Wolfgang Wächter Bücher erhalten, pflegen und restaurieren



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Sana23.06.2017
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Die Insekten

Behandlungsgut. Toxische Gefahren sind ausgeschlossen. Hier manifestiert sich eine Entwicklung, die zwar noch nicht abgeschlossen ist, die aber sehr erfolgversprechend angelegt ist und möglicherweise die Gesamtproblema­tik der Schädlingsbekämpfung auf hoher Qualitätsebene lösen kann. Der Angriff auf Pilze und Insekten erfolgt über deren Atmung. Hochprozentige CO2- oder Stickstoffkonzentrationen töten die Erreger in definierten Zei­ten ab. Unklarheit besteht zur Zeit über die Wirksamkeit dieser Methode bei der Anwesenheit von Dauerformen. Die Entwicklung dieser Schäd­lingsbekämpfungsmethode, vor allem für die Entwesung insektenbefallener Substrate, ist bis zur Dienstleistung gediehen. Direkt vor Ort werden befal­lene Bestände in einem Spezialballon (bubble) deponiert. Nicht Giftgas, sondern die gesteuerte Erhöhung des in der normalen Atmosphäre enthal­tenen CO2-Gehaltes tötet die Schädlinge.

Erhöhung und Erniedrigung von Luftdruck kann tödlich sein. Es ist bekannt, daß Zellstrukturen zerstört werden, wenn der Umgebungsdruck sehr hohe oder sehr niedrige Werte erreicht. Die Vorteile der Vakuum­trocknung zur Verminderung des Wassergehaltes in Büchern werden der­zeit breit genutzt. Normal kontaminierte Buchbestände werden nach Was­serunfällen tiefgefroren und vakuumgetrocknet. An solcherart behandelten Buchbeständen wurden im nachhinein nie Mikroben- oder Insektenakti­vitäten beobachtet, es sei denn durch Neubesiedlung. Exakte Angaben zur mikrobiologischen Wirksamkeit dieser Behandlung fehlen noch. Als Alter­native zum Pestizideinsatz sollten die Ansätze der Vakuumbehandiung wei­ter verfolgt werden.

Von der Beineke Rare Book and Manuskript Library an der Yale-Uni-versität wird für die Insektenbekämpfung das Tieffrieren als wirksame und gefahrlose Methode empfohlen. Der wirksame Temperaturbereich liegt zwischen - 29° C bis - 40° C. Die Verweilzeit wird mit drei Tagen angege­ben.

Eine Schlüsselposition nimmt in den Lebenszyklen der Mikroben und Insekten das Wasserangebot ein. Ohne Wasser - kein Leben. Papier unter Normalbedingungen hat einen Wassergehalt von etwa 7-8%. Die Normal­bedingungen in der Bibliothek oder dem Archiv sollten eine relative Luft­feuchte um 50% bei Temperaturen zwischen 18-20°C nicht wesentlich über- oder unterschreiten. Von Ausnahmen abgesehen, bieten 7-8% Was­sergehalt im Substrat eine hohe Sicherheit gegen Schädlingsbefall. Gefahr entsteht, wenn sich der Wassergehalt im Papier auch nur kurzfristig dra-

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Von Schäden und ihren Ursachen

stisch erhöht. Sobald die Ruheformen der Mikroben Stoffwechselprozesse eröffnet haben, unterbricht auch die schnelle Rückkehr zu Normalbedin­gungen ihre Tätigkeit nur selten. Die Eigenschaft, fehlendes Wasser im Substrat selbst zu synthetisieren, erhält die Mikroben am Leben.

Richard D.Smith, Präsident der Wi To Associates, Inc., äußerte seine Meinung zu diesem Problem: «Ernster Pilz- und Insektenbefall tritt norma­lerweise in Bibliotheken erst dann auf, wenn die relative Luftfeuchtigkeit 65% erreicht. Geringere Feuchtigkeit reicht für diese Schädlinge nicht aus, sich zu reproduzieren. Deshalb wird ein Befall unter Kontrolle gebracht, indem man die befallenen Teile der Sammlung in Räume mit niedriger re­lativer Luftfeuchtigkeit bringt. Mit anderen Worten, Luft von 50% rLf und 22°C, möglicherweise unterstützt durch Ventilatoren zur Verbesserung der Luftzirkulation, vermindert die Zahl der Pilze, Insekten und Nager auf ein gewöhnliches (d.h. praktisch nicht vorhandenes) Niveau, und das in kurzer Zeit».

Smiths Meinung hält einer genauen Überprüfung sicherlich nicht in jedem Punkt stand. Sie charakterisiert aber deutlich die Abkehr vom Pesri-zideinsatz zur Schädlingsbekämpfung in Bibliotheken und Archiven. Die­ser Wandel in der Problemsicht ist derzeit in den USA allgemein zu beob­achten und resultiert aus dem Gefährdungspotential der bisherigen Praxis.

Chemische Verfahren der Schädlingsbekämpfung

Unter der Überschrift -Chemische Verfahren» soll an ausgewählten Bei­spielen über den Einsatz von Pestiziden und daraus notwendigerweise abzuleitenden Konsequenzen die Rede sein. Die Konservierung von Zellu-loseprodukten vor biologischen Angriffen erfordert eine Definition der möglichen Zielstellung.

Schädlingsbefallene Objekte werden einem Entwesungsverfahren unter­zogen. Unmittelbar danach kann die erreichte Sterilität durch Neubesied­lung wieder hinfällig sein. Der Zustand 'steril' besagt, daß alle Mikroben, Insekten und ihre Dauerformen abgetötet sind. Die sterile Situation ist zeitlich sehr begrenzt.

Die Konservierung beinhaltet die Ausrüstung der Papiere, Bücher oder Akten mit Fungiziden und Insektiziden, die ihre Wirkung dann entfalten, wenn der akute Befall eintritt. Der Einbau von Pestiziden in die Substrate bedingt deren chemische Stabilität. Es erscheint wenig sinnvoll, Pestizide



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Die Insekten

einzusetzen, die keine Langzeitwirkung besitzen. Hier wird eine Konflikt­ebene deutlich. Gerade die stabilen und langzeitwirksamen Pestizide stellen eine ökologische Bedrohung dar und unterliegen der Restriktion.

Wie schon erwähnt, ist aus der langjährigen Pestizidanwendung un­schwer das Gefährdungspotential abzuleiten. Gefahren können registriert werden auf den Ebenen


  • Schädigung der behandelten Originale

  • Gefährdung von Personen bei der Anwendung oder danach

  • allgemeine ökologische Gefahren.

Lange Zeit galt das Ethylenoxid als wirksames und für Zelluloseprodukte geeignetes Pestizid. Nach und nach jedoch wurden Nebenwirkungen und Schäden an behandeltem Material bekannt. In jüngster Zeit ist die Ethylen-oxidanwendung durch arbeitsmedizinische Untersuchungen und drastisch verschärfte Anwendungsvorschriften mehr und mehr eingeschränkt wor­den.

Ethylenoxid als sehr reaktive Substanz reagiert mit Zellulose, im Sinne der Molekülvernetzung. Andere unerwünschte Folgen von Ethylenoxid-Begasung sind der Verlust der Klebefahigkeit von tierischen Leimen und Gummiarabikum, die erhöhte Löslichkeit von Farben und Pigmenten, Farbveränderungen, Reaktionen mit Leder und Pergament.

Hohe Ethylenoxid-Konzentrationen können Zerstörungen des Zentral­nervensystems, Reizungen von Haut, Augen und Atemorganen sowie Ner-venschädigungen hervorrufen. Geringe Konzentrationen können die Fort­pflanzungsfähigkeit bei Männern und Frauen beeinträchtigen, spontane Fehlgeburten, Leukämie und andere Formen von Krebs bewirken.

Die Ausrüstung von Papieren mit fungiziden Substanzen als Langzeit­schutz spielt bei Restaurierungsarbeiten eine wichtige Rolle. In der Praxis und in der Literatur werden viele unterschiedliche Fungizide benutzt oder empfohlen. Die allerwenigsten können in Archiv und Bibliotheksmaterial ihre Aufgabe erfüllen. Eines der seltenen wirksamen Fungizide ist das Cap-tan.

Seit 1950 ist bekannt, daß einige Substitutionsprodukte des Phthalsäu-reimids und seines Tetrahydroderivats sehr gute fungizide Eigenschaften besitzen. Captan wurde als pflanzenungiftiges Blattfungizid im Wein- und

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Von Schaden und ihren Ursachen



Obstbau, als Saargutbeizmitrel und zur Erhöhung der Lagerfähigkeit von Äpfeln eingesetzt.

Anfang der 60er Jahre begann man an der Jenaer Universität mit der sy­stematischen Bearbeitung des Fungizideinsatzes bei Restaurierungsarbei­ten. Dabei wurde neben vielen anderen Fungiziden auch Captan getestet. Nach anfänglichen Mißerfolgen konnte eine Anwendungsform für Captan gefunden werden. Papiere, die vor drei Jahrzehnten mir captanversetzten Klebstoffen restauriert wurden, sind heute noch erwiesenermaßen optisch unverändert und nach wie vor mikrobenfest. In dem 1966 in der wissen­schaftlichen Zeitschrift der Friedrich-Schilier-Universität Jena von Tröger und Müller erschienenen Beitrag «Mitteilung über die Anwendung von Cellinkleister - versetzt mit anorganischen und organischen Fungiziden ...» ist die Grundproblematik der Fungizidanwendung deutlich beschrieben. Fungizide Wirkstoffe allein nutzen wenig. Eine auf das Substrat bezogene Anwendungsform entscheidet, ob der Wirkstoff den Anforderungen gerecht werden kann. Im Falle von Captan wurde eine optimale Anwen­dungsform entwickelt, die ihre Begründung in der Langzeirwirkung bei geringer Einsatzmenge findet. Der Einsatz von Captan in den Kernkieb-stoffen zur Papierspaltung bringt weitere Vorteile zum Tragen. Der fungi-zide Wirkstoff wird feinstverteilt in der Blattmitte angesiedelt. Damit un­terliegt der Wirkstoff idealen Bedingungen. Die beiden aufliegenden Blattriälften schützen vor Außeneinwirkungen jeder Art in hohem Maße. Andererseits ist eine Gefährdung der Benutzer von captangeschützten Büchern ausgeschlossen. Dies um so mehr, weil Captan so gut wie wasser­unlöslich ist. Die übliche Menge Captan, die einen verläßlichen Mikroben­schutz garantiert, liegt bei einem Gramm Reinsubstanz auf zehn Liter Klebstoff.

Am Beispiel des Captaneinsatzes wird erkennbar, daß ein sinnvoller Pesti-zidgebrauch durchaus akzeptabel sein kann. Mit dem Pestizidgebrauch sind positive Effekte verbunden, die sonst nicht realisierbar wären.

Es sollte auch beim Thema des Schutzes von Archiv- und Bibliotheksbe­ständen vor biologischen Schädlingen deutlich gemacht werden, daß allen generalisierenden Methoden mit gesundem Mißtrauen begegnet werden sollte. Nur mit unterschiedlichen Methoden in fachlich fundierten Anwen­dungsformen ist es vorstellbar, größere Folgeschäden zu verhindern.

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Die Naßbehandlung von Papier



Rückschauend kann auch auf dem Feld der Naßbehandlung eine Reihe von Veränderungen registriert werden. Stand vor Jahren die Naßbehand­lung unter dem Primat des 'Bleichens', so kann man seit geraumer Zeit eine gegenteilige Entwicklung beobachten. Dafür gibt es eine Reihe von Begründungen, die einen chemisch-physikalischen oder ästhetischen Hin­tergrund haben. Es scheint so, als habe das Pendel der Meinungen einen Punkt erreicht, an dem die Naßbehandlung als restauratorisch wirksames Werkzeug prinzipiell verworfen wird.

Grundsätzlich beinhaltet die Naßbehandiung, genau wie alle anderen restauratorischen Arbeitsmethoden, unterschiedliche Konsequenzen für Originale. Die Ergebnisse von Naßbehandlungsprozessen werden be­stimme vom technisch-organisatorischen Umfeld in der Werkstatt, vom Zustand oder Schadensbild des Behandlungsgutes und von der gewählten Behandlungsmethode.

Mit Naßbehandlungsmaßnahmen können unterschiedlichste Zielstellun­gen verbunden sein. Andererseits schränken die Originale und ihre Beschaffenheit Naßbehandlungsmaßnahmen ein, oder machen die Praxis wäßrigerVerfahren ganz unmöglich. Die Problematik wäßriger Verfahren besteht nach wie vor in der Entscheidung, welche der möglichen Auswir­kungen auf das Original vertretbar sind und weiche nicht. Leider entsteht beim Studium der vorliegenden Literatur zum Thema häufig eine große Unsicherheit, weil für den Schaden oder Nutzen einer Methode in fast jedem Fall ein Literaturzitat zu finden ist.

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Heißwasser-Bäder

Bäder mit unterschiedlich temperiertem Wasser stellen die einfachste Form der Naßbehandlung dar. Im heißen Wasserbad finden eine Reihe von Lösungsprozessen statt, deren positive Auswirkungen auf die Papiere un­umstritten sind. Im Papier vorhandene freie Säure wird entfernt. Ein Teil der die Vergilbung verursachenden chromophoren Substanzen ist wasser­löslich und kann ausgewaschen werden. Die tierische Oberflächenleimung und lösbare Verunreinigungen werden entfernt. Die nach dem Auswässern zu beobachtende Erhöhung der Falzfestigkeit ist auf die erneute Fixierung der Fasern an ihren Berührungspunkten zurückzuführen. Mit unterschied­lich temperierten Wasserbädern steht dem Restaurator eine Behandlungs­methode zur Verfügung, mit der wesentliche Ergebnisse im Bereich der Naßbehandiung erzielbar sind, deren Anwendung wenig Risiken beinhal­tet und deren Eignung für die Papierbehandlung nachgewiesen ist.

Oxidationsbleichen

Naßbehandlungen unter Zuhilfenahme von Oxidantien {Chlordioxid, KMnO4, H2O2 usw.) stellen ein Problemfeld restauratorischer Maßnah­men dar.

Die unterschiedlichen Bleichverfahren im restauratorischen Bereich kön­nen prinzipieli in jedem Fall faserschädigend wirken. Es besteht daher bei der Verwendung von oxydativen Bleichmitteln die Hauptaufgabe, die Gefährdungen der Fasern auf das Minimum zu beschränken. Von Bedeu­tung sind unterschiedliche Faktoren, deren wichtigste die allgemeine Be­schaffenheit des verwendeten Wassers, seine Härte, Temperaturen, Kon­zentration des Bleichmittels, pH-Wert des Bleichbades, Einwirkungsdauer und die Nachbehandlung der gebleichten Objekte sind. Diese Vielfalt von Parametern steigert sich durch gegenseitige Beeinflussung zu jener Gesamt­reaktion, die das Bleichproblem so ausserordentlich kompliziert erscheinen läßt.

Der verantwortungsbewußte Praktiker unterliegt dem Zwang des Han-delnmüssens. Er wird die Entscheidung zur Oxidationsbleiche nicht leicht­fertig treffen. Auch wenn diese Verfahrensweise rückläufige Anwendung findet, ab und an gibt es dazu keine Alternative. Für die Bleichbehandlung stark mikrobenkontaminierter Objekte hat sich die Kaliumpermanganat-

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Hcifiwasser-Bäder

bleiche bewährt. Die Vorteile dieses Bleichverfahrens liegen in den varia­blen Anwendungsformen, in der ökologischen Verträglichkeit und in den stabilen Ergebnissen. Diese Wertung soll an Beispielen illustriert werden:

Die Kaliumpermanganat-Bleiche

Die Rezepturen und Abfolgen der Kaliumpermanganatbäder finden sich in der Literatur in Variationen. Eine KMnO4-Anwendung kann sehr differen­ziert erfolgen. Die Schrittfolge

-» Wasserbad (40-50°C) 30 min

-» Abtropfen 30 min

-» Einwirken einer 0,5% Lösung für 5 min

-» Spülbad und abtropfen

- Je nach Zustand und Zielstellung mehrstündige (6-12 Stunden) Pause

- Braunsteinentfernung in 0,5% Natriumhydrogensulfitlösung 15 min

~ Spülbäder

stellt eine wirksame und schonende Bleichbehandlung sicher.

Die Kaliumpermanganatkristalle werden der besseren Löslichkeit wegen in einer Schlagmühte pulverisiert und jeweils 5 g in 1000 ml Wasser gelöst. Dabei zerfällt KMnO>4, in Anwesenheit oxydierbarer Substanzen, in ato­maren Sauerstoff, Mangan(IV)dioxid (Braunstein) und Kaliumhydroxid. Dieser Vorgang kann nach der Gleichung:

2 KMnO4 + H2O -» 2 MnO2 + 3 O + 2 KOH + H2O

ablaufen, vorausgesetzt, daß in die ansonsten stabile wäßrige Kaliumper-manganatlösung das zu bleichende Material eingelegt ist. In neutraler Lösung geben zwei Mol KMnO4 an oxydable Körper drei, in saurer Lö­sung fünf Atome Sauerstoff ab. Die Anwendung in saurer Lösung erhöht den Bleicheffekt, greift aber die Faser stark an, so daß für die Bleichung von Papier die neutrale Lösung verbindlich ist. Hier liegt auch die Begrün­dung für die Notwendigkeit des heißen Wasserbades, als dessen Ergebnis die Entfernung saurer Reaktionspartner vor der KMnO4-Einwirkung zur Faserschonung beiträgt.

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Die Naßbehandlung von Papier



Der frei werdende Sauerstoff reinigt und desinfiziert die Papiere, an deren Oberfläche sich gleichzeitig Mangandioxid ablagert. Kaliumhydro­xid wirkt als Puffer in der Bleichlösung. Die Nebenreaktion eines Teiles des abgelagerten Mangandioxides mit Spuren der freien Säure im Papier kann erneut zur Abspaltung von Sauerstoff führen, so daß der Bleichvor­gang in zwei Stufen erfolgt. Die tiefviolette Färbung der KMnO4-Lösung und der Braunsteinbelag auf den Papierbtättern machen eine optische Kon­trolle des Bleichvorganges unmöglich. Diese Situation mag mit zu einer ab­lehnenden Haltung gegenüber der Anwendung von KMnO4-Bädern beige­tragen haben. Die Reduzierung der Einwirkungszeir der Bleichlösung auf wenige Minuten sowie die 'mit Wasser gefüllten' Originalblätrer führen zu Bleichbedingungen, die hohe Sicherheiten beinhaken. Von wesentlicher Bedeutung ist die Verschiebung der Bleichreaktionen auf die Ebene der Nebenreaktion (Braunstein - saure Substanz im Original). Die Neben-reaktion erfolgt auf einem niedrigen Niveau, weil die Reaktionspartner in geringen Mengen und Konzentrationen vorliegen.

Ein weiterer bedeutender Vorteil der Methode besteht darin, daß alle zur Anwendung gekommenen Substanzen oder deren Reaktionsprodukte wie­der entfernt werden können und damit unkontrollierbare Spätschäden nicht zu befürchten sind. Die erprobten Konzentrationen schliessien Gefährdungen der Gesundheit aus, sind nicht explosibel oder toxisch. Die Vielzahl der notwendigen Arbeitsgänge - KMnO4- Bad, Spülbad, Natriumhydrogensul­fitbad, Spülbad - stellt gegenüber anderen Oxidationsbleichverfahren einen höheren Aufwand dar. Dieser höhere Aufwand kann durch den Einsatz ge­eigneter Hilfsmittel zur Sicherung der Papiere während der einzelnen Ar­beitsgänge ausgeglichen werden, wenn mit diesen Hilfsmitteln gleichzeitig mehrere Blätter behandelt werden können. Die beschriebene Technologie der Naßbehandlung bildet eine ideale technische Basis ab.

Eine über 30jährige Praxis und ihre Ergebnisse bestätigen die restaura­torische Bedeutung der KMnO4-Bleiche. Im Vergleich mit anderen Bleich­methoden kann diese Methode mehr Anforderungen erfüllen, bei einer niedrigen Risikoebene.

Die Chlordioxid-Bleiche

Die Chlordioxidbieiche (CIO2) wird im restauratorischen Bereich im wäßrigen und im gasförmigen Medium durchgeführt. Ausgehend von den

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Heißwasser-Bäder



Erfahrungen in der Papierindustrie gilt die ClO2-Bleiche als faserschonend und ligninabbauend. Die Gewinnung des Chlordioxides aus Natriumchlo-rit (NaCIO2) und Formaldehyd-Lösung hat sich für die restauratorische Praxis durchgesetzt. Die zitierte Faserschonung und die restlose Verflüch-tung des CIO2-Gases aus der Papiersubstanz nach der Behandlung ist nur dann realisierbar, wenn das produzierte CIO2.-Gas absolut rein und ohne freie Chloridionen zur Anwendung kommt. Sämtliche Chloroxide sind stark endotherme Verbindungen und zerfallen unter bestimmten Bedingun­gen, z.B. beim Erhitzen oder mit oxydierbaren Substanzen, explosionsartig in Chlor und Sauerstoff, Darüber hinaus ist CIO2 ein stark giftiges Gas. Die wäßrige Lösung von Formaldehyd ist infolge ihrer eiweißfällenden Ei­genschaft noch in l bis 2% Verdünnung ein starkes Gift. Natriumchiorir zerfällt bei Schlag, durch Erhitzung oder in Gegenwart oxydierbarer Sub­stanzen explosionsartig.

Der Umgang mit diesen Substanzen beinhaltet hohe Gefahrenmomente und bedingt exakte Sicherheitsvorkehrungen. Die Herstellung und Anwen­dung des ClO2-Gases erfolgt deshalb nur in geschlossenen Apparaturen und unter Verwendung von Schutzgasen (CO2, N2).

Die Notwendigkeit der geschlossenen Bleichkammer und die lange Bleichdauer (zwischen 30-180 min) begrenzen die Effektivität. Allerdings ist die Möglichkeit der Behandlung wasserempfindlicher Objekte von Vor­teil. Eine Reihe von organischen Pigmenten, aber auch farbige Druckgra­phik muß vor den Einwirkungen von CIO2-Gas geschützt werden. Vor der Bleichung farbiger Objekte ist ein Test auf bleichempfindliche Pigmente notwendig. Die Verwendung von CIO2 in wässriger Lösung ist besonders für die Bleichung holzschliffhaltiger Papiere geeignet.

In den letzten Jahren sind die Chlorbleichverfahren in die Diskussion ge­raten. Insbesondere bei der Behandlung ligninhaltiger Papiere entstehen gefährliche Reaktionsprodukte.

Lignin besteht aus Bausteinen, die dem Phenol ähneln. Diese phenol-arrigen Moleküle werden durch die Chlorbleiche in eine lösliche Form überführt. Derartige chlorhaltige Phenolverbindungen beinhalten ein erhebliches Gefahrenpotential. Es entstehen giftige, krebsenregende und erbgutschädigende Verbindungen bis hin zu den Dioxinen. Diese Erkennt­nisse begründen die Ablösung der industriellen Chlorbleichverfahren zu­gunsten der Säuerstoffbleiche.

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Die Naßbehandlung von Papier



Die Peroxid-Bleiche

Die Wasserstoffperoxtdbleiche im restauratorischen Bereich ist unter defi-nierten Bedingungen eine immer mehr an Interesse gewinnende Verfah­rensweise.

Wasserstoffperoxid (H2O2), eine im reinsten Zustand farblose Flüssig keit, ist in jedem Verhältnis mit Wasser mischbar. Die wäßrige. Lösung rea­giert schwach sauer. Durch Äther kann H2O2 aus wäßriger Lösung ausge­schüttelt werden. Als stark endotherme Verbindung neigt es zum Zerfall ir Wasser und Sauerstoff

2 H2O2 -> 2 H2O + O2 + 196,2 kj

Staubteilchen und Alkalien wirken als Katalysatoren und können den Zer­fall stark beschleunigen, so daß bei konzentrierten H2O2- Lösungen oder bei reinem H2O2 eine Explosion erfolgen kann. Die handelsüblichen Lö­sungen (3%ige wäßrige Lösung und 30%ige wäßrige Lösung) sind fast alle mir Zusätzen von Stabilisatoren (z.B. Aluminiumsilikat) versehen.

Die Behandlung größerer Mengen von Blättern in einem H2O2-Bleich-bad ist nur dann sinnvoll, wenn der Bleichvorgang, dessen exakte Defini­tion noch umstritten ist, unter bestimmten Bedingungen stattfinden kann, Die oben erwähnte Neigung des H2O2 zum schnellen Zerfall bei Anwesen­heit von Katalysatoren kann, wenn er im Bleichbad stattfindet, zur Faser­schädigung führen. Beim gesteuerten Freisetzen von Sauerstoff mit Hilfe von alkalischen Stabilisatoren ist der hydrolytische Abbau von Kohlehy­draten minimal. Diese Erkenntnis ist aus den Erfahrungen der Papierindu­strie abgeleitet, wo die Peroxidbleiche ihre Überlegenheit gegenüber den Chlorbleichverfahren erwiesen hat.

Die Verwendung von Natriumperoxokarbonat zur Naßbehandlung ver-sprödeter holzschüffhaltiger Materialien genauso wie zur Desinfektion und chemischen Reinigung von intensiv verschimmeltem Schriftgut ist Standard.

Die Anwendung erfolgt:

-» 200 Liter Wasser bei 50° C

-» Zugabe von 200g Natriumperoxokarbonat

- innerhalb von 60 Minuten auf 80° C aufheizen

- in dieser Zeit die Naßbehandlungskassetten mehrmals vertikal bewegen

~ Spülen.

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Heifswasser-Bäder

Während der Aufheizphase entstehende Sauerstoffanreicherungen lösen die verpilzten Blätter voneinander. Die vertikalen Bewegungen und die Spülvorgänge schwemmen die Verunreinigungen aus dem Behandlungsgut. Neben der Reinigung erfolgt eine weitgehende Neutralisierung, so daß für die weiteren Restaurierungsschritte gute Bedingungen entstehen. Ebenso wie bei der KMnO4-Anwendung sind keine gefährlichen oder toxischen Substanzen an den Reaktionen beteiligt oder als Resultat zu befürchten. Die Abwässer beinhalten keine ökologischen Problemstoffe.

Die Natriumborhydrid-Bleiche

Seit geraumer Zeit sind Borhydride als Reduktionsbleichmittel bekannt. Ihre Verwendung in der Papierindustrie kam nie über das Versuchsstadium hinaus. Begründung dafür war nicht die Ebene der Auswirkungen auf Zel­lulose, sondern der hohe Kostenfaktor dieser Substanzen, Für die restaura­torische Anwendung stellen die Borhydride eine interessante Stoffgruppe dar. Die meisten Veröffentlichungen zur Anwendung von Borhydriden in der Papierrestaurierung stammen von Heien Burgess vom Canadian Conservation Institute und gehen konform mit den Erfahrungen, die in der Papierindustrie gewonnen wurden.

Die den Borhydriden nachgesagte wichtigste Eigenschaft besteht darin, daß sie als Reduktionsmittel keine faserschädigende Wirkung entfalten. Sie sind in der Lage, in gewissem Umfang Alterungserscheimmgen aus Papie­ren rückzubilden, weil sie sowohl Aldehyd- als auch Karbonylgruppen re­duzieren. Die bleichende Wirkung der Borhydride ist eher gering. Sehr vor­teilhaft ist die im Vergleich zu anderen Bleichmitteln sehr geringe Anwendungsdosis. Als nachteilig wird in der Literatur die Wasserstoffgas­entwicklung dargestellt. Besonders geschwächte Papiere werden in ihrer Struktur verschlechtert, weil die Gasbläschen dem Papier eine «poröse und schwammartige Struktur verleihen, die auch durch starkes Pressen nicht rückgängig zu machen sei». Diese Erfahrungen von Burgess werden auch von Sobucki bestätigt.

Die Anwendung von Natriumborhydrid erfolgt:

- 200 Liter Wasser bei 50° C

— Zugabe von 25 g Natriumborhydrid

- innerhalb von 60 Minuten auf 80° C aufheizen

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