Offenes handbuch für gemeinden „Auf dem Weg zur integrations- freundlichen Gemeinde“


)Ängste nehmen durch Fakten und Positives stärken



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Sana22.06.2017
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2)Ängste nehmen durch Fakten und Positives stärken


Widerstand und Ablehnung entsteht oft durch Unwissen und Gerüchte. Wichtig ist daher, die Bevölkerung regelmäßig zu informieren und relevante Fakten zur Verfügung zu stellen – in Veranstaltungen, auf der Gemeindewebsite, über Informationsblätter oder Artikel in der Gemeindezeitung.

Schaffen Sie Klarheit und Sicherheit durch Fakten


  • Wie viele Flüchtlinge kommen? Aus welchen Ländern? Mit welchem Status? Holen Sie nach Möglichkeit eine verbindliche Erklärung der übergeordneten Stellen ein.

  • Wie ist der Rechtsstatus der ankommenden Menschen (Flüchtling, MigrantIn, AsylwerberInnen, Grundversorgung, Asylverfahren)?

  • Welche Betreuungseinrichtungen könnten Partner sein (Diakonie, Caritas etc.)?

  • Erläutern Sie die rechtlichen Grundbegriffe, die in diesem Zusammenhang relevant sind bzw. sorgen Sie dafür, dass diese der Bevölkerung in verständlicher Weise vermittelt werden; siehe Rechtliche Informationen zu Asyl & Asylverfahren unter http://www.unhcr.at/unhcr/in-oesterreich/fluechtlingsland-oesterreich/questions-and-answers/asylsuchende-in-oesterreich.html

  • Stellen Sie öffentlich klar, welche finanzielle oder sonstige Unterstützung AsylwerberInnen und Flüchtlinge haben und treten Sie Unwahrheiten und Gerüchten offensiv durch ein klärendes Gespräch oder klar kommunizierte Sachinformation entgegen (siehe Finanzierung: Grundversorgung und Beschäftigung)

  • Reagieren Sie auf Hasspostings in den sozialen Netzwerken, lassen Sie rassistische und diskriminierende Inhalte nicht im Internet stehen.

  • Lassen Sie für die Gemeindewebsite einen Text mit „Häufig gestellte Fragen“ (FAQ) zum Thema erstellen und verlinken Sie zu informativen Websites (siehe Adressenteil am Ende dieser Dokumentation).

Erarbeiten Sie eine gemeinsame positive Vision


Beziehen Sie alle relevanten AkteurInnen ein – alle Parteien, MitarbeiterInnen der Verwaltung, Vereine und andere Organisationen, BürgerInnen – und erarbeiten Sie gemeinsam ein klares Bild der Sachlage, eine positive Vision und eine Strategie für die Gemeinde, die auch eine regionale Zusammenarbeit einschließt.

Stärken Sie den Blick auf das Positive und Gelingende


  • Die geflüchteten Menschen sind nicht anonyme Opfer oder Fremde, von denen Gefahr droht. Schaffen Sie die Rahmenbedingungen, dass sich in der Gemeinde eine positive Haltung entwickeln kann: Schaffen Sie Orte der Begegnung und -gelegenheiten. Wenn Flüchtlinge als konkrete Personen mit ihrer spezifischen Persönlichkeit, mit ihren Kenntnissen und Fähigkeiten gesehen werden, können sie auch als Bereicherung für den Ort und als „Menschen wie du und ich“ wahrgenommen werden.

  • Der Zuzug von Flüchtlingsfamilien kann in Gemeinden vielfältige positive Wirkungen auf das soziale Leben haben – den Erhalt des Kindergartens/der Schule, „Nachwuchs“ in Vereinen, Feuerwehr, längerfristig erhöhte Nachfrage nach Dienstleistungen und Konsum im Ort etc.

  • In vielen Gemeinden hat das ehrenamtliche Engagement für die Flüchtlinge zu einem Anwachsen der Gemeinschaftsaktivitäten und damit in einem Teil der Gemeindebevölkerung zu einem Anwachsen der Sozialkontakte, zu mehr Gemeinschaft und Zusammengehörigkeit geführt.

  • Lenken Sie den Fokus darauf, was in der Gemeinde gut funktioniert! Berichten Sie regelmäßig von positiven Entwicklungen im Zusammenleben und Zusammenarbeiten in der Gemeinde. Schaffen Sie ein Gegengewicht zu der Tendenz, dass negative Ereignisse durch Medien und „Tratsch“ aufgebauscht und über Positives nicht berichtet und es damit oft auch nicht wahrgenommen wird.

  • Informieren Sie regelmäßig über positive Beispiele aus anderen Gemeinden!

Verschaffen Sie sich einen Überblick mit den relevanten Stellen der Verwaltung: Was wird gebraucht und was kann die Gemeinde leisten (Unterkünfte, Budget, Spendenverwaltung, freiwillig Engagierte, ExpertInnen etc.)

Sondieren Sie geeignete Unterkunftsmöglichkeiten


  • Starten Sie einen Aufruf in der Gemeindezeitung für private Unterkünfte.

  • Kleine Einheiten „funktionieren“ besser. Dadurch entstehen keine „Ghettos“ und der Kontakt zu den NachbarInnen wird erleichtert.

  • Achten Sie darauf, dass auch größere Einheiten eine Größe von maximal 100–150 Personen nicht überschreiten; vermeiden Sie Containerstädte, die danach Restmüll sind.

  • Ziehen Sie auch leerstehende gemeindeeigene Gebäude (nach Adaptierung): Bahnhöfe, Industriegebäude, kirchliche Einrichtungen, Pfarrhöfe, Gasthöfe etc. in Betracht – und prüfen Sie ob die erforderlichen (bau-)rechtliche Bestimmungen eingehalten werden können.

  • Regen Sie „Mikrospenden“ zur Finanzierung von Mieten privater Wohnquartiere an: GemeindebürgerInnen überweisen monatlich per Dauerauftrag kleine und Kleinstspenden für einen gewissen Zeitraum. Weitere Finanzierungsmöglichkeit: Crowdfunding über bekannte Plattformen wie zum Beispiel http://www.respekt.net/

  • Prüfen Sie die Möglichkeiten, Unterkünfte durch Neubau zu schaffen (siehe auch Gesprächsrunden mit ExpertInnen, Abschnitte V–VII).


3)Unterstützungsnetzwerk und Willkommenskultur


Damit die Aufnahme der Flüchtlinge gut und ohne Stolpersteine gelingt, sollte sie gut vorbereitet werden. Beginnen Sie damit am besten bereits vor Ankunft der geflüchteten Menschen und binden Sie dazu alle relevanten Akteure der Gemeinde ein.

Nutzen Sie bestehende Strukturen/Ressourcen und vernetzen Sie relevante AkteurInnen

Schlüsselpersonen / MultiplikatorInnen


Menschen, die in der Gemeinde Autorität haben, anerkannt sind, Verbindungspersonen zu Netzwerken oder Gruppen sind, viel mit Menschen zusammenkommen, die sich für das Thema engagieren und Unterstützung anbieten: anbieten, aus dem kirchlichen Bereich, den Schulen, Kindergärten und Gesundheitsdienst, in Frisörläden, Wirtshäusern, Vereinen etc.

Organisationen/Unternehmen vor Ort


  • Bauen Sie mit lokalen Organisationen und NGOs eine Plattform auf, sprechen Sie mögliche UnterstützerInnen / Freiwillige an.

  • Binden Sie Vereine, NGOs, lokale Initiativen ein (z.B. Caritas, Volkshilfe, Diakonie, Hebammen, Freiwillige Feuerwehr, Pfadfinder, Künstlerinitiativen, Pfarrgruppen, den Pfarrgemeinderat, Sportvereine etc.), aber auch PartnerInnen wie die ÖBB und andere Unternehmen.

  • Schaffen Sie mit diesen Betreuungs-, Beschäftigungs-, Lern- und Freizeitangebote (z.B. Deutschkurse in Zusammenarbeit mit Schulen, pensionierten DeutschlehrerInnen, Freiwilligen, Ausflüge, Nachbarschaftshilfe etc.).

  • Sorgen Sie dafür, dass Schulen und Kindergärten auf die Situation gut vorbereitet werden; überlegen Sie gemeinsam (auch mit Elternvereinen), wie die Situation am besten gemeistert werden kann.

  • Regen Sie an, vorhandene offene Räume und Initiativen (z.B. Künstlerinitiativen, Kultureinrichtungen etc.) zu nutzen und zu aktivieren.

Freiwilliges Engagement aktivieren und unterstützen


  • Wer in der Gemeinde beschäftigt sich darüber hinaus mit Themen wie Flucht, Integration, zivilgesellschaftliches Engagement? Wie können diese Personen aktiviert werden? (gutes Praxisbeispiel: Verein „Lust auf Gerechtigkeit“, http://khg.aau.at )

  • Schaffen Sie Begegnungsmöglichkeiten von Einheimischen und AsylwerberInnen mit ähnlichen Interessen, Altersstufen etc. zusammen.

Laden Sie das Engagement aller ein, aber achten Sie dabei auf gute Balance & Koordination und sorgen Sie für ausreichend Unterstützung für Ehrenamtliche. Viele Menschen sind bereit, sich in der Flüchtlingsbetreuung zu engagieren. Dieses Engagement gilt es zu koordinieren, zu unterstützen, wertschätzend zu pflegen und zu schützen.

Damit stabiles, langfristiges Engagement möglich wird …


  • Schaffen Sie in der Gemeinde klare Zuständigkeiten und kommunizieren Sie diese. Das schafft Sicherheit und Vertrauen auf allen Seiten (sowohl auf Seiten der Gemeinde, der engagierten BürgerInnen, wie auch bei den Flüchtlingen).

  • Bauen Sie Strukturen für ehrenamtliches Engagement auf. Eine Ansprechperson in der Gemeinde für freiwillig Engagierte erleichtert die Kommunikation und Steuerung.

  • Stellen Sie eine gute Koordination sicher, z.B. durch eineN FlüchtlingskoordinatorIn in der Gemeinde (siehe Gemeinde Alberschwende). Dadurch können auch Doppelgleisigkeiten und nicht benötigte Leistungsangebote vermieden werden.

  • Ehrenamtliche sind häufig mit Fragen und Anliegen konfrontiert, die ihre Kenntnisse übersteigen (z.B. rechtliche Fragen): Hilfreich ist hier etwa eine Liste mit Ansprechpersonen für unterschiedliche Themen bzw. NGOs, die rund um das Thema Asyl tätig sind.

  • Die Arbeit mit Flüchtlingen ist für Ehrenamtliche physisch und psychisch herausfordernd; die Unterstützung durch Betreuung und Supervision beugt der Überforderung vor.

  • Regelmäßige (z.B. monatliche) Begleittreffen für Ehrenamtliche und Interessierte (zu unterschiedlichen thematischen Schwerpunkten, tlw. mit FachreferentInnen); Ehrenabende (Good Practice im Flüchtlingsheim St. Gertraudi, siehe Gemeinde Kaltenbach) unterstützen den Erfahrungsaustausch und die Problemlösung und ermöglichen, Neues zu lernen.

  • Unterstützen Sie ehrenamtliche DeutschlehrerInnen durch Jours-Fixes mit professionellen DeutschlehrerInnen in Volkshochschulen (Good Practice in Vorarlberg, siehe auch Gemeinde Perchtoldsdorf).

  • Etablieren Sie Formen einer Anerkennungskultur in der Gemeinde als Wertschätzung für die Leistungen Ehrenamtlicher: z.B. Nennung in der Gemeindezeitung, Gutscheine, Freikarten etc.

  • Richten Sie ein Ehrenamtlichen-Budget ein (siehe Schritt 8: Finanzielle Unterstützung).

  • Regen Sie Patenschaften an: Einheimische Familien übernehmen Patenschaften für Flüchtlingsfamilien und halten regelmäßig Kontakt zu diesen (siehe Gemeinde Alberschwende); organisieren Sie Austauschtreffen für die Familien.

  • Schaffen Sie weitere Anlaufstellen, wie etwa die Pfarre oder einen Unterstützungsverein etc.



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