11)Krumpendorf am Wörthersee, Bezirk Klagenfurt-Land, Kärnten -
Bürgermeisterin: Hilde Gaggl
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EinwohnerInnen: 3.300; Flüchtlinge: 60–70 (2016)
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Website der Gemeinde www.krumpendorf.gv.at
„Everybody is welcome!“
Der Willkommensgruß an alle – aber besonders auch an die rund 240 Flüchtlinge, die im Juli 2015 im Kärntner Badeort ihr Quartier in Zelten bezogen – steht auf einem Balken quer über der vielbefahrenen Krumpendorfer Hauptstraße. Normalerweise werden auf dem Überkopfwegweiser Veranstaltungen angekündigt.
Das Innenministerium hatte Anfang Juli den Aufbau von 30 Zelten für 240 Flüchtlinge im Hof der Polizeikaserne Krumpendorf angeordnet, um Traiskirchen zu entlasten, und binnen weniger Stunden waren die Zelte aufgestellt. Die GemeindevertreterInnen kritisieren die als überfallsartig empfundene Vorgangsweise des Innenministeriums. Doch gleichzeitig machen sie klar, dass sich die Kritik nur auf die Vorgangsweise, nicht aber auf die Flüchtlinge selbst bezog.
„Wir schaffen das!“ war das Motto von Bürgermeisterin Hilde Gaggl. Die Gemeinde rückte zusammen und bündelte ihre Ressourcen. Der Tourismus‐ und Flüchtlingsbeauftragte engagierte sich voll Elan, ebenso die Initiative „Lust auf Gerechtigkeit“, die bereits Erfahrung bei der Betreuung von AsylwerberInnen hatte. Die Bevölkerung reagierte auf die ankommenden Flüchtlinge, überwiegend männliche Kriegsflüchtlinge aus Syrien, mit einer unglaublichen und unerwarteten Welle von Hilfsbereitschaft. Binnen einer Woche wurde ein Willkommenskonzert veranstaltet, das hinsichtlich Stimmung und Spenden für die Flüchtlinge ein riesiger Erfolg war. Davon angespornt, wurden in den folgenden Wochen weitere Willkommenskonzerte organisiert.
Belastendes Medieninteresse
Die Gemeinde bemühte sich, den AsylwerberInnen das Leben außerhalb ihrer Zeltunterkunft zu erleichtern. Fahrräder wurden organisiert und die kostenlose Benutzung des öffentlichen Bades ermöglicht. Hier sei es besonders wichtig gewesen, „gut dosiert“ vorzugehen, beispielsweise nicht allen Flüchtlingen gleichzeitig Zutritt zum Bad (Zeitkarten) zu gewähren, schildert Hilde Gaggl. Als belastend erlebten die Bürgermeisterin und der gesamte Ort das enorme Medieninteresse und die Präsenz der Medien. Eine der ursprünglichen Sorgen, dass sich die relativ große Anzahl an Flüchtlingen im Ort negativ auf den Tourismus auswirken könnte, erwies sich als teils unbegründet – wohl auch mit der Gewissheit, dass diese Zeltstadt keine Dauereinrichtung sein kann. Da viele Flüchtlinge – teilweise sehr gute – Ausbildungen und Kenntnisse haben (darunter Ärzte, Köche, Handwerker) konnten sie bei der Selbstorganisation der Flüchtlinge im Zeltlager eine wichtige Rolle übernehmen. Eine lebendige Selbsthilfe entstand. Auch die Gemeinde könnte von den Ressourcen der Flüchtlinge profitieren, die Menschen werden nicht zu untätigen Hilfsempfängern degradiert. Das Erstaufnahmezentrum wurde Ende 2015 wieder geschlossen (es gibt keine Zeltstadt mehr), derzeit ca. 80 Flüchtlinge in verschiedenen Quartieren untergebracht und gut betreut. Kleine Einheiten (zwei Mal 30 Personen, einmal 15 bis 20 Personen in Privatquartieren) erleichtern das Zusammenleben. Der regelmäßige Austausch mit den Bürgermeistern der Nachbargemeinden, mit Land und Bund wäre von Vorteil.
Erfolgsfaktoren -
Bürgermeisterin und ihre Haltung ist Schlüssel und Vorbild – Vernunft und unaufgeregter Umgang mit der Situation waren sehr wichtig!
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Entspannte Begegnungsräume zwischen Einheimischen und Flüchtlingen schaffen
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Respekt voreinander als zentralen Wert vermitteln
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Bevölkerung durch laufende Kommunikation und möglichst sachliche Information Angst nehmen (siehe auch Website)
Bewährte Vorgehensweisen -
Willkommenskonzerte schufen gleich am Anfang sehr positive Stimmung.
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Fahrräder und kostenloser (durch Zeitkarten gut dosierter) Zugang zum Seebad als weitere Begegnungsmöglichkeiten
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Persönliches Vorstellen der Flüchtlinge bei den Anrainern
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Tourismus- und Flüchtlingsbeauftragter (in einer Person!) koordiniert Freiwillige gemeinsam mit der zivilgesellschaftlichen Initiative „Lust auf Gerechtigkeit“
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Flüchtlinge leisten Hilfe für Einheimische. Dadurch verändert sich das Bild, sie werden nicht mehr als untätige HilfsempfängerInnen gesehen.
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Hilfe und Abstimmung mit den benachbarten Gemeinden und gemeindeübergreifenden Verbänden.
Stand: März 2016
12)Lech, Bezirk Bludenz, Vorarlberg -
Bürgermeister: Ludwig Muxel
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EinwohnerInnen: 1500, Flüchtlinge: derzeit 12, im Sommer 2015: 29
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Website der Gemeinde http://gemeinde.lech.eu/
Arbeit ist die beste Integration
Die Gemeinde Lech bot 2014 Bund und Land an, Flüchtlinge in einer Gemeindewohnung aufzunehmen. Ein halbes Jahr später (Jänner 2015) kamen zuerst drei syrische Brüder in Lech an. Derzeit wohnen 12 syrische Flüchtlinge in Lech. Im vergangenen Sommer konnten weitere Flüchtlinge (insgesamt 29) in saisonal ungenutzten Mitarbeiterhäusern der Hoteliers untergebracht werden.
Die große Hilfsbereitschaft in der Bevölkerung dürfte an die positiven Erfahrungen mit den Bosnienflüchtlingen 1992 anknüpfen. Damals nahm Lech 90 Menschen auf. Trotz teils schwerer Widerstände der Nachbarn lebten sie im Pfarrgebäude und konnten sich durch die damals einfachere rechtliche Situation gut integrieren: Sie durften arbeiten. Neben der Pfarre war der Bauhof der wichtigste Partner der Gemeinde und half, die Flüchtlinge zu beschäftigen. Heute seien einige der ehemaligen Flüchtlinge ein nicht mehr wegzudenkender Teil der Gemeinde, sagt Bürgermeister Muxel. Auch die Religionszugehörigkeit der Bosnienflüchtlinge war nie ein Problem, weder für die Pfarre noch für die Flüchtlinge. Die Pfarre war die erste Anlaufstelle für die Integration und unterstützte die Flüchtlinge bei verschiedensten Angelegenheiten. Der Pfarrer sowie ein ortsansässiger Psychologe boten den traumatisierten Flüchtlingen auch psychologische Betreuung an.
Seit 1992 hat sich aber einiges verändert: Flüchtlinge dürfen heute nicht arbeiten. Weiters müssen auch die neuen Kommunikationstechnologien bei der Betreuung von Flüchtlingen unbedingt mitgeplant werden – die Flüchtlinge benötigen einen Internetzugang, um mit ihren Familien in Kontakt zu bleiben. Mit den heutigen Flüchtlingen wird von Anfang an auf Integration gesetzt. Sie bekommen Sprachunterricht und Kulturkurse und lernen das Leben in Österreich zu meistern – von Infos zu Naturgewalten wie Lawinen bis hin zu Mülltrennung. Die Gemeinde bemüht sich auch, die Mobilität der Flüchtlinge zu sichern, und versucht allgemein einen positiven Eindruck in der Gesellschaft zu fördern. Die Sorgen der Bevölkerung seien natürlich ernst zu nehmen, aber die proaktive Vorstellung der Flüchtlinge und ihrer Schicksale steigere die Toleranz und das Verständnis der Bevölkerung.
Erfolgsfaktoren -
Beschäftigung unterstützt die Integration – in Lech werden Flüchtlinge 30 Std. pro Monat gemeinnützig beschäftigt (z.B. Bauhof).
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Der direkte & persönliche Kontakt verhindert Konfrontationen und stärkt die Akzeptanz in der Bevölkerung.
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Die Haltung des Bürgermeister und weiterer wichtiger Persönlichkeiten vor Ort ist von entscheidender Bedeutung.
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Für die gelungene Integration braucht es viele, die zusammenarbeiten.
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Sprachbarrieren müssen so schnell wie möglich beseitigt werden.
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Mobilität fördert Integration: Die Gemeinde sollte klären, welche Mobilitätsangebote, aber auch andere Angebote öffentlicher Einrichtungen den Flüchtlingen kostenlos gewährt werden können.
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Neue Kommunikationstechnologien bei der Betreuung von Flüchtlingen unbedingt mitplanen.
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Die Gemeinde findet es wichtig, Flüchtlinge aufzunehmen – aus Solidarität gegenüber den anderen Gemeinden, die auch aufnehmen – und hat sich freiwillig beim Bund und Land gemeldet.
Bewährte Vorgehensweisen -
Bei einer großen Einführungsveranstaltung konnten die Flüchtlinge die Bevölkerung kennenlernen und ihr Schicksal erzählen.
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Informationsveranstaltungen mit den Flüchtlingen: Die BürgerInnen können den Flüchtlingen begegnen und sie kennenlernen.
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Saisonal werden Unterkünfte in ungenutzten Mitarbeiterhäusern angeboten.
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Sprache und Verständigung
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Wenn möglich, wie in Lech, freiwillige, muttersprachliche Übersetzer finden
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Sofort Deutschkurse anbieten
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Lokale Organisation/Unternehmen (z.B. Bauhof) als Beschäftigungspartner gewinnen
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Psychologische Betreuung anbieten
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Kurse und Veranstaltungen zu interkulturellen Differenzen sind notwendig – z.B. Mülltrennung, Straßenverkehrsordnung, gesellschaftliche Stellung von Frauen, auch Umgang mit Naturgewalten wie Lawinen oder Hochwasser
Stand: März 2016
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