VI. Grundbegriffe der Akustik der Sprachlaute
Für das Verstehen der physikalischen Eigenschaften der Sprachlaute ist es in erster Linie notwendig, die Grundbegriffe der Akustik der Schallwellen und besonders der Sprachlaute kennenzulernen.
Mechanische Schwingungen, die einen Gehöreindruck hervorrufen, nennt man Schall. Diese Schwingungen werden durch elastische Körper (die Saite eines Instruments, die Stimmlippen im Kehlkopf usw.) erzeugt. Durch die elastische Bewegung eines Körpers um seine Ruhelage im Verlauf der Zeit entstehen Luftverdichtungen und Luftverdünnungen, diese bilden die Grundlage für die Schallwellen. Man unterscheidet drei Arten von Schwingungen: Ton, Klang und Geräusch. Die einfachste Form der Schwingung ist der Ton, die sogenannte Sinusschwingung. Den Ton bilden einfache und regelmäßige (periodische) Schwingungen eines beliebigen Körpers um seine Ruhelage. Jeder einfache Ton hat folgende Daten: Frequenz, Amplitude, Schalldruck und Schwingungsdauer.
Kurven des Schalldruck-verlaufs von a) Ton, b) Klang, c) Geräusch
Tonfrequenz bedeutet die Zahl der Schwingungen in der Sekunde. Als Maßeinheit der Frequenz benutzt man Hertz (nach dem Physiker H. Hertz). Die Angabe, daß der Ton eine Frequenz von 100 Hz hat, bedeutet also, daß von der Schallquelle in einer Sekunde 100 Vollschwingungen ausgehen. Ob ein Ton als tief oder als hoch empfunden wird, hängt von der Frequenz ab. Je größer die Frequenz ist, desto höher erscheint der Ton. Das menschliche Ohr nimmt Töne von 16 bis 20 000 Hz wahr. Schwingungen unter 16 Hz liegen im Infraschallbereich. Hier kann der Mensch nichts hören.
Die Amplitude ist die Schwingungsweite in einer Sekunde. Der Grad der Lautstärke hängt von der Amplitude der Schwingung ab. Subjektiv empfundene Lautstärke und Amplitude hängen miteinander meist zusammen. Beim Ton zeigt sich die Amplitude einer Schwingung im Grad der Luftverdichtung bzw. der Luftverdünnung, also in Druckschwankungen. Man spricht deshalb von Schalldruck. Der Schalldruck ist der Amplitude direkt proportional. In der Phonetik mißt man den Schalldruck, die Energie der Schwingung, in Dezibel (gek. db). Die Schwingungsdauer (Periode) bildet die Zeit für die Vollschwingung, für einen vollständigen Hin- und Hergang des Körpers. Als Maßeinheit der Periode benutzt man Millisekunde (gek. ms).
In der Natur kommen reine Töne, d. h. einfache Sinusschwingengen selten vor, fast immer sind die Schwingungsbewegungen komplexer Art. Wenn ein Schall durch Überlagerung mehrerer Sinusschwingungen mit verschiedener Frequenz und Amplitude entstanden ist, so wird er als Klang bezeichnet.
Beim Klang vollziehen sich komplizierte Schwingungsverläufe, die sich in einem bestimmten Zeitabschnitt in der gleichen Weise wiederholen. Folglich ist der Schwingungsverlauft eines Klanges periodisch.
Das menschliche Ohr faßt den aus mehreren Schwingungen zusammengesetzten Klang als etwas Einheitliches auf. Der Klang besteht aus Teiltönen, die bei der Schwingung verschiedener Teile des Körpers entstehen. Den 1. Teilton, der infolge der Schwingung des ganzen Körpers erzeugt wird, nennt man in der Akustik den Grundton. Er bestimmt die gehörte Tonhöhe. Er ist dabei der tiefste und der stärkste unter allen Teiltönen. Die übrigen Teiltöne, die infolge der Schwingungen der kleineren Teile des elastischen Körpers entstanden sind, werden als Obertöne bezeichnet.
Alle Töne (Grundton und Obertöne) stehen im ganzzahligen Verhältnis zueinander und werden deshalb auch als harmonische Teiltöne bezeichnet. Hat der Klang z.B. eine Grundfrequenz von 150 Hz, so haben die dazugehörenden Teiltöne die Frequenz 300, 450, 600, 750, 900, 1050 usw. Von der Zahl, der Anordnung und der Stärke der einzelnen Teiltöne hängt die Klangfarbe eines Klanges ab. Die Klangfarbe wird meistens durch mehrere Gruppen von nebeneinanderliegenden Teiltönen bestimmt. Diejenigen Partialtöne, die für die Eigenart
des gegebenen Klangs charakteristisch sind, heißen Formanten.23 Die Stelle, durch die der Formant gekennzeichnet ist, hat maximale Intensität, d. h. sie dient als Energiezentrum des Klanges. Das Formantengebiet der Vokale ist von der Höhe des Grundtones weitgehend unabhängig, z. B. das Formantengebiet des Vokals [a] liegt in der Frequenzbreite 600 ... 1000 Hz. Die Vokale erhalten die ihnen jeweils eigene Klangfarbe erst durch die modifizierende Wirkung des Ansatzraumes, der als Resonator24 dient. Bei Vokalen unterscheidet man zur Zeit von 2 (H. von Helmholz) bis 4 und 5 Formantenbereiche. Die Zahl der Formanten von Vokalen wird hauptsächlich mit der Zahl der Resonanzräume verbunden. Es wird dabei zwischen Hauptformanten und Nebenformanten unterschieden. Die Hauptformanten sind für das Erkennen eines Vokals ausschlaggebend (Hermann, Stumpf).
Die Ergebnisse der von Phonetikern und Physikern durchgeführten Untersuchungen zeigen, daß für die Eigenart der Vokale nur die beiden unteren (der 1. und 2. Formant, bei den Vorderzungenvokalen zuzüglich der 3.) wesentlich sind, während sich durch den 3. und 4. individuelle und mundartliche Persönlichkeitsmerkmale des Expedienten ausprägen.25
G. Lindner untersuchte die Vokale im Sprechbewegungsablauf und kam zu folgender Schlußfolgerung: «in dem Maße, wie die Flüchtigkeit zunimmt, nehmen die ausgeprägten, für einen. Vokal typischen Merkmale ab, es ist anzunehmen, daß der Perzipient die zur Identifizierung des Vokals notwendigen Daten nicht nur dem stationären Klanganteil, sondern auch den Übergangsphasen entnimmt»26
Wie aus den obigen Darlegungen zu ersehen ist, gehören die Vokale zu den Klängen. Die sonoren und die stimmhaften Konsonanten sind zu den Klanggeräuschen zu zählen. Die stimmlosen Konsonanten sind reine Geräusche. Bei einem Geräusch vollzieht sich ein aperiodischer (unregelmäßiger) Schwingungsverlauf. In der Abbildung des Geräusches lassen sich keine regelmäßigen Schwingungen erkennen.
Der Mensch ist imstande, mit Hilfe seiner Sprechorgane alle drei Formen der Schwingungen zu erzeugen.27
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