Aussprache gleicher Konsonanten an Morphem- und Wortgrenzen
Bei der Aussprache der gleichen Konsonanten, die an Morphem- und Wortgrenzen nebeneinander stehen, wird die Artikulation nicht abgebrochen. Sie beginnt mit der gewöhnlichen Spannung der artikulierenden Organe, dann nimmt die Spannung etwas ab und
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wird sofort wieder stark, z.B.: annehmen, mitteilen, auffallen, Weggefährte, und das, es
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wird dunkel. (Vgl. im Usbekischen: қаттиқ, иссиқ, тyccиз, умиддан, содда.
d) Einfluß des Akzentgrades.
Die deutschen stimmlosen Verschlußlaute [p], [t], [k] werden behaucht gesprochen. Der Grad der Behauchung hängt von der Stellung der Konsonanten im Wort, von den Nachbarlauten und der Betonung ab.
Die Laute [p, t, k] werden in folgenden Fällen behaucht:
1) In einer betonten Silbe vor Vokalen und sonoren Konsonanten: Krebs, Probe, Pech, Fall, Tat.
2) Im Wortauslaut der betonten Silbe: ab, Gewalt, Musik, Kontrast.
In anderen Positionen werden sie gar nicht behaucht.
Diese Erscheinung ist dem Usbekischen fremd.140
Thema 3: Die Silbe und die Silbentrennung.
PLAN.
1. Silbentheorien.
2. Silbentrennung im Deutschen und im Usbekischen.
STICHWÖRTER: auditiv, Geräuschlaut, Gliederung, Nasenlaut, Segment, Wortakzent.
I. Silbentheorien.
Jedem Sprecher sind, wenn man ihn auffordert, ein Wort in Silben zu zerlegen, indem er langsam spricht, die einzelnen Teile des Wortes in einer Sprache bewußt. Aber auf die Frage, was die Silbe und deren Wesen ist, kann nicht jeder eine befriedigende Antwort geben.
Das Problem der Silbe als fundamentaler Einheit suprasegmentaler Verläufe gehört zu den ältesten Streitfragen in der Linguistik. Der Silbenbegriff und die Problematik seiner Definition, ob unter phonetischem oder phonologischem Aspekt vorgenommen,141 bleiben bisher ungelöst und erwarten ihre Lösung. Zu den Streitpunkten die sich dabei ergeben, sind u. E. folgende zu zählen:
a) Die Problematik der Silbendefinition, die das Wesen der Silbe berücksichtigen soll.
b) Die Bestimmung der Silbengrenze.
c) Der phonologische (sprachliche) Status der Silbe.
Da die Silbe eine sehr komplexe Erscheinung ist, hat sich die linguistische Wissenschaft bis heute nicht auf eine allgemein anerkannte Definition einigen können. Auf Grund der populären Bedeutung des Begriffes «Silbe» setzt man voraus, daß die darunterfallenden Phänomene genügend klassifiziert seien. Man versucht, sie in Hinblick auf ihre substantiellen und strukturellen Eigenschaften wissenschaftlich zu definieren. Die Ursache für die definitorischer Schwierigkeiten und Verschiedenheiten besteht also, wie darauf mit Recht von G. Heike142 hingewiesen wurde, in der Ungenauigkeit der Fragestellung. Die Silbe stellt einen zu wenig erforschten Begriff dar. Ihre Existenz in der gesprochenen Sprache ist noch kein Beweis dafür, daß sie in der Sprache überhaupt bestehe. Aus diesem Grunde zieht eine Reihe von Wissenschaftlern die Existenz der Silbe in Zweifel.143 Deshalb könnte man sich völlig der Meinung von W. Merlingen anschließen, daß die Silbe «ein höchst bequemer, aber rnehrdeutiger und irreführender Begriff» ist.144
«Der Streit um die Silbe ist alt und immer jung» —betont mit vollem Recht Otto von Essen.145
Mit dem Problem der Silbe befaßte man sich auch im Altertum. So definierte der antike Grammatiker Pristian die Silbe als eine solche Lautverbindung, die sub uno accentu et uno spiritu (durch eine Betonung und einen Atemdruck) gesprochen wird.146
Es entstanden in der Geschichte und entstehen gegenwärtig verschiedene Theorien, die die Silbe von unterschiedlichen Standpunkten (akustischen, physiologischen, psychologischen, linguistischen) zu definieren und zu erklären versuchen. Auf die wichtigsten von ihnen wird unten eingegangen.
1. Die uralte Theorie, nach der die Silbe durch das Vorhandensein des silbenbildenden Elements (meistens der Vokale) bestimmt wird. Sie ist umstritten, weil es Konsonanten gibt, die als Silbenträger auftreten können, z. B.: die Nasenlaute [m, n, ŋ] und Liquiden [r, 1] können in Sprachen wie dem Tschechischen und in einer umgangssprachlichen Realisierungsform im Deutschen [man-tl] als silbenbildend bezeichnet werden. Aus diesem Grunde wurde sie durch andere Theorien abgelöst (ersetzt).
2. Die Expirationstheorie. Nach dieser Theorie, entspricht eine phonetische Silbe einem Atemdruck.
Die Vertreter dieser Theorie gehen bei der Silbenbestimmung von dem physiologischen Merkmal aus. Die Silbengrenzen liegen in den Momenten geringster Druckstärke. Die Ergebnisse der jüngeren experimentellen Untersuchungen zeigen, daß diese Theorie nicht stichhaltig ist: Nicht immer fällt die Anzahl der Silben mit der der Atemdrücke zusammen.147
3. Die Schallfülle-und Schallstärketheorie. die von dem dänischen Linguisten O. Jespersen entwickelt wurde, beruht auf dem Grad der Sonorität (des Klanges) und der Schallstärke.
Die Vokale und Sonanten haben eine größere Schallfülle als die Konsonanten. Unter den Vokalen ist [a] bzw. [a: ] durch einen größeren Grad an Schallfülle gekennzeichnet als z. B. [i: ]. Der Nasal hat eine größere Schallfülle als [v], [b] hat eine größere als [p] usw.
Nach diesem Merkmal hat O. Jespersen folgende Schallfülleordnung der deutschen Sprachlaute aufgestellt.148
Die Zahlen (1, 2, 3 usw.) bezeichnen den ansteigenden relativen Grad der Schallfülle. Im allgemeinen ergeben sich daraus eindeutig die Silbengipfel.
Diese Theorie kann aber solche Fälle wie in den Wörtern Obst, recht, Kopf nicht erklären, in denen es Nebengipfel gibt. Unbeachtet dessen werden sie von den Hörern als einsilbig wahrgenommen, z. B. [o:pst]. Deshalb waren O. Jespersen und E. Sievers gezwungen, den relativen Schallstärkegrad bei der Silbenbestimmung in Betracht zu ziehen. In dieser Hinsicht ist diese Theorie als Schallstärketheorie zu bezeichnen.
Schon 1871 hatte der Frankfurter Ohrenarzt Oskar Wolf149 auf Grund des auditiven Experiments folgende Anordnung der deutschen Sprachlaute nach ihrem Schallstärkegrad (Lautheit) aufgestellt (Entfernungen in Schritt).
a 360 i 300 sch 200 k, t 63
o 350 eu 290 m, n 180 r 41
ai 340 au 285 s, z 175 b 18
e 330 u 280 f 67 h 12
Ähnliche Untersuchungen hat auch Rousselot durchgeführt.150
Diese beiden Theorien gehen von akustischen Merkmalen aus und haben viele Anhänger.151
4. Die Bewegungs- oder ballistische Silbentheorie.
Diese Theorie wurde von dem schwedischen Sprachforscher R. Stetson152 entwickelt und beruht auf der Physiologie der artikulatorischen Bewegungen bei der Lautbildung. Diese Theorie behauptet, daß die Silbe mit der Öffnungsbewegung des Artikulationsraums beginne und mit der Schließungsbewegung ende. Das Wesentliche dieser Theorie besteht darin, daß jede neue Silbe einer neuen «ballistischen» Bewegung entspreche. Die Silbengrenze liege dabei zwischen Schließungs-Öffnungsbewegung. Diese Theorie hat auch schwache Seiten. Sie kann solche Falle, wie z. B. im Wort schickst nicht erklären.153
5. Die Muskelspannungstheorie wurde von dem französischen Sprachforscher M. Grammont begründet und von L.W. Stscherba154 weiter entwickelt. Sie beruht auf dem Grad der Muskelspannung bei der Lautbildung und berücksichtigt hauptsächlich die Silbentrennung.
Den Silbengipfel bildet dabei der Laut mit der stärksten Muskelspannung. Die Silbengrenze liegt dort, wo die Muskelspannung abnimmt. Das kann anhand eines Beispieles veranschaulicht werden155.
Silbengipfel Silbengipfel Silbengipfel
Silbengrenze Silbengrenze
In Hinblick auf ihren Muskelspannungsgrad unterscheidet L. W. Stscherba156 drei Formen von Konsonanten: anwachsende, abschwächende und doppelgipflige Beispiele: мой, дом, дом мой.
O. Zacher hat diese auf das Deutsche angewandt: mit, am, Morgen.157
Aus der kurzen Übersicht geht hervor, daß das Problem der Silbe in phonetischer (akustisch-physiologischer) Hinsicht noch nicht endgültig gelöst ist. Da das phonetische Wesen der Silbe nicht geklärt ist, so kann von ihrem phonologischen Status kerne Rede sein, obwohl es darüber in der Linguistik zwei entgegengesetzte Ansichten gibt. O. v. Essen, Padutschewa158 und andere behaupten, daß die Silbe ein phonologischer Begriff sei. F. Kolmar-Kulleschitz verneint dagegen die phonologische Funktion der Silbe.159
Im Rahmen der Silbentheorien ist die Bestimmung der Silbengrenzen die zentrale Problematik. Sie wird sowohl mit phonetischen als auch mit phonologischen Kriterien dürchgeführt. Malmberg hat festgestellt, daß die beurteilte Silbengrenze mit unterschiedlichen Formantenbewegungen korreliert ist.160 Untersuchungen von Fliflet161 lassen einen Zusammenhang zwischen Silbenteilung und Anschlußart erkennen. G. Heike schlägt vor, bei der Lösung der Silbengrenze die Ergebnisse der auditiven Untersuchungen in Betracht zu ziehen.162 O. v. Essen vertritt die Ansicht, daß es sich hier (bei der Silbenbegrenzung — gesperrt von uns) nicht um eine allgemeinphonetische, sondern um eine sprachlich-phonologische Frage handelt, nicht um eine Auffindung von Grenzpunkten, sondern um Feststellung der Phonemzugehörigkeit.163
Aus dem oben Dargelegten konnte man schlußfolgern: Die Silbe ist eine komplexe physiologische Einheit der fließenden Rede, deren Elemente akustisch eng verbunden sind. Die Silbe dient zum phonetischen Gestalten der höheren Spracheinheiten und ist deshalb keine phonologische Einheit. Den phonologischen Wert kann nur die bestimmte Phonemkombination im Silbenbestand haben. Diese Kombinationsregeln sind einzelsprachlich bedingt. In diesem Zusammenhang könnte man auch von der demarkativen Funktion der Phonemkombination sprechen.164
II. Silbentrennung im Deutschen und im Usbekischen.
Bei der Gliederung nach phonetischen Silben darf man die sprachlichen Elemente nicht berücksichtigen, sondern die Silben sind so abzugrenzen, wie sie sich beim langsamen Sprechen ergeben, z. B. Vor-le-sungs-ver-zeich-nis. Diese Regel gilt auch für fremde Wörter, Sig-nal, Re-vo-lu-tion usw.
Die wichtigsten Regeln165 der Silbentrennung im Deutschen sind:
1) Die Silbengrenze liegt zwischen langem Vokal und folgendem Konsonanten (Va-ter, sa-gen, fra-gen, o-der) Vgl. usbekisch: бо-ла, о-та, о-на, ки-то-би. Da hаt der Vokal mit dem folgenden Konsonanten diesen Anschluß. In diesem Falle haben wir offene Silben. Zu ihnen gehören аuch relativ-geschlossene Silben, die bei der Veränderung der Wortform geöffnet werden können (fragt — fra-gen, lebt — le-ben, Tag — Ta-ge, rot — ro-te).
2) Die Silbengrenze befindet sich zwischen zwei verschiedenen Konsonanten: sen- den, wen-den, tur-nen. Dabei haben wir den festen Anschluß des kurzen Vokals an den nachstehenden Konsonanten. Vgl. usbekisch: тоғ-лик, боғ-ча, кел-тир-моқ.
3) Die Silbengrenze liegt zwischen einem langen Vokalphonem und einer Konsonantenverbindung von Verschlußlaut und Sonoren (Pu-blikum, Synta-gma, Si-gnal)166.
4) Die Silbengrenze wird von dem Sprachlaut gebildet, der mit dem vorausgehenden Vokal einen festen Anschluß hat, z. B.: Sessel [zɛsəl], Sitte [zitə], Wippe [vipə]167, Vgl. usbekisch: қаттиқ, тилла, модда,ялла, таққа.
5) Die Silbengrenze kann zwischen zwei Vokalphonemen liegen (The-ater, Mau-er, Bau-er); бe-o-доб.
6) Haben drei Konsonanten intervokalische Umgebung, so steht die Silbengrenze in der Regel vor dem letzten (Fens-ter, Hälf-te,horchte). Als Ausnahmen gelten: an-dre, ü-brig. han-dle, nör-gle).
Die morphologischen, phonetischen und orthographischen Silbentrennungen fallen nicht immer zusammen. Auf die phonetische Silbentrennung können die morphologische und die orthographische Silbentrennung einen bedeutenden Einfluß haben.168
Thema 4: Der Wortakzent im Deutschen und im Usbekischen.
PLAN.
1. Phonetische Mittel der Hervorhebung der betonten Silbe.
2. Die Arten des Wortakzents vom Standpunkt seiner Stellung im Wort.
3. Funktionen des Wortakzents.
STICHWÖRTER: Akzent, intervokalisch, Pause, Silbenakzent.
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