfüllbare Erwartun­gen, bis heute wirksam ist. Die anfängliche Triebkraft für die Entwicklun­gen war die Überwindung einer Mangelsituation. Sehr bald jedoch griff die


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Papierspaitvert'ahren in historisch« Entwicklung

Erkenntnis Raum, daß mit der Papierspaltmethode ein universelles Instru­ment zur Verfügung stand, mit dessen Anwendung schlagartig schwerste Schäden in bislang unbekannter Qualität bearbeitet werden konnten.

Im Verlauf der schrittweisen Perfektionierung wurden immer mehr Schadensbilder beherrschbar bei ständiger Senkung der Risikoebene. Bemerkenswert erscheint die Feststellung, daß die entwickelte Papierspalt­methode sehr bald Veränderungen in den traditionellen Restaurierungs­abläufen induzierte und in Anbindungen und Kombinationen mit anderen restauratorischen Verfahrensweisen praktiziert wurde. So entstanden in schneller Folge innovative Inseilösungen, die in ihrer Summe den aktuellen Stand der Papierrestaurierung repräsentieren.

Der aktuelle Entwicklungsstand der Papierrestaurierung ist das Resultat einer bewußt oder unbewußt stattgefundenen Spezialisierung. Der Beweis dieser Behauptung ist in den Werkstätten der Universitätsbibliothek Jena und im Leipziger 'Zentrum für Bucherhaltung' dokumentiert. Während in Jena ein perfektioniertes System der Taktfertigung entwickelt wurde, ste­hen in Leipzig die ersten Maschinen zur automatisierten Papierspaltung.

Das Prinzip der Papierspaltung

Im homogenen Faserverband des Papiers sind die Einzelfasern in allen Ebe­nen miteinander verfilzt. Im handgeschöpften Papier ist diese Verfilzung ausgeprägter als im Maschinenpapier. Der Schöpfvorgang mit dem Sieb er­möglicht die allseitige Verfilzung der Fasern durch die Schüttelbewegung des Siebes bei gleichzeitiger schneller Entwässerung. Der Blattbildungsvor­gang auf der Papiermaschine bedingt die vorzugsweise parallel zur Rich­tung des Maschinenlaufs angeordneten Fasern. Aus dieser Anordnung re­sultiert die Lauf- und Dehnrichtung des Papiers, die ihren Ausdruck in der Dimensionsveränderung von Länge oder Breite des Blattes findet, sobald Feuchtigkeit einwirken kann. Die Blattstärke als Dimension wird aus der Summe der Faserquerschnitte und der Anzahl der Fasern gebildet. Eine Trennung der verfilzten Fasern in der Mitte des Blattes bedeutet überwie­gend die mechanische Lösung von Faserbindungen, als auch die Durchtren­nung von einzelnen Fasern. Je stärker Papier gealtert ist, um so weniger Ener­gie wird für den Spaltvorgang benötigt, denn mit Ausnahme holzhaltiger, sauer produzierter Papiere sind die Faser-Faser-Bindungen gelockert, und

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Die Stabilisierung von Papier

die Faserstruktur ist geschädigt. Daraus ergibt sich die besondere Eignung der Papierspaitmethode für schwere Papierschäden.

Um den Spairvorgang in der ßlattmitte exakt zu realisieren, müssen bestimmte Bedingungen erfüllt werden. In Gedanken stellen wir uns die Blattsrärke gedrittelt vor. Die Sieb- und Filzseite werden nun mit dem Bin­demittelfilm, dessen Träger ein spezielles Filterpapier ist, bedeckt und einem Pressendruck ausgesetzt. Man rechnet damit, daß jeweils ein Drittel der Blattstärke von den Oberflächen her vorn Bindemittel durchdrungen wird, so daß das mittlere Drittel des Blattes bindemittelfrei bleibt. In diesem mittleren Drittel findet der Spaltvorgang statt.

Die Viskosität des Bindemittels steht im direkten Verhältnis zur Beschaf­fenheit des zu spaltenden Papieres. Um ein festes und stabiles Papier spal­ten zu können, muß das Bindemittel gut von beiden Seiten eindringen kön­nen, also niedrigviskos sein. Bei gealterten undlabilen Papieren würde ein niedrigviskoses Bindemittel leicht von beiden Seiten das gesamte Blatt durchdringen. In diesem Fall wäre der Trennungsvorgang unmöglich. Je weiter der Abbau eines Papiers fortgeschritten ist, um so hochviskoser muß das Bindemittel beschaffen sein.

Der Zeitfaktor stellt eine weitere Einflußgröße dar. Niedrigviskose Bin­demittel beanspruchen zum Abbinden mehr Zeit als hochviskose Binde­mittel. Der Trennungsvorgang kann mit Perfektion erst nach dem Abbin­den, aber möglichst vor dem völligen Austrocknen des Bindemittels erfolgen. Daraus ergeben sich in der Praxis die unterschiedlichen Verweil­zeiten in der Presse.

Beschaffenheit und Zustand des zu spaltenden Objektes sind entschei­dend für den einwandfreien Spaltungsvorgang. Schimmelbeläge, alte Kle­bestellen, Wachsreste usw. verhindern den sicheren und gleichmäßigen Klebprozeß und das gleichmäßige Eindringen des Bindemittels. Deshalb ist eine gewissenhafte Vorbereitung im Sinn der Naßbehandlung notwendig. In den Fällen, wo eine vorherige Naßbehandlung unmöglich erscheint, sind grobe Verunreinigungen und Hemmnisse trocken und mechanisch zu reduzieren. Neben den Viskositätsparametern ist die Gleichmäßigkeit der Bindemittelfilme ausschlaggebend. Das manuelle Auftragen des Bindemit­tels hat den Nachteil, daß trotz aller Bemühungen Unregelmäßigkeiten im Bindemittelfilm bestehen, was eine ungleichmäßige Eindringtiefe und da­mit eine ungleichmäßige Spaltung bedingen kann. Das maschinelle Auftra­gen des Bindemittels schließt diese Nachteile aus und gestattet ein effekti-

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Papierspaltverfahren in hisrorischer Entwicklung



ves Arbeiten. Eine weitere Begründung für die maschinelle Beschichtung ist im Wasserhaushalt der beteiligten Materialien zu finden. Die maschinelle Beschichtung vereinheitlicht die Bedingungen innerhalb der Spalteinheit durch ihre schneite Abfolge. Innerhalb von Sekunden wird der Klebstoff­film aufgetragen, innerhalb von Sekunden erfolgt die Beschichtung einer Seite und wiederum nur nach Sekunden die Beschichtung der anderen Seite des Originalblattes. Im Gegensatz, dazu verlaufen die vergleichbaren Abläufe beim manuellen Beschichten sehr viel langsamer ab, mit der Kon­sequenz uneinheitlicher Zustände innerhalb der Spalteinheit. Diese schein­bar belanglosen Zusammenhänge sollten in ihrer Bedeutung und Auswir­kung bedacht werden. In dieser Ebene ist ein Risikopotential angesiedelt, welches notwendigerweise auszuschließen ist. Es sollte heute völlig klar sein, daß Kompromisse nicht eingegangen werden dürfen. Kompromisse auf dieser Ebene negieren alle bisher gemachten Erfahrungen - sie bedeu­ten objektiv Rückschritt.

Die Technik des Papierspaltens

Die zur Spaltung vorbereiteten Originalblätter werden von beiden Seiten mit dem Trägermaterial beschichtet. Das Trägermateria! ist entsprechend des Zustandes der Originale mit Bindemitte! angemessener Viskosität gleichmäßig beschichtet. Der sich anschließende Preßvorgang ist unter­schiedlich lang, je nach Viskosität des Bindemittels und der materiellen Be­schaffenheit der zu spaltenden Originale. Nach dem Abbinden des Binde­mittels erfolgt der Spaltprozeß.

An einer Ecke beginnend, werden die Trägerpapiere mit je einer Hälfte des Originals zügig aufgerissen. Wichtig ist die Handhabung und Haltung des zu spaltenden Blattes. Nachdem an der Ecke des Blattes der Anfang des Spaltens gemacht wurde, ist beim Fortgang des Spaltprozesses auf die senk­rechte Haltung des Originals zu achten, während die schon aufgespaltenen beiden Hälften zu dieser Senkrechten einen Winkel von 90° bilden. Diese T-förmige Haltung gewährleistet die gleichmäßige Spaltung des Blattes in der bindemittelfreien inneren Zone des Originals, ohne daß man zwei unter­schiedlich starke Hälften erhält.

Die inneren, nun freiliegenden Flächen werden wiederum mit Bindemit­tel beschichtet und nach dem Einlegen des neuen Kernmaterials verklebt.

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Die Stabilisierung von Papier



Abb. 5O Manuelles Beschichten der Träger.Im Vordergrund die heizbare Tischplatte. Mit deren Hilfe sind eventuelle Montagen der Originale auf dein Träger möglich


Technik des Papierspaltens





Abb. 52 Die offenhegenden gespaltener, Blätter werden mit dem Innenkiebstoff beschichtet und zum Kerneinlegen transportiert



Abb. 5.3 Das Einfügen des neuen Kernmaterials. Der Kern wird nur aufgelegt. Dem Schließen des Blattes folgt das Stapein zwischen den Preßpappen

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Die Stabilisierung von Papier



Abb. 54 Der Gelatineabbau mit nachfolgendem Abgautschen beendet die Papierspaltung

Im Gegensatz zum Bindemittel für die Kaschierung der Trägerpapiere sind an das Bindemitte! für die Innenverklebung generell andere Forderungen zu stellen. Während ersteres neben den schon beschriebenen Viskositätspa­rametern eine sichere Verklebung neben einer möglichst schnellen Löslich­keit garantieren muß, ist bei der Innenverklebung neben dem sicheren Kle­ben eine möglichst langsame Löslichkeit notwendig. Die Zeitdifferenz zwischen den unterschiedlichen Lösungszeken beider Bindemittel stellt unter Berechnung einer Sicherheitsreserve die Arbeitszeit für den Ablöse­prozeß der Trägerpapiere dar.

Nach dem Einfügen des neuen Kernmaterials werden die stabilisierten, aber nun feuchten Blätter zwischen Pappen gestapelt und beschwert. Jetzt muß eine stabile Innenverklebung erzielt werden, ohne daß das Bindemit­tel der Innenverklebung Gelegenheit hat, sich mit dem Bindemittel der Außenkaschierung zu vermischen. Deshalb sind starke Preßvorgänge zu vermeiden, die das Bindemittel von innen verdrängen könnten.

Nach dem völligen Austrocknen der Innenverklebung können die Trä­germaterialien abgelöst werden.

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Materialien und Hilfsmittel



Die Trägerpapiere zum Zweck der Papierspaltung müssen neben einer ge­wissen Stabilität und Naßfestigkeit eine gute Wasseraufnahme und Abgabe garantieren. Die bei Anwendung der historischen Spaltverfahren benutzten Packpapiere besitzen zwar die Stabilität und Naßfestigkeit, aber beim Ab­lösen kann das heiße Wasser die Fläche des Papiers nur sehr langsam durchdringen. Die Ablösung kann nur von den Rändern her nach innen geschehen bzw., wie in den Rezepturen beschrieben, von hinten durch die dünne Schicht des gespaltenen Papiers. Bei modernen Spaltverfahren stellt das Abiösen der Trägerpapiere den letzten Arbeitsgang dar. Das fertig sta­bilisierte Original ist noch vorn Trägerpapier bedeckt, dessen Ablösen nur dann in der notwendigen Zeit und Qualität zu realisieren ist, wenn das heiße Wasser gleichzeitig die gesamte Trägerpapierfläche durchdringen und den Bindemittelfilm lösen kann.

Das Trägermarerial für die Papierspaltung bestimmt mit seinen Eigen­schaften weitgehend das qualitative Ergebnis des Verfahrens.

Als. geeignet haben sich naßfeste Filterpapiere mit einer Flächenmasse von etwa 90 g/qm erwiesen. Ihr Verhalten sowohl beim Beschichten mit Bindemittel als auch beim späteren Ablösen entspricht den Anforderungen einer sicheren Verfahrensweise sehr genau. Anforderungen an Trägermate­rialien sind:


  • gute Wasserleitfähigkeit

  • Formstabilität

  • genügende Festigkeit

  • Wieder/verwendbarkeit

  • Preiswürdigkeit.

Als noch zweckentsprechender haben sich neuerdings Polyestervliese er­wiesen. Ihre Einführung in die Papierspaltpraxis ist eine Art 'Nebeneffekt' aus der Entwicklung der Papierspaltmaschine. Im Gegensatz zum Filter­papier ergibt sich bei der Verwendung der imprägnierten Polyestervliese ein völlig anderer Wasserhaushalt. Die Trägermarerialien nehmen selbst kein Wasser auf. Beim Beschichten diffundiert ein Teil der Gelatine zwi­schen die Vliesfasern, ohne mit ihnen zu verkleben. Man könnte fast

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Die Stabilisierung von Papier

sagen, daß der Gelatinefilm von den obenliegenden Vliesfasern armiert wird. Die Konsequenz besteht in der Einsparung von Klebstoff. Beim Ablösen kann die Verweilzeit im Wasser verkürzt werden, weil die Durch-dringungsfähigkeit des Vlieses bedeutend über der von Filterpapier liegt. Die Vliesflächen sind pflegeleicht, schnell trocknend und absolut formsta­bil. Die Wiederverwendung über längere Zeit ist im Vergleich zu Filter­papier problemlos.

Bindemittel

Die beiden Bindemittel für die Papierspaltung unterscheiden sich sowohl vom chemischen Aufbau als auch von den Anforderungen. Für die Verkle-bung der Trägerpapiere mit den zu spaltenden Originalblättern wird eine spezielle Gelatine verwendet.

Der Gelatinefilrn erfüllt eine Vielzahl von Aufgaben. Primär dient er der exakten Verklebung. Gleichzeitig erfüllt der Film die Aufgabe eines Fixa-tivs. Er umhüllt und deckt alle Eigenheiten und Merkmale der Originale, wie Textur oder Schreibstoffe. Unverzichtbar ist die Funktion der Gelatine­schicht als spannungsausgleichende Ebene. Solange die Gelatine noch nicht abgebunden hat, kann sie die Dehnung des Originals ausgleichen, die durch die beiderseitige Kaschierung hervorgerufen wird.

Die Verarbeitung der Gelatine erfordert die Gewährleistung stabiler Temperaturen. Als Grenztemperatur, bei der ein merklicher thermischer Abbau der Gelatine beginnt, gilt 65° C. Bei einer Temperatur von 60° C bleibt die Gelatine praktisch unverändert, während bei 70° C schon ein erheblicher Abbau zu verzeichnen ist.

Die Rezeptur für die Gelatinelösung:


  • 7000 ml Wasser

  • 2500 g Speisegelatine, 220- 250 Bloom

  • 150 ml Glyzerin

Gelatine in Wasser einrühren und mindestens zwei Stunden quellen lassen. Bei 60° C aufschmelzen und mit Glyzerin mischen.

Die hochelastische Gelatinelösung fließt glasklar. Eine Schaumbildung in der Anleimmaschine wird vermieden durch ausreichenden Gelatinevorrat in der Walzenwanne und in der exakten Temperaturbeachtung. Der Gelati-

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Materialien und Hilfsmittel



nebeschichtung ist grösste Sorgfalt zu schenken. Nur eine gleichmäßig gelierende Beschichtimg, ohne Bläschen und Rillen, ermöglicht eine per­fekte Spaltung.

Speisegelatinen erfüllen die Anforderungen während des Spaltprozesses optimal. Speisegelatinen sind Produkte von höchster Gelierfähigkeit, bril­lanter Klarheit und einem Höchstmaß an Keimfreiheit. Als Maß für die Qualität von Gelatinen gilt ihre Gelierfähigkeit, der Bloomwert. Gelatine gilt als niederbloomig bei Werten zwischen 50 und 100, mittelbloomig bei Werten zwischen 100 und 200 und als hochbloomig bei Werten zwischen 200 und 300 Bloom.

Vorsicht! Von der herkömmlichen Verwendung von minderwertigen Knochenleimen, technischen Gelatinen, Perlleimen usw. ist dringend abzu­raten, da Säuregehalt, Füllstoffe und Streckmittel zu gefährlichen chemi­schen Reaktionen führen.

Das Bindemittel für die Innenverklebung ist essentiell für die chemische Stabilität der Originale.

Die Verwendung einer alterungsbeständigen Klebeemulsion ist eine ele­mentare Voraussetzung, daß nach der Papierspaltung die innere Gesamt­stabilisierung und das eingezogene Faserskelett auch für spätere Generatio­nen lösbar bleiben.

Die Rezeptur für die Klebeemulsion/Innen



  • 4000 ml destilliertes Wasser

  • 200 ml Akrylat - als Option

  • 200 ml Ethanol

  • 75 g CMC, hochgereinigt und entsalzen

  • 75 g MC, Thylose MH 300

  • 20 g Kalziumkarbonat/Magnesiumkarbonat

  • 30 g Galaktomannane (Meyproid) als Option

  • l g Captan (als Option)

In das auf 60° C erwärmte Wasser werden in der aufgeführten Reihenfolge die Bestandteile mit einem Rührgerät eingearbeitet. (Achtung! Bei der An­wendung von Captan muß dieses vorher in Ethanol gelöst werden.) Das Rührwerk wird während der nächsten Stunden mehrmals 15 Minuten lang in Gang gesetzt.

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Die Stabilisierung von Papier

Die eigentliche Feinsrverteilung innerhalb des Gemisches erzielt nach ei­ner Quellzeit von 12 Stunden ein handelsübliches Emuliergerär. Die Aufbe­wahrung erfolgt in abgeschlossenen Behältnissen im Kühlschrank. Auch nach längeren Lagerzeiten ist kein Bodensatz festzustellen.

Diese Klebeemulsion erfüllt alle Anforderungen für eine lange Lebens­dauer der behandelten Objekte. Ihre Anwendung garantiert eine hohe alkalische Reserve, einen umfassenden Mikrobenschutz und insgesamt stabile chemische Verhältnisse irn Original.

Vorsicht! Vor der Verwendung von Polyvinylazetaten oder Gemischen von Polyvinylazetaten mit Zelluloseklebstoffen ist dringend zu warnen. Es entstehen wertlose, plastifizterte Informationsträger.

Stabilisierungspapiere für die innere Festigkeit

Ein Vorteil der Papierspaltmethode besteht darin, daß für die Wiederher­stellung der physikalischen Parameter geschädigter Papiere Materialent­scheidungen getroffen werden können, die auf das Original und seinen Charakter fixiert sind, ohne dabei Rücksicht auf die optischen Eigenschaf­ten des Kernmaterials nehmen zu müssen.

Die im Handelssortiment enthaltenen vielfältigen Japanpapiere sind bei mengenmäßiger Verwendung unbezahlbar geworden. Erfahrungsgemäß er­füllen auch nicht alle Angebote die Forderung nach Säurefreiheit und ma­chen vor der Anwendung eine Prüfung notwendig.

Andere industriell erzeugte Seidenpapiere sind für spezielle Anwendun­gen konzipiert und enthalten demzufolge Zusätze, die bei der Verwendung als Kernmaterial bestenfalls unnötig sind.

Aus diesen und einer Reihe anderer Überlegungen machte es sich erfor­derlich, ein optimales Kernmaterial zu definieren.

Die Anforderungen an Seidenpapiere für die Papierspaitung beinhalten folgende Forderungen:



  • chlorfrei gebleichtes Fasermaterial

  • Kalziumkarbonatgehalt 4-5%

  • gute Opazität

  • kleiner Dehnungsfaktor

  • keine eigene Leimung

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