Im Sommer brach er mit großer Erwartung
auf ein Wiedersehen mit
Ulrike von Levetzow
[182]
nach
Marienbad
auf. Er hatte die damals Siebzehnjährige mit ihrer Mutter 1821 während
eines Kuraufenthaltes in Marienbad kennengelernt und sich in sie verliebt. Im
darauffolgenden Jahr waren sie wieder in Marienbad zusammengetroffen und hatten
gemeinsame gesellige Stunden verbracht. Beim dritten Zusammentreffen hielt der zu diesem
Zeitpunkt vierundsiebzigjährige Goethe um die Hand der neunzehnjährigen Ulrike an. Zum
Brautwerber hatte er seinen Freund, den Großherzog Carl August, gebeten. Ulrike lehnte
höflich ab.
[183]
Noch in der Kutsche, die ihn über mehrere Stationen (Karlsbad, Eger) nach
Weimar zurückbrachte,
schrieb er die
Marienbader Elegie
, ein lyrisches Meisterwerk und „das
bedeutendste, das persönlich intimste und darum von ihm auch geliebteste Gedicht seines
Alters“ im Urteil Stefan Zweigs, der seiner Entstehungsgeschichte ein Kapitel seiner
historischen Miniaturen
Sternstunden der Menschheit
widmete.
[184]
Die letzten Jahre
Das
Motto
der Marienbader Elegie in Goethes Reinschrift: „Und wenn der Mensch in seiner Quaal verstummt / Gab mir
ein Gott zu sagen was ich leide.“
Danach gehörte sein Leben „allein noch der Arbeit“.
[185]
Er
nahm die Arbeit am
zweiten Teil
des
Faust
wieder auf. Er schrieb kaum noch selbst, sondern diktierte. So konnte er nicht nur
einen umfangreichen Briefwechsel bewältigen, sondern auch seine Erkenntnisse und
Lebensweisheiten in weit ausholenden Gesprächen dem ihm ergebenen jungen Dichter
Johann Peter Eckermann
anvertrauen.
Für die Sammlung, Sichtung und Ordnung der schriftstellerischen Ergebnisse seines ganzen
Lebens bei der Vorbereitung der Cotta-Ausgabe letzter Hand
konnte Goethe sich auf einen
Stab von Mitarbeitern stützen: neben dem Schreiber und Kopisten
Johann August Friedrich
John
waren das der Jurist Johann Christian Schuchard, der Goethes Papiere archivierte und
umfangreiche Register erstellte, sowie
Johann Heinrich Meyer
, zuständig für
die Textrevision
von Goethes kunsthistorischen Schriften, und der Prinzenerzieher
Frédéric Soret
, der sich der
Herausgabe der naturwissenschaftlichen Schriften widmete. Auch der Bibliothekar und
Schriftsteller
Friedrich Wilhelm Riemer
war, nach einem kurzzeitigen Zerwürfnis wegen der
Erziehung von Goethes Sohn, wieder zum Mitarbeiterstab gestoßen.
An dessen Spitze stand
seit 1824 Eckermann, den Goethe ins Vertrauen zog und mit Anerkennung und Lob bedachte.
Obwohl er Goethe seine ganze Arbeitskraft widmete, wurde er von ihm schlecht honoriert.
[186]
Seinen Lebensunterhalt musste er zusätzlich durch Sprachunterricht für englische
Bildungsreisende bestreiten. Goethe bestimmte ihn testamentarisch zum Herausgeber seiner
nachgelassenen Werke.
1828 starb Goethes Freund und Förderer, der Großherzog Carl August,
[187]
im November 1830
sein Sohn
August
. In demselben Jahr schloss er die Arbeit am zweiten Teil des
Faust ab. Es
war ein Werk, an dem ihm das jahrelange
Werden das Wichtigste war, formal ein
Bühnenstück, tatsächlich kaum auf der Bühne spielbar, eher ein phantastischer Bilderbogen,
vieldeutig wie viele seiner Dichtungen. Schließlich schaltete er sich noch in die
Kontroverse
der beiden
Paläontologen
Georges Cuvier
und
Étienne Geoffroy Saint-Hilaire
(
Katastrophismus
vs.
kontinuierliche
Entwicklung der Arten
) ein. Geologie und
Entwicklungslehre beschäftigten ihn ebenso wie der
Regenbogen
, den er mittels seiner
Farbenlehre nie hatte erklären können. Auch die Frage, wie Pflanzen wachsen, ließ ihn nicht
los.
Im August 1831 zog es Goethe nochmals in den Thüringer Wald, dahin, wo er einst seine
ersten naturwissenschaftlichen Anregungen bekommen hatte,
und er begab sich nach
Ilmenau. 51 Jahre nachdem er 1780 an eine Bretterwand in der Jagdhütte „Goethehäuschen“
auf dem
Kickelhahn
bei
Ilmenau
sein bekanntestes Gedicht
Wandrers Nachtlied
(„Über allen
Prellers des Älteren
.
Gipfeln ist Ruh …“) geschrieben hatte, besuchte er diese Stätte 1831 kurz vor seinem letzten
Geburtstag erneut.
Am 22. März 1832 starb Goethe, vermutlich an einem
Herzinfarkt
.
[188]
Ob seine überlieferten
letzten Worte
„Mehr Licht!“ authentisch sind, ist umstritten. Sie
wurden von seinem Hausarzt
Carl Vogel
mitgeteilt, der sich jedoch im betreffenden Moment nicht im Sterbezimmer
aufhielt.
[189]
Vier Tage später wurde er in der
Weimarer Fürstengruft
bestattet.
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