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definiert er das Konzept als „
denkerische Bildung, die uns im Denkprozess eine
unbestimmte Vielzahl der Gegenstände einer und derselben Art ersetzt
“
(Askol‘dov 1997, S. 269).
Heutzutage gilt es in der Linguokulturologie als unbestritten, dass Konzepte als
Teile des Wahrnehmungsprozesses nicht nur beschreibend-klassifizierende,
sondern auch emotional-subjektive Charakteristika umfassen.
Laut Stepanov werden Konzepte nicht nur wahrgenommen, sondern auch
nachempfunden (vgl. Stepanov 1997, S. 41). Slyshkin versteht unter dem Begriff
linguokulturelles Konzept
subjektive Elemente der Kultur,
die sich auf die
Sprache auswirken (vgl. Slyshkin 2004, S. 21). Linguokulturelle Konzepte sind
also mentale Bildungen, die mit Hilfe der Sprache verbalisiert werden.
Der russische Linguist Vorkacev betont in seiner Definition des Konzepts die
ethnokulturelle Spezifik, für ihn ist ein linguokulturelles Konzept „
eine Einheit des
kollektiven Wissens/Bewußtseins […], die einen sprachlichen Ausdruck hat und
von der ethnokulturellen Spezifik geprägt ist
.“ (Vorkacev 2001, S. 70).
Linguokulturelle Konzepte haben somit eine semiotische Natur und werden
mithilfe bestimmter Verbalmittel versprachlicht, die ein sogenanntes
konzeptuelles Feld
(russ.
концептуальное поле
) bilden. Dabei bleibt es nicht in
einem bestimmten Rahmen, mit der Zeit kann sich die Aktualität
dieses oder
jenes Konzeptes und die Intensivität seiner Wertung ändern (vgl.
Karasik/Slyshkin 2003, S. 50-55).
Die Struktur eines linguokulturellen Konzepts setzt sich aus Begrifflichkeit,
Bildlichkeit und Wert- und Bewertungsschicht zusammen. Den Kern des
Konzepts bilden bildliche Charakteristika, die als Ergebnisse der emotionalen
Wahrnehmung der Welt ein Bild des Objekts gestalten. Neben dem Kern hat ein
Konzept
auch einen Interpretationsteil, in diesem Teil werden einzelne
konzeptuelle Merkmale dargestellt. Ein linguokulturelles Konzept besteht daher
oft aus mehreren Schichten, zur Struktur des Konzepts gehört alles, was es zur
Tatsache der Kultur macht (vgl. Stepanov 1997, S. 40). Stepanov beschreibt drei
Teile des linguokulturellen Konzepts: „
das aktuelle Hauptmerkmal, das jedem
Kulturträger bekannt und wertvoll ist; ein oder mehrere zusätzliche passive
Merkmale, die für manche Gruppen der Kulturträger aktuell sind; die innere Form
des Konzepts, die im Alltag nicht wahrgenommen wird und lediglich den
Fachleuten bekannt ist, die aber die äußere symbolische Ausdrucksform des
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Konzepts festlegt
“ (ebd.: S. 41-42).
Ein linguokulturelles Konzept weist im Allgemeinen folgende Merkmale auf (vgl.
Vorkačev 2014, S. 18, z. T. auch Földes 2019, S.104-105):
a) Mehrdimensionalität als Folge seines Synthetismus, d.h. Existenz der
semantisch verschiedenartigen Anteile;
b) hierarchischer Aufbau, die Systemabhängigkeit seiner Eigenschaften;
c) Ethnospezifik;
d) Begrenztheit durch das Bewusstsein des Sprachträgers;
e) Dreikomponentenstruktur (Bildlichkeit – Begrifflichkeit – Wertung);
f) Methodologische Zugänglichkeit.
Da das Konzept
im Bewusstsein entsteht, kann es in individuelle,
gruppenspezifische, kulturspezifische und universale Typen geteilt werden. Die
existierende Klassifikation der Konzepte zeugt von der Komplexität und
Vielseitigkeit der inhaltlichen und strukturellen Organisation der Konzepte.
In vorliegender Dissertation sind linguokulturelle Konzepte nach folgenden
Komponenten analysiert und klassifiziert worden (siehe Abb. 1):
a) Entstehungskontext/historischer Hintergrund der Reiseberichte: Hier ist es
wichtig zu beachten, in welcher Epoche der Reisebericht entstand und von
wem er unter welchen Bedingungen verfasst wurde. Welche typischen
Wahrnehmungsstrukturen lassen sich identifizieren? Ist dabei eine
Kontinuität festzustellen? Welche linguokulturelle Konzepte sind je nach
historischem Zeitraum besonders stark vertreten?
b) Ziel/Motive der Reise: Mit welcher Absicht reiste der Reiseautor in das
fremde Land? Welche expliziten und impliziten
Motive sind dabei zu
erkennen?
c) Intertextualität: Existieren gewisse Bezüge unter Reiseberichten? Auf
welche Weise stehen Texte miteinander in Verbindung?
d) Kulturelle Stereotype: Welche Stereotype sind für den jeweiligen
historischen Zeitraum als typisch anzusehen?
e) Sprachpersönlichkeit: Auf welche Weise hängen die sprachlichen
Konstrukte mit eigenen kulturellen Traditionen des Autors zusammen? Bei
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der linguokulturellen Analyse werden Stilmittel identifiziert, die nur für
diesen oder jenen Autor typisch sind.
f) Authentizität: Welche Rolle spielen Realienwörter als Ausdrucksmittel der
Beweisführung?
g)
Bildlichkeit und Bildhaftigkeit: Wie oft werden die Ausdrucksmittel der
Bildlichkeit und Bildhaftigkeit in den untersuchten Reisetexten verwendet?
Welche Funktionen kommen ihnen dabei zu?
Die oben angeführten Komponenten sollen zur adäquaten
Interpretation des
Usbeken- und Usbekistanbildes verhelfen, das in den deutschsprachigen
Reiseberichten identifiziert wird.
Abbildung 1. Komponenten des linguokulturellen Konzepts
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