wahre[…] Frömmigkeit und de[n] Wohltätigkeitssinn der Chiwaer Ösbegen
“ (ebd.).
Was die Charakterzüge der usbekischen Männer anbetrifft, so sind bei Vámbéry nur
einige diesbezügliche Beschreibungen von usbekischen Herrschern zu lesen, wo er
die früheren und jetzigen Emire von Buchara vergleicht und sie entweder als „
gutmütig
“
(ebd.: S. 238) und als „
ein mildes, leutseliges Wesen
“ (ebd.) habend charakterisiert
oder als „
ein grausamer Wüstling
“ (ebd.) kritisiert.
Auch bei Moser sind die Schilderungen des männlichen Äußeren eine Seltenheit,
dennoch liest man an einer Stelle seines Reiseberichts die Beschreibung seines
usbekischen Wirtes, wo er außer positiv bewertenden Epitheta noch stehende
Vergleiche („
mager wie ein Stift
“, „
Adlernase
“) gebraucht:
„
[…] der Mehmandar Mohammed, ein 40jähriger Usbeke, mager wie ein Stift, der auf
seinem schönen, mit Goldschabrake bedeckten Vollblutthiere lässig nach vorn geneigt
sass; sehr energischer Gesichtsausdruck, eine große Adlernase und lebhafte,
intelligente
schwarze
Augen
dienen
zur
Vervollständigung
seiner
Personalbeschreibung […].
“
(Moser 1888, S. 182)
Richard Karutz bewundert metonymisch „
prachtvolle Köpfe mit glänzenden Augen,
scharf geschnittenen Gesichtern und stattlichen Bärten, […] stolze Figuren mit freier
Haltung und würdevollem Anstand
“ (Karutz 1904, S. 82) und „
die waschechten
breitgesichtigen ‚Buddhas‘ unter den Sarten Samarkands
“ (ebd.). Graf v. d. Pahlen
spricht ebenfalls von „
schöne[n] hohe[n] Männergestalten mit edlen Zügen
“ (v. d.
123
Pahlen 1969 [1964], S. 260).
Köstenbergers Schilderungen widersprechen allerdings den Darstellungen von Karutz
und v. d. Pahlen. Er sieht usbekische Männer als „
Leute mit auffallend kleinem Kopf,
mittelgroß und zur Fettleibigkeit neigend
“
(Köstenberger 1923, S. 9)
mit dem für die
Asiaten spezifischen
„
Bartwuchs sowie d[en] hervorspringenden Backenknochen
“
(ebd.). Colin Ross vermerkt die Höflichkeit des bucharischen Gesandten
(„
ausnehmend deutschfreundlicher Herr
“ (Ross 1923, S. 229)). Er schreibt, dass
„
[t]rotz des schwarzen Vollbartes der untersetzte, leichtverfettete Herr merkwürdig
frauenhaft [wirkt]
“
(ebd.).
Hans Werner Richter wird bereits am Flughafen von einem „
beleibte[n], lächelnde[n]
Usbeke[n]
“ (Richter 1966, S. 12) empfangen, er schreibt später über seinen
usbekischen Begleiter, den Poet Achundi:
„
Nassyr Rachimowitsch Achundi sitzt am nächsten Morgen vor mir, ein Poet, wie es
hier heißt, ein Dichter, ein Lebemann, untersetzt, breitschultrig, blaudunkles leicht
graumeliertes, leicht gewelltes Haar, die Farbe der Augen von braun zu schwarz sich
verändernd, ein schöner Mann […].
“
(Ebd.: S. 14)
Diesen Mann, den „
Berühmte[n]
“ (ebd.) „
[m]it jovialer Freundlichkeit
“ (ebd.: S. 19), der
Vögel und Rosen liebt, der „
sympathisch und von einer bestrickenden
Liebenswürdigkeit
“ (ebd.: S. 4) ist, betitelt Richter mit einer Periphrase als
„
usbekische[n] Gott
“
(ebd.). Andere Usbeken im Basar mit „
lachende[n],
schrägstehende[n] Augen
“ (ebd.: S. 20) vergleicht er mit „
Reiterführer[n] in der großen
Armee Timurs
“
(ebd.). Auch ein Kolchosleiter, „
hochgewachsen, sieht aus, als hätte er
bereits in der Armee Tamerlans gedient
“ (ebd.: S. 31). Die älteren Männer werden
humorvoll mit dem Hinweis auf die Geschichte als „
Nomaden-Opas, die jungen Leute
von damals, mit ihren eisgrauen, dünn gezwirbelten Hängeschnurrbärten
“ (ebd.: S.
41), periphrasiert.
Richard Christ zeichnet ein vollständiges Porträt eines jungen Usbeken, das als
Musterbild eines sowjetischen Mannes bedacht ist:
„
Alischer ist unter allen höflichen Menschen Mittelasiens der höflichste. Er arbeitet im
Schriftstellerverband. Seine Statur ist so, daß die Frauen ihm nachschauen auf der
Straße, und das Köpfedrehen wird vermutlich noch zunehmen, je mehr Grau sich an
den Schläfen in das volle schwarzgelockte Haar mischt. Alischer ist Anfang dreißig. Er
trägt graue Anzüge von unauffälliger Eleganz, sammelt alten Jazz, Wiener Walzer und
Marschmusik, liest Gedichte. Und Alischer ist Kommunist, Parteimitglied, er hat eine
124
festsaugend-beharrliche Art, wenn er etwas herauskriegen will. Er kann für eine Stunde
und länger in einer Buchhandlung untertauchen oder vor einem Bild stehenbleiben und
die Museumsführerin über ein Detail befragen, bis ihr die Antworten ausgehen. Fast
alle Probleme löst Alischer mit seinem Charme. Er lächelt Leuten zu, die unwillig hinter
Schaltern hantieren, spricht sanft mit ihnen, und meist ordnen sich dann die
Angelegenheiten. Als Soldat war Alischer im sowjetischen Fernen Osten stationiert. Er
hatte erwogen, dort zu bleiben, Ethnographisches interessiert ihn, die
unterschiedlichen Kulturen. Aber irgendetwas hat ihn wieder zurückgezogen nach
Mittelasien, war’s das Land, war’s Familiäres, er spricht nicht darüber. Vielleicht
verträgt es sich nicht mit seiner Zurückhaltung und Höflichkeit, die eigene Person zum
Gesprächsgegenstand zu machen.
“
(Christ/Kállay 1979, S. 29-30)
In diesem kurzen Textabschnitt gebraucht der Autor eine Reihe von rhetorischen
Mitteln, um eine umfassende Porträtierung des jungen Usbeken, vor allem aber ein
Vorbild eines sowjetischen Mannes zu schaffen. Er beginnt mit der Hyperbel („
unter
allen höflichen Menschen Mittelasiens der höflichste
“). Im nächsten Satz wird das
Äußere des Usbeken beschrieben, die Stilmittel Metonymie („
das Köpfedrehen wird
vermutlich noch zunehmen
“) und metaphorische Personifikation („
je mehr Grau sich
an den Schläfen in das volle schwarzgelockte Haar mischt
“) verstärken die
Aussagekraft. Im Weiteren beschreibt er den Kleidungsstil mit bewertenden Adjektiv-
Substantiv-Verbindungen („
graue Anzüge von unauffälliger Eleganz
“), erwähnt einige
Details
aus
seinem
Lebenslauf
und
verbindet
diese
mit
seinen
Charaktereigenschaften. Dies ist ein gutes Beispiel für eine porträtierende
Einzelbeschreibung.
In oben angeführten Textbeispielen sieht man, dass die Reiseautoren für die
Beschreibung des männlichen Äußeren vor allem (neutral, positiv oder negativ)
bewertende Epitheta verwenden (siehe Tab. 5). Das zweithäufigste Stilmittel, das in
den Beschreibungen des Äußeren vorkommt, ist der (stehende, okkasionelle,
metaphorische) Vergleich. Infolgedessen entsteht der Eindruck, dass die
Beschreibungen in der Turkestan-Zeit vor allem ein ethnologisches Interesse
verfolgen, Metonymie (
Köpfe, Figuren, Gestalten
statt
Menschen
) wird teilweise als
Mittel der kolonialistischen Distanz eingesetzt. Bei späteren Autoren der Sowjetzeit
fehlen entweder jegliche Beschreibungen des Äußeren (wie z.B. bei Kisch) oder man
findet nur neutrale oder positive attributive Fügungen, die den Versuch der Autoren
offenbaren, möglichst objektiv zu bleiben.
Die Charakterzüge von usbekischen Männern werden dagegen mit weniger
ethnologischem Interesse und mehr emotionalem Inhalt thematisiert. Die Autoren
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greifen auf intensive Ausdrucksmittel der Bildlichkeit, wie z.B. Periphrasen und
Hyperbel, zurück (siehe Tab. 6).
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