Offenes handbuch für gemeinden „Auf dem Weg zur integrations- freundlichen Gemeinde“


)Markt Hartmannsdorf, Bezirk Weiz, Steiermark



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13)Markt Hartmannsdorf, Bezirk Weiz, Steiermark


  • Bürgermeister: Otmar Hiebaum

  • EinwohnerInnen: 3.000, Flüchtlinge: 50 AsylwerberInnen in drei räumlich getrennten Unterkünften

  • http://www.markthartmannsdorf.at/Fluechtlingshilfe.225.0.html

Miteinander statt nebeneinander


Bereits seit mehr als zehn Jahren gibt es in Markt Hartmannsdorf Flüchtlinge. Sie wohnen in einem Mehrfamilienhaus im Ort, die Kinder gehen in die Schule und sind gut integriert. Die Quartierswirtin ist sehr rührig und hat sich immer stark für die Familien eingesetzt. Manchmal gab es Beschwerden wegen der Lautstärke, aber keine ernsthaften Probleme. Eine kurdische Familie, die vor zehn Jahren als Flüchtlinge in den Ort kam, hat vor einigen Jahren ein Gasthaus übernommen. Heute ist es eines der bestgehenden Lokale im Ort. Diese Erfolgsgeschichte zeigt der Bevölkerung, dass gute und rasche Integration möglich ist.

Der Pfarrer ergreift die Initiative


Vor kurzem hat sich die Gemeinde entschlossen, weitere Flüchtlinge aufzunehmen. Die Initiative ging vom Pfarrer aus. Er rief Bürgermeister Otmar Hiebaum an: „Was sagst du dazu, dass wir weitere Flüchtlinge aufnehmen? Sie könnten im Pfarrhaus wohnen.“ Beiden war klar, dass die Bevölkerung vorab ehrlich informiert werden muss. Im nächsten Pfarrblatt informierten der Pfarrer und der Bürgermeister gemeinsam über das Vorhaben und riefen die Bevölkerung zur Mithilfe auf. Sie hatten Erfolg. Eine Gruppe von Freiwilligen kümmert sich sehr aktiv um die mittlerweile mehr als 50 Flüchtlinge aus Syrien, Afghanistan und Irak, die nun in Markt Hartmannsdorf untergebracht sind. Sie kochen gemeinsam, haben den Pfarrgarten neu angelegt, stehen für Taxidienste zur Verfügung oder begleiten den einen oder anderen zum Arzt. Sie sind auch „die Brücke zur Ortsbevölkerung“.

Alle Flüchtlinge wurden von der Gemeinde unfallversichert. Regelmäßig erhalten sie

Deutschunterricht von den ehrenamtlichen Betreuern. Damit sie mobiler sind, wurden ihnen gebrauchte Räder zur Verfügung gestellt, auch die Turnhalle wurde für sie kostenlos geöffnet. Fallen in der Gemeinde Reparatur‐ oder Reinigungsarbeiten an, werden sie geringfügig beschäftigt. Wichtig für das Gelingen ist für Bürgermeister Hiebaum, dass die Flüchtlinge in kleinen Einheiten untergebracht werden. „Das erhöht den Kontakt mit der Bevölkerung rundum und fördert damit die Integration der Neuankömmlinge.“ Auch die Schule sei ein wichtiger Integrationsfaktor. „Die Kinder haben schnell Kontakt untereinander und die Eltern damit auch.“ Damit werde „Ghettobildung“ vermieden.

Mit „Fingerspitzengefühl“ vorgehen


Was macht in Markt Hartmannsdorf den Erfolg bei der Flüchtlingsunterbringung aus? Der Bürgermeister und die Vizebürgermeisterin stehen öffentlich zu ihrer humanitären Verantwortung und scheuen auch nicht das Gespräch mit Menschen, die das anders sehen.

Gibt es Probleme oder Beschwerden wegen Lärm, wird nicht gleich die Polizei im Polizeiauto zum Haus geschickt. Das hilft Gerüchte und Gerede zu vermeiden. Bürgermeister Hiebaum: „Das regeln wir mit ‚Fingerspitzengefühl‘.“ Die Polizei ruft in der Flüchtlingsunterkunft an und bespricht die Situation mit der einheimischen Kontaktperson im Haus. Das funktioniere reibungslos. Und nicht zuletzt sichern die Freiwilligen aus dem Ort mit ihrem Engagement, dass die Flüchtlinge rasch ins Alltagsleben in Markt Hartmannsdorf hineinfinden.



Stand: März 2016

14)Neudörfl, Bezirk Mattersburg, Burgenland


  • Bürgermeister: Dieter Posch

  • EinwohnerInnen: 4.400; Flüchtlinge: dzt. 80 (in drei verschiedenen Einrichtungen)

  • Website der Gemeinde www.neudoerfl.gv.at

AsylwerberInnen und Flüchtlingen zu helfen hat für die nordburgenländische Gemeinde Tradition. Seit 1989 betreut die Caritas im „Haus Sarah“ Asylsuchende. In den 1990er Jahren waren es hauptsächlich Kriegsflüchtlinge aus Jugoslawien. Einige der ehemaligen Flüchtlinge tragen heute viel zum Gelingen des Zusammenlebens bei. Sie hatten Neudörfl als ihre neue Heimat gewählt, arbeiten erfolgreich – das dient neu ankommenden AsylwerberInnen als Erfolgsbeispiel.

Vor zwei Jahren wurde das denkmalgeschützte Gebäude der Caritas „Haus Sarah“ generalsaniert und so umgebaut, dass nun 30 unbegleitete minderjährige Flüchtlingen sowie etliche Familien betreut werden können.

Abgesehen von diesem „Modell“ der professionellen Unterbringung gibt es in Neudörfl noch zwei weitere Unterbringungsarten: Die eine stützt sich auf das Engagement von Freiwilligen, die eine Familie im leeren Pfarrhof der Pfarre untergebracht haben. Hier bestünde laut Bürgermeister Posch die Herausforderung darin, das Engagement der Freiwilligen konstant zu halten. Die Unterbringung in privat vermieteten Unterkünften/ Pensionen ist eine weitere Unterbringungsart. Diese könne nur dann funktionieren, wenn es ein Gesamtbetreuungskonzept für die VermieterInnen gibt, so Bürgermeister Posch. Derzeit arbeitet die Gemeinde an der Ausarbeitung eines solchen Konzeptes, das auch Möglichkeiten der Förderung und Begleitung von solchermaßen privat untergebrachten AsylwerberInnen vorsieht (z.B. durch Deutschunterricht, Begegnungsanlässe usw.).

Den Flüchtlingen Hilfe zur Selbsthilfe zu geben ist das Motto von Bürgermeister Dieter Posch. Über die Caritas erhalten die Flüchtlinge Beschäftigung – das sei eine Win-win-Situation für alle. Die Flüchtlinge werden von Betroffenen – von Menschen, für die jemand arbeitet – zu Beteiligten, die für sich selber sorgen, im Rahmen ihrer Möglichkeiten.


Sich dem Stammtisch stellen


Eine strukturelle Bedingung für den Erfolg beim Umgang mit AsylwerberInnen ist der – in Neudörfl seit 10 Jahren bestehende – Integrationsbeirat. Dieser ist in der Geschäftsordnung des Gemeinderates verankert und bindet alle im Gemeinderat vertretenen politischen Kräfte der Kommune direkt mit ein. Kritik könne so zielgerichtet formuliert und gebündelt werden, meinte Bürgermeister Posch. Dies gelte auch im Zugang zu den BürgerInnen selbst: So habe er die Begegnung mit den BürgerInnen nie gescheut. Wichtig: der „Stammtisch“ ist überall: Am Sportplatz, nach der Messe, bei der Supermarktkasse, im Wirtshaus etc. Bei den Diskussionen um Flüchtlinge sollten auch die Chancen und Möglichkeiten hervorgehoben werden, die eine Gemeinde erhält, wenn sie Flüchtlinge betreut. Dazu zählen auch die Arbeitsplätze, die geschaffen und erhalten werden, sowie bestehende Infrastruktur, die sinnvoll genutzt wird. In Neudörfl konnte dadurch das denkmalgeschützte Gebäude, in dem die Flüchtlinge wohnen, erhalten werden.

Das Wichtigste sei, so Dieter Posch: den Mut zu haben, sich selbst treu zu bleiben, kein Parteisklave zu sein, und Hierarchien manchmal bewusst zu ignorieren.


Erfolgsfaktoren


  • Klare und proaktive Kommunikation des Bürgermeisters;

  • Grundprinzip/Leitsatz: Allen, die in Neudörfl leben, wird unabhängig von Herkunft, Religion etc. mit gleicher Wertschätzung und Respekt begegnet. Es gibt in der Gemeinde keine „Zuagrastn“ (Zugereiste), sondern Neu-NeudörflerInnen.

  • Längere Tradition des „Helfens“ mit Schwerpunkt auf „Hilfe zur Selbsthilfe“

  • Aktivierung ehemaliger und bereits erfolgreich integrierter Flüchtlinge

  • Kritik aufnehmen, Ängste ernst nehmen, aber auch positive Aspekte der Aufnahme von AsylwerberInnen kommunizieren

  • BürgerInnen dazu bringen, Antworten auf ihre Fragen selbst zu geben

Bewährte Vorgehensweisen


  • Professionell geführte und mit einem hohen Betreuungsschlüssel versehene Unterbringung für AsylwerberInnen

  • Sichtbare Einbindung der AsylwerberInnen in dörfliche Aktivitäten (z.B. beim Dorffest)

  • Einrichtung eines offiziellen Gremiums zur Einbindung aller politischen Kräfte in der Gemeinde, z.B. ein Integrationsbeirat

  • Verteilung von kleineren Aufgaben und Tätigkeiten an die AsylwerberInnen durch die Gemeinde

Stand: März 2016

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