I. Phonetische Mittel der Hervorhebung der betonten Silbe.
Unter dem Wortakzent169 versteht man gewöhnlich die artikulatorische bzw. akustische Hervorhebung einer Silbe im zwei- oder mehrsilbigen Wort. Der Hervorhebung der betonten Silbe als auditiven Eindruck liegen in dem akustischen Aspekt Tonhöhe, Tonstärke, Tondauer und Tonfarbe zugrunde. Das heißt, die betonte Silbe wird höher, stärker, länger, klarer gesprochen, z.B. die Silbe «sprech» im Wort versprechen. Dementsprechend unterscheidet man musikalischen, dynamischen und quantitativen Akzent. Wie ist die phonetische (akustische) Natur des deutschen Wortakzents? Darüber wird in der phonetischen Literatur viel gestritten. Im folgenden wollen wir auf verschiedene Meinungen eingehen und versuchen, sie zu verallgemeinern. Eine Gruppe von Sprachforschern in der Geschichte der deutschen Phonetik, z. B. J. Grimm170, war der Ansicht, daß der deutsche Wortakzent musikalisch sei.
Die zweite Gruppe von Phonetikern betrachtet den deutschen Wortakzent als dynamisch.171 Dazu gehören Th. Siebs, E. Drach, O. A. Nork, N. F. Adamowa.
Delattre gelangte zu Annahme, daß die Hervorhebung im Deutschen hauptsächlich durch Vokalintensität und Konsonantenverschlußdauer bedingt sei.172
A. Heyse war der Ansicht, daß der Wortakzent im Deutschen musikalisch-quantitativ sei173.
L.W. Stscherba bezeichnete ihn als dynamisch-musikalisch174. Die Mehrzahl der Germanisten betrachtet den deutschen Wortakzent nicht nur als dynamisch-musikalisch, sondern auch quantitativ, d. h. seine akustische Charakteristik kennzeichnet sich durch ein Merkmalbündel175. Das Fehlen eines Merkmals (z. B. der Intensität) kann durch andere akustische Merkmale (Dauer, Tonhöhe) kompensiert werden, oder diese Merkmale treten gekoppelt als Bündel auf, um den auditiven Eindruck «Hervorhebung» zu schaffen.
Den deutschen Wortakzent könnte man in akustischer Hinsicht wie folgt charakterisieren. Der deutsche Wortakzent ist als Bündel akustischer Merkmale der Tonstärke, Tonhöhe und Tondauer gekennzeichnet, wobei das Fehlen eines Merkmals durch andere Merkmale kompensiert werden kann. In dieser Hinsicht gibt es keinen Unterschied zum Usbekischen . Die jüngeren experimentellen Untersuchungen176 zeigen, daß im Usbekischen der Wortakzent außerdem qualitativ ist Der zweite Unterschied besteht darin, daß die dynamische Hervorhebung im Deutschen stärker als im Usbekischen zu sein scheint177
Der dritte Unterschied ist der, daß der Grad der Beteiligung der Quantität an der Hervorhebung im Usbekischen stärker als im Deutschen ist. Das erklärt sich dadurch, daß die Dauer im Deutschen phonologische Funktion erfüllt.
II. Die Arten des Wortakzents vom Standpunkt seiner Stellung im Wort.
In der Phonetik wird nach der Stellung des Akzents im Wort zwischen freiem und gebundenem einerseits und andererseits zwischen beweglichem und unbeweglichem Wortakzent unterschieden. Der freie Wortakzent kennzeichnet sich dadurch, daß er auf der beliebigen Silbe im Wort (auf der ersten, der zweiten usw.) stehen kann, z. B. der Wortakzent im Russischen ist frei:
'воды, во'да, 'горы, гo'pa, 'мyкa, мy'кa, 'пили, пи'ли.
In den Sprachen mit dem gebundenen Wortаkzent ist die Stelle des Akzents festgesetzt. Im Tschechischen trägt z. B. die erste Silbe den Wortakzent. Das Tschechische, das Polnische, das Französische, das Usbekische gehören zu den Sprachen mit gebundenem Wortakzent. Im Tschechischen trägt, wie bereits erwähnt wurde, die erste Silbe den Worstakzent, im Polnischen die vorletzte Silbe, und in türkischen Sprachen ist es die letzte Silbe178. Vgl.: o' тa — oта' лap, ки' тоб— китоби' миз.
Solche Fälle sind auch manchmal im Deutschen anzutreffen: 'Doktor — Dok-'toren,'Traktor — Trak-toren, 'Motor — Mo-'to- ren, Pro'fessor — Profes'soren, Cha'rakter — Charak'tere usw.
Vgl. im Usbekischen: бо'ла — болала'pи, болалари'миз — болаларимиз'гa.
Der deutsche Wortakzent kennzeichnet sich durch seine Eigentümlichkeiten aus und wird von verschiedenen Sprachforschern unterschiedlich bezeichnet.
W. M. Shirmunski bestimmt ihn als gebunden,und unbeweglich179. Das ist aber nicht immer der Fall: Vgl. 'übersetzen — über'setzen, 'Luther — lu'therisch. L. R. Sinder, T. W. Strojewa, O. N. Nikonowa, O. A. Nork180 vertreten die Ansicht, daß er frei ist. Er ist nicht so frei und beweglich wie im Russischen. Der deutsche Wortakzent ist nicht so gebunden und beweglich wie im Usbekischen. O. Zacher181 charakterisiert mit Recht den deutschen Wortakzent mit dem Terminus «morphemgebunden», d. h. die Stelle des Wortakzents hängt von der Morphemart (Stammorphem, entlehnte Suffixmorpheme, trennbare Präfixe) ab.
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