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Zeichensysteme (z. B. Gebärdensprache) (vgl. Schweikle/Oschmann 2007, Sp. 723).
Der Text als Produkt entsteht an der Schnittstelle von Linguistik und Kulturologie, denn
er gehört zum Sprachlichen und gilt als eine Ausdrucks- und Existenzform der Kultur.
Jeder Text ist dabei kontextabhängig und hat eine eigene Entstehungsgeschichte.
Durch die Sprache werden die Semiotik der Kultur und das Weltbild eines Individuums
oder einer Masse vermittelt.
Zur wissenschaftlichen Bedeutung der Sprache haben verschiedene Denker Theorien
über deren Rolle und Funktion entwickelt. Angesichts der großen Zahl an Theorien
werden hier ausschließlich diejenigen Sprachtheorien kurz beschrieben, die für die
vorliegende Studie von Wichtigkeit sind. Diese sind:
1) Sprache als Symbolsystem zur Kommunikation (Edward Sapir)
Der amerikanische Sprachwissenschaftler Edward Sapir definiert Sprache als „
eine
ausschließlich dem Menschen eigene, nicht im Instinkt wurzelnde Methode zur
Übermittlung von Gedanken, Gefühlen und Wünschen mittels eines Systems von frei
geschaffenen Symbolen
“ (Sapir 1972 [1961], S. 17). Nach Sapirs Verständnis ist die
Sprache also eine ‚Übermittlungsmethode‘ und ein ‚System von Symbolen‘. Kultur sei
das, „
was die Gesellschaft macht und denkt
“ (Sapir 1996 [1934], S. 32). Die Rolle der
Sprache bezieht sich auf die Beschreibung der Art und Weise des Denkens (vgl. ebd.).
2) Sprache als Organon (Karl Bühler)
„
Die Sprache ist dem Werkzeug verwandt; auch sie gehört zu den Geräten des
Lebens, ist ein Organon wie das dingliche Gerät, das leibesfremde materielle
Zwischending; die Sprache ist wie das Werkzeug ein geformter Mittler. Nur sind es
nicht die materiellen Dinge, die auf den sprachlichen Mittler reagieren, sondern es sind
die lebenden Wesen, mit denen wir verkehren
“ (Bühler 1965 [1934], S. XXI-XXII). Mit
diesen Worten deutet Karl Bühler schon im Vorwort seines Buches „Sprachtheorie“ auf
den Sinn seines Organon-Modells der Sprache hin. Er antwortet auf die Frage „
Was
ist Sprache
?“ mit vier Unterscheidungen:
Die Trichotomie
Ausdruck – Appell – Darstellung
Die Unterscheidung zwischen
Zeichen
und
Symbol
Die Doppelunterscheidung zwischen
Sprechhandlung
–
Sprachwerk
und
Sprechakt
–
Sprachgebilde
.
Die Unterscheidung zwischen
Wort
und
Satz
(vgl. Rolf 2008, S. 17).
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Als Oberbegriff für diese Unterscheidungen nennt Bühler Lehrsätze bzw. Axiome. Die
Axiome teilen sich nach seiner Theorie in vier Gruppen.
Axiom A
beschreibt das Organon-Modell der Sprache. Dabei greift Bühler auf Platons
Worte zurück: „
Ich denke, es war ein guter Griff Platons, wenn er im Kratylos angibt,
die Sprache sei ein organum, um dem andern etwas mitzuteilen über die Dinge
.“
(Bühler 1965 [1934], S. 24). Gemäß diesem Modell hat ein sprachliches Zeichen drei
semantische Funktionen:
„
Es ist Symbol Kraft seiner Zuordnung zu Gegenständen und Sachverhalten, Symptom
(Anzeichen, Indicium) Kraft seiner Abhängigkeit vom Sender, dessen Innerlichkeit es
ausdrückt, und Signal Kraft seines Appells an den Hörer, dessen äußeres oder inneres
Verhalten es steuert wie andere Verkehrszeichen.
“
(Bühler 1965 [1934], S. 28)
Bei
Axiom B
steht die Zeichennatur der Sprache im Vordergrund. Bühler unterscheidet
zwischen
Gegenstandszeichen
(Repräsentation eines Dinges oder einer Klasse von
Dingen) und
Feldzeichen
(Stellung im Satz oder im Kontext). Jedes Wort besitzt also
einen
Symbolwert
und einen
Feldwert.
Axiom C
behandelt das sogenannte
Quadrifolium
, das die Relationen zwischen
Sprechhandlung
–
Sprachwerk
und
Sprechakt
–
Sprachgebilde
näher betrachtet.
Axiom D
analysiert das Verhältnis von
Wort
und
Satz
(vgl. Rolf 2008, S. 18).
Die Sprache ist also nach Bühlers Theorie ein Vermittlungssystem, das den Regeln
der oben beschriebenen vier Axiome entspricht.
Sprache ist aber auch ein wichtiger Bestandteil der Kultur, die sich unter anderem in
der Sprache widerspiegelt; sie ist „
das deutlichste Zeichen dieses frühen
Eingebundenseins in eine übergreifende Identitätsstruktur
“ (Definition
von Dieter
Claessens) (Schäffter 1991, S. 46). Linguokulturologie betont dabei, dass Sprache
nicht nur ein Mittel zur Kommunikation und zum Ausdruck der Gedanken ist, sondern
auch zur Speicherung kulturellen Wissens und darüber hinaus zur Übermittlung,
Nutzung und Umwandlung von Informationen dient. Kultur ist, wie Sprache auch, ein
semiotisches System, das Informationen übermitteln kann. Aber anders als Sprache
ist Kultur nicht zur Selbstorganisation fähig, da sie vor allem als Gedächtnis einer
Gemeinschaft angesehen wird. Die Triade
Sprache
–
Nation
(nationale Persönlichkeit)
–
Kultur
gilt
als Fokus, wo sich die wichtigsten Fragestellungen dieses
Wissenschaftszweigs kreuzen und gelöst werden können (vgl. Vorob’ev 1997, S. 12-
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13).
Die Bedeutung der Sprache bei der Aufbewahrung und Vermittlung der Kultur
unterstreicht auch Kulturwissenschaftlerin Ter-Minasova:
„
Sprache ist eine mächtige Gesellschaftswaffe, die den Menschenstrom in eine Ethnie
verwandelt und die durch Aufbewahrung und Vermittlung der Kultur, der Traditionen
und des gesellschaftlichen Selbstbewusstseins einer Nation dieses Sprachkollektiv
bildet.
“
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(Ter-Minasova 2000, S. 15)
Maslova betrachtet die Sprache als einen Mechanismus, der dem Kodieren und der
Übertragung einer Kultur dient. Die Texte seien dabei die wahren Bewahrer der Kultur.
Nicht
die Sprache, sondern Texte würden die geistige Welt des Menschen
widerspiegeln und gerade Texte seien unmittelbar mit Kultur verbunden, da sie
mehrere Kulturcodes und Informationen über
Geschichte, Ethnologie, nationale
Psychologie und nationales Verhalten enthielten, also alles, was den kulturellen Inhalt
bildet (vgl. Maslova 2010, S. 87).
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