3. Das Problem der phonologischen Selbständigkeit der Sprachlaute [h], [ç], [x].
Die Klassifikation dieser Laute ist umstritten. N. S. Trubetzkoy betrachtete die letzten zwei als kombinatorische Varianten eines Phonems (siehe Regel 3). Seine Stellungnahme wurde von vielen anderen Sprachwissenschaftlern angenommen.113 Die Qualität und die damit zusammenhängende Zahl der Phoneme hängt davon ab, welche semantischen Einheiten die Grundlage der Aussonderung bilden. Deshalb soll bei der Bestimmung der Phoneme die Abgrenzung der Anordnung durch Rahmeneinheiten (Morpheme, Morphemgefüge) notwendigerweise durchgeführt werden, weil eine Sprache bestimmte Anordnungsgesetze der Phoneme im Rahmen des Morphems und wiederum andere im Rahmen des Wortes (Morphemgefüge) besitzen kann. Bei der Lösung des in Frage stehenden Problems soll auch diese Tatsache in Betracht gezogen werden.114 Die Laute [h], [ç], [x] sind akustischphysiologisch verwandt, sie haben aber in ihrer Distribution Positionseinschränkungen, man könnte behaupten, daß sie sich teilkomplementär verteilen: [h] kommt meist im Anlaut und manchmal im Inlaut mancher Fremdwörter vor. (Uhu, Ahorn, aha, oho, Alkohol), [ç] tritt nach den Vokalen der vorderen Reihe und nach den Diphthongen [ae], [ɔø],nach den Konsonanten [1], [n], [r] und vor den hinteren und vorderen Vokalen (Charkow, Chemie, China, Dichotomie) auf. [h] und [ç] haben manchmal gleiche Umgebung,115 vgl. Chauke—Haucke. [x] kommt nach den Vokalen der hinteren Reihe vor. Auf der Morphemebene sind [ç] und [x] als kombinatorische Varianten eines Phonems zu bestimmen. Hier wird ein phonetischer Unterschied zwischen [ç] und [x] distinktiv nicht ausgenutzt. Bei der Erweiterung der Rahmeneinheit auf Morphemgefüge wird dieses Anordnungsgesetz aufgehoben, d. h. das Verkleinerungsmorphem -chen kann in unmittelbaren Kontakt zu jedem Substantiv treten. Da Substantive auch auf Phoneme auslauten, nach denen innerhalb der Morpheme niemals [ç] vorkommt, z. B. Tau, Kuh, so ist an der Morphemgrenze das Gesetz der komplementären Verteilung für [x] und [ç] durch das morphologische Anordnungsgesetz aufgehoben, vgl. Kuh—Kuchen, Tau—Tauchen, Pfauchen—Pfauchen und Kuchen, tauchen, pfauchen.116 Folglich sollen diese Laute auf der Morphemgefügeebene (an der Morphemgrenze) als verschiedene Phoneme aufgefaßt werden. Im Rahmen der ein- und mehrsilbigen Morpheme sind [ç] und [x] als kombinatorische Varianten des [h] zu.bestimmen.117
Ausschlaggebend für die Feststellung des Phoneminventars einer Sprache soll die kleinste semantische Einheit «Morphem» sein. Darauf hat auch seinerzeit N. S. Trubetzkoy hingewiesen: «Im Inlaut eines deutschen Wortes wird eine fast unbeschränkte Anzahl von Konsonantenverbindungen zugelassen, z. B. Axtstiel, Fuchsschwanz, Obstbaum usw. Irgendwelche Kombinationsregeln lassen sich hier nur mit großer Mühe aufstellen. Dagegen ist die phonematische Struktur der Morpheme, aus denen die deutschen Wörter bestehen, ziemlich klar und unterliegt ganz bestimmten Kombinationsregeln, jedoch nur im Rahmen der Morpheme und zweckmäßigerweise nicht im Rahmen der Wörter».118 Deshalb ist die folgende Meinung von N. Morciniec anzunehmen: «Jede größere semantische Einheit besitzt Phonemanordnungen, die von den Anordnungsgesetzen der Einheiten höherer sprachlicher Ebenen abhängig sind.»119 Als Beweis dieser Ansicht könnte man verschiedenartige Lösungen des phonologischen Statuts der Laute [ç] und [x] anführen (siehe oben).
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