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das Ich und das Individuum sieht und dann die sozialen Kompetenzen vernachlässigt.“
(V8_Ö_2.5 #00:40:22#)
Ohne der Analyse von Lernumgebungen in Teil III vorgreifen zu wollen, waren die Bewertungen des
Konzepts durch die Lehrer/innen besonders interessant, da sie ihr didaktisches
Vorgehen sofort mit anderen
Einflussfaktoren kontextualisierten.
Es wurde auf organisatorische Rahmenbedingungen verwiesen, wie beispielsweise auf den verspürten
Zeitdruck innerhalb der 50 Minuten-Taktung, der als eine Art Stressfaktor identifiziert wird (L1_Ö_ 4.2.B
#00:44:50#). Genannt wurden aber auch Instrumente wie der eduProfiler
26
, der die Organisation
individualisierter Lehr-/ Lernprozesse erleichtert und individuelle Schullaufbahnen ermöglicht (S8_CH_2.5
#24:50#; V6_CH_ 2.5 #00:33:47#).
Referenz auf die räumlichen Rahmenbedingungen wurde vor allem in der österreichischen Fallstudie
vorgenommen. Mehrmals wurde ein Zusammenhang zwischen der räumlichen
Ausstattung und den
didaktischen Entscheidungen erörtert. Einerseits ist die Vermittlung von Themen durch die technische
Ausstattung (nicht alle Klassen haben einen Internetzugang und/oder Beamer) beeinflusst. Die Möglichkeit,
den Schüler/innen unterschiedliche Lernorte anbieten zu können, hängt aufgrund der Aufsichtspflicht (vgl.
dazu Kapitel 4.1) mit der Lage des jeweiligen Klassenzimmers zusammen. Schüler/innen, deren
Klassenzimmer sich in der Nähe der Aula oder der Bibliothek befinden oder einen Zugang zum Garten
haben, bekommen öfter die Möglichkeit ihren individuellen Lernort zu wählen als andere (L6_Ö_1.1
#00:00:51#; L3_Ö_ 3.1 #00:33:38#; L5_Ö_ 1.2 #00:06:24#).
Die Tatsache, dass die räumlichen Rahmenbedingungen im Fall der SBW Häuser
des Lernens nicht
thematisiert wurden, hängt vermutlich mit den bereits differenzierten funktionellen Lernräumen zusammen,
aber auch mit der Tatsache, dass die Gesamtkonzeption didaktischer und räumlicher Entscheidungen zentral
beschlossen wird (vgl. dazu Teil III).
Besonders interessant war, dass alle Schüler/innen und Lehrer/innen beider
Fallstudien die Beziehung
zwischen Lehrer/in und Schüler/in als die wichtigste Voraussetzung für gelingende Individualisierung
genannt haben. Auf diesen für alle Akteur/innen relevanten Aspekt wird deshalb im folgenden Kapitel
genauer eingegangen.
26
Der Edu Profiler ist ein Software Programm, in dem jede/r Schüler/in individuell seinen/ihren Stundenplan,
Prüfungstermine und Lernfortschritte anhand eines Kompetenzrasters beobachten und planen kann. (nähere
Details
dazu in Teil III)
113
5.2
Die Beziehung macht den Ton
Im Kontext der Lerntheorien (Kapitel 4.3) wurde bereits das Arbeitsverhältnis zwischen Lehrer/innen
und Schüler/innen thematisiert. Die Veränderungen der Lehrer/innen-Rolle von der Autorität über den/die
Tutor/in bis hin zum Coach zeugen jeweils von einem anderen Lehr-und Lernverständnis. Überraschend
war im Kontext der Interviews, dass in beiden Fallstudien sowohl von den Schüler/innen als auch von den
Lehrer/innen betont wurde, wie wichtig die Beziehungsebene für erfolgreiche Lehr-/ Lernprozesse ist. Für
SCHRATZ (2009) bedeutet Individualisierung demnach nicht nur „die didaktische Umgestaltung des
Unterrichts durch die Einführung neuer Unterrichtsmethoden“, sondern eine „neue Gestaltung der
Beziehung zwischen Menschen“ (Schratz 2009, S. 9). Zum einen ist unter
diesem Aspekt von Interesse, wie
und wo die Schulen entsprechende Räume und Strukturen für die Entwicklung von Beziehungen anbieten.
Zum anderen steht die Frage im Zentrum, wie Beziehung in dem veränderten Lehr-Lernkontext definiert
wird. Von welchem Beziehungsverständnis gehen die befragten Personen dabei jeweils aus? In der Analyse
sind unterschiedliche Aspekte identifiziert und zu verschiedenen Dimensionen des Beziehungsbegriffs
zusammengefasst worden.
5.2.1
Vertrauensbasis:
Zum einen wird der Begriff „Beziehung“ mit Vertrauen und respektvollem Umgang assoziiert. Die
Vertrauensbasis zeigt sich in den beiden Fallstudien anhand unterschiedlicher Beispiele.
Im Fall der SBW
Häuser des Lernens, bedeutet es Vertrauen, wenn den Schüler/innen Eigenverantwortung etwa dadurch
zugestanden wird, dass alle mittels eines Chips Zugang zum Schulgebäude haben.
FAKTOR: VERANTWORTUNG
Do'stlaringiz bilan baham: