17)Prägraten, Bezirk Lienz, Tirol -
Bürgermeister: Anton Steiner
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EinwohnerInnen: ca. 1.300; Flüchtlinge: ca. 20
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Website der Gemeinde http://www.praegraten.info/cms/
Negativpresse, Empörung und ein klarer Standpunkt
Durch ein privates Angebot entsteht in der Gemeinde die Möglichkeit, ca. 20 Menschen auf der Flucht unterzubringen. Der Bürgermeister lädt zu einer BürgerInnenversammlung ein und tritt entschlossen für die Aufnahme ein. Sein Standpunkt: „Humanitäre Pflicht/Verantwortung – auch wenn es vielleicht mein politischer Tod ist.“ Die Wogen gehen hoch – vor allem, weil die Presse negativ selektiert. Prägraten wird als fremdenfeindlich dargestellt. Es folgen Empörungsschreiben aus anderen Gemeinden und von Urlaubsgästen, die den Bürgermeister ungerechtfertigt treffen.
Wenige Konflikte innerhalb einer multikulturellen Männergruppe
Die Situation ein Jahr später: Über 20 Männer aus fast ebenso vielen Nationen sind in Prägraten untergebracht. Die kulturelle Mischung bietet enormen Sprengstoff, dennoch gibt es kaum Konflikte.
Der Bürgermeister schreibt allen Menschen, die ein Empörungsschreiben geschickt hatten, einen persönlichen Brief zur positiven Entwicklung. Darauf gab es keine Reaktionen.
Erfolgsfaktoren -
Mit Bedacht handeln, nicht von den Emotionen überrollen lassen; an den eigenen Werten orientieren, authentisch sein
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Ausprobieren und dann über Erfahrungen nachdenken/berichten
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Fokus auf Wertschätzung statt auf Negatives legen
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Bürgermeister geht mit klaren Worten voran.
Bewährte Vorgehensweisen
Den Männern Tagesstruktur und Beschäftigung bieten; freiwillige HelferInnen im Ort dafür finden
Nicht alle BürgerInnen sind glühende HelferInnen, aber es ist Akzeptanz entstanden. Mit der Zeit wird aus der Akzeptanz ein Miteinander.
Stand: März 2016
18)Pühret, Bezirk Vöcklabruck, Oberösterreich -
Bürgermeister: Johann Schlachter
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EinwohnerInnen: 608; Flüchtlinge: 4–6
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Website der Gemeinde www.puehret.ooe.gv.at/puehret
Pühret ist eine sehr lebenswerte Kleingemeinde neben den oberösterreichischen Städten Attnang-Puchheim und Schwanenstadt. Die vier Gemeinden Oberndorf, Pitzenberg, Pühret und Rutzenham sind in einer Verwaltungsgemeinschaft („4+“) zusammengeschlossen.
Spontane Initiative des Vizebürgermeisters Karl Schoissengeyer und seiner Familie
Der Vizebürgermeister Karl Schoissengeyer nahm im Juni 2015 an der Bürgermeisterkonferenz im Bezirk Vöcklabruck teil. Die sehr klare Aufforderung des Landeshauptmannes Josef Pühringer an die Gemeinden, Asylquartiere zu suchen, veranlasste ihn, gleich am Abend mit seiner Familie die eigenen Möglichkeiten abzuklären. Die Kinder – 15, 18 und 21 Jahre – erklärten sich sofort bereit, etwas enger zusammenzurücken und die kleine Dachgeschosswohnung für Flüchtlinge frei zu machen. Über das Gemeindeamt meldete man am nächsten Tag die kleine Wohnung an die Bezirkskoordinierungsstelle.
Gemeindequote von einem Prozent mit zwei syrischen Familien erfüllt
Die Volkshilfe, die für Organisation und Verwaltung zuständig ist, mietete die zur Verfügung gestellte Wohnung. Innerhalb von zwei Wochen zogen zwei syrische Paare ein. Die Frauen waren jeweils in Erwartung ihrer ersten Kinder. Die beiden Mädchen wurden im Oktober und November geboren. Die Familie des Vizebürgermeisters hatte somit sechs Personen im eigenen Haus und gleichzeitig die damals geforderte Flüchtlings-Gemeindequote von 1% erfüllt. „Zu diesem Zeitpunkt wurde mir vor allem klar, wie einfach und mit wie wenig Aufwand man eigentlich diese Quote erreichen kann.“
Große Hilfsbereitschaft und konkrete Angebote
Überrascht war die Familie des Vizebürgermeisters über die Hilfsangebote der GemeindebürgerInnen, der eigenen Familien und von „Netzwerk Zuversicht“ aus Schwanenstadt. Dieses Netzwerk besteht aus Freiwilligen aus der Umgebung Schwanenstadt; eingebunden sind die Pfarre, Gemeinden und Vereine. Konkret 25 Personen bieten ihre Mitarbeit und Dienste sowie immer wieder auch finanzielle Mittel (Ankauf Waschmaschine, Zugfahrt nach Wien, Kaffeehausgeld etc.) an.
Die Frau des Vizebürgermeisters sowie seine jüngste Tochter Martha haben sich sehr intensiv mit dem Deutschlernen beschäftigt und auch gute Erfolge erzielt. Vor allem eine der beiden syrischen Familien war sehr interessiert, die Familien und Nachbarn kennenzulernen und an Veranstaltungen, wie z.B. dem Gemeinde-Openair-Kino, mitzuarbeiten.
Für viele GemeindebürgerInnen sind die Flüchtlinge überhaupt nicht wahrnehmbar bzw. sichtbar. Vor allem jetzt im Winter sind sie sehr viel im Haus und nur zum Einkaufen, zum Deutschkurs am Weg in die Moschee unterwegs.
Neue MitbewohnerInnen aus Syrien und dem Jemen – Bereicherung für beide Seiten
Die beiden syrischen Familien haben vor Weihnachten einen positiven Asylbescheid bekommen und sind in eine eigene Wohnung nach Attnang-Puchheim und Wien gezogen. Neue MitbewohnerInnen sind wieder ein syrisches Paar und eine junge Frau aus dem Jemen mit ihrem kleinen Sohn. Diese anfangs sehr kränkliche und verängstigte junge Mutter ist mittlerweile wieder fit und ihr kleiner Sohn auf dem besten Weg, Freund des Vizebürgermeisters zu werden. Die BewohnerInnen versorgen sich selbst in der kleinen Küche. Hilfestellung und Freundschaftsdienste werden ihnen bei Krankheit, für Einkaufsfahrten oder um Langeweile zu überbrücken angeboten. Die Familie des Vizebürgermeisters liebt es, an der syrischen Küche teilhaben zu dürfen. „Wir erleben das Zusammensein mit diesen vor Krieg geflüchteten Menschen als eine sehr große Bereicherung und freuen uns auf viele neue Begegnungen.“
Erfolgsfaktoren -
Spontane Hilfsbereitschaft einer Familie, Wohnraum für Flüchtlinge im eigenen Haus zur Verfügung zu stellen
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Kooperation mit dem „Netzwerk Zuversicht“, Schwanenstadt
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Freude an Begegnungen mit Menschen aus anderen Kulturkreisen
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Überzeugung: „Es geht auch in kleinen Gemeinden!“
Bewährte Vorgehensweise
Private Unterbringungsmöglichkeit mit „Familienanschluss“ Stand: März 2016
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