Zum Usbeken- und Usbekistanbild im deutschsprachigen Raum


Das sprachliche Weltbild als Forschungsobjekt in der modernen



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Bog'liq
Diss Rakhimova 2018

2.3.2 Das sprachliche Weltbild als Forschungsobjekt in der modernen 
russischen Linguistik 
Das Problem des sprachlichen Weltbildes wurde vornehmlich von russischen aber 
auch von anderen europäischen Sprach- und Kulturwissenschaftlern umfassend 
untersucht und bleibt weiterhin aktuell. Im Rahmen der vorliegenden Dissertation wird 
das sprachliche Weltbild
(russ. ʻязыковая картина мираʼ) u. a. als ein Instrument 
gesehen, mit dessen Hilfe Vorstellungen europäischer Reisender von der usbekischen 
Kultur und von Usbekistan, die in deutschsprachigen Reiseberichten dargestellt sind, 
untersucht werden.
Das Weltbild ist nach Auffassung der Linguokulturologie ein ganzheitliches Bild von 
der Welt als Resultat menschlicher Erfahrungen. Es entsteht im Prozess des 
Kontaktierens und Zusammenwirkens mit der Außenwelt, indem durch die 
menschlichen Erfahrungen kulturelle Muster gebildet werden:
 

Das ‚Weltbild‘ als Begriff (darunter auch das sprachliche Weltbild) wird auf dem 
Studium der Vorstellungen des Menschen von der Welt aufgebaut. Wenn die Welt den 
Menschen und seine Umgebung in ihrem Zusammenwirken verkörpert, dann ist das 
Weltbild ein Resultat der Verarbeitung von Informationen über die Umgebung und den 
Menschen.

11
(Maslova 2001, S. 64)
Jede Kultur ist demnach eine Ethnokultur und jede Ethnokultur konstruiert ein eigenes 
Weltbild, jeder Mensch sieht die Welt gewissermaßen durch dieses eigene ethnische 
Kulturprisma. Das Weltbild ist aus diesem Grunde vor allem eine Kulturerscheinung. 
Grishayeva und Tsurikova unterscheiden folgende Hauptfunktionen des Weltbildes als 
Kulturerscheinung: 

Funktion der Identifikation von Subjekten/Objekten einer bestimmten Kultur; 
11
Im Original: „Понятие картины мира (в том числе и языковой) строится на изучении представлений человека о мире. 
Если мир – это человек и среда в их взаимодействии, то картина мира – результат переработки информации о среде и 
человеке.“ 


43 

Funktion der Benennung verschiedener Subjekte und Objekte einer natürlichen 
und künstlich geschaffenen (kulturellen) Welt, der Eigenschaften dieser 
Subjekte und Objekte, der Prozesse, Zustände, Beziehungen, Situationen usw.; 

Funktion der Verschriftlichung von Ergebnissen der Kategorisierung 
außersprachlicher Tätigkeit; 

Funktion der Orientierung in der sozialen Interaktion (vgl. Grishayeva/Tsurikova 
2007, S. 74). 
Das Weltbild erklärt sich als mentale Repräsentation der Kultur. Weltbilder haben 
charakteristische Eigenschaften wie z. B. Komplexität, Vielfalt der Aspekte, 
Geschichtlichkeit, Interpretationsvielfalt und Fähigkeit zur Entwicklung. 
Somit wird unter dem Terminus 
Weltbild
im Allgemeinen die Gesamtheit des Wissens 
über die Wirklichkeit verstanden, die im Bewusstsein einer Gesellschaft, einer Gruppe 
oder eines Individuums vorhanden ist. 
Das sprachliche Weltbild ist dagegen die Gesamtheit der Weltvorstellungen, 
verwirklicht im System einer bestimmten Sprache. Es gilt als Schatzkammer des 
Kulturwissens und wird als verbaler Code von Generation zu Generation übermittelt. 
Das
sprachliche Weltbild
als Begriff der Sprachwissenschaft hat ihren Ursprung bei 
Wilhelm Humboldt (1935 [1836]) und später bei Leo Weisgerber (1950), die den 
sozialen Charakter der Sprache hervorhoben und sie als entscheidende Rollenträgerin 
in der Entwicklung der Kultur sahen. 
Leo Weisgerber, der von der Linguokulturologie als Begründer der inhaltsbezogenen 
Sprachwissenschaft rezipiert wird, weist bereits 1924 in seiner Habilitationsschrift mit 
dem Titel „Sprache als gesellschaftliche Erkenntnisform. Eine Untersuchung über das 
Wesen der Sprache als Einleitung zu einer Theorie des Sprachwandels“ auf den 
sozialen Charakter der Sprache hin. Seine Schrift trug anfangs den Titel 
„Sprachwandel als Kulturwandel“, da der Autor die Entstehung und Entwicklung einer 
Kultur mit der Sprache eng verbunden sah, wie er mehrfach in seiner Schrift betont 
(vgl. Weisgerber 2008 [1924], S. 7-11). Die zentralen Fragen seiner 
sprachwissenschaftlichen Untersuchung sind jedoch: Welchen Einfluss hat die 
Sprache auf das Volk? Was ist der Einfluss des Volkes auf die Sprache? So schreibt 
Weisgerber über das Verhältnis von Sprache und Volk bzw. Kulturgemeinschaft: 
 

Der Begriff ‚Volk‘ läßt sich nur als ‚Kulturgemeinschaft‘ umschreiben, und zwar als 
Gemeinschaft, die im Gegensatz zur staatlichen Gemeinschaft durch die gemeinsame 


44 
Sprache gekennzeichnet ist.

 
(Weisgerber 2008 [1924], S. 202)
Weisgerber lässt sich in seinen Werken sowohl von Herder (vgl. Weisgerber 1950, S. 
9) als auch von Wilhelm von Humboldt inspirieren, wenn er von der „
wirkenden Kraft 
der Sprache
“ (ebd.: S. 14) spricht: 
 

Sicher ist Humboldt diese Seite der wirkenden Kraft der Sprache durchaus bewußt 
gewesen, und wenn er einmal die Sprache als ‚eine der hauptsächlich schaffenden 
Kräfte in der Menschengeschichte‘ bezeichnet, so denkt er dabei nicht zuletzt an die 
unaufhörlichen Einflüsse, die von der Sprache auf das Kulturschaffen ausstrahlen.
“ 
(Weisgerber 1950, S. 14)
Er betont die Beziehung Mensch-Sprache-Welt. Später, in seiner 1963 erschienenen 
Schrift „Grundformen sprachlicher Weltgestaltung“, schreibt er erneut von der 
Bedeutung der Sprache im menschlichen Leben: 
 

Wenn alles Sprachliche auf Erden auf die dem Menschen eigene Möglichkeit der 
Sprache zurückgeht, dann ist es primär als Wirkungsform menschlicher Sprachkraft 
anzusehen. Das gilt gleichermaßen für die drei Grundtypen sprachlicher Phänomene 
gemäß ihrer Bindung an Menschheit, Gemeinschaft oder Individuum.
“ 
(Weisgerber 1963, S. 7)
Seine These fand allerdings wenig positive Resonanz: Man kritisierte seine 

Übertreibung der gemeinschaftsstiftenden Rolle der Sprache, die immer als 
Muttersprache oder Nationalsprache gedacht wird
“ (Römer 1985, S. 163). Denn die 
eigene Muttersprache spielt laut Weisgerber bei der sprachlichen Weltgestaltung eine 
ausschlaggebende Rolle: 
 

Muttersprache als Erscheinungsform gemeinschaftlicher Entfaltung von Sprachkraft 
hat vollgültigen Anteil an dem energetischen Grundcharakter der Sprache. 
Insbesondere ist ihr ‚Dasein‘ zu verstehen als dauerhafter Vollzug sprachlicher 
Weltgestaltung, das ‚Worten der Welt‘, so ist eine Muttersprache der Prozess des 
Wortes der Welt durch ihre Sprachgemeinschaft.

 
(Weisgerber 1963, S. 8)
Nach dem zweiten Weltkrieg erntete Weisgerber weiterhin sowohl von marxistischer 
als auch von westdeutscher Seite reichlich Kritik. Der Sprachwissenschaftler 
Christopher Hutton (1999) nannte Weisgerbers sprachwissenschaftlichen Ansatz in 


45 
seiner „Geschichte der deutschen Sprachwissenschaft“ während der Jahre 1933-1945 
mother-tongue fascism
, während Weisgerber selbst nach 1945 seine 
sprachwissenschaftlichen Beiträge aus der Zeit des Nationalsozialismus als implizit 
antirassistischen und antinationalsozialistischen Widerstand verstanden wissen wollte 
(vgl. Weisgerber 1967, S. 36f.). Unumstritten ist jedoch, dass Weisgerbers Werke 
wesentlichen Einfluss auf die Sprachwissenschaft und speziell auf das Fach 
Germanistik hatten. Heutzutage wird Weisgerber vornehmlich von russischen 
Sprachwissenschaftlern zitiert. 
Das sprachliche Weltbild hat in der Linguokulturologie drei Aspekte:

Kognitiver Aspekt, d. h. das Weltwissen, das sich in der lexischen und 
grammatischen Semantik einer Sprache manifestiert; 

Axiologischer Aspekt, d. h. ein Wertesystem, das verbal in assoziativen und 
konnotativen Wortkomponenten einer Sprache zum Ausdruck kommt; 

Motivationspragmatischer und kommunikativer Aspekt, d. h. Prinzipien des 
Redeverhaltens, Stereotype, motivationspragmatische Einstellungen.
Die Methode des Konzeptualisierens, nämlich verschiedene sprachliche Konzepte 
einer Kulturgemeinschaft zuzuordnen, ist ebenfalls Instrument des sprachlichen 
Weltbildes, das sowohl universal als auch national spezifisch sein kann. Die Spezifik 
der Nationalsprachen ist wie die Spezifik des nationalen Bewusstseins durch den 
besonderen Inhalt und die spezifische Lebensart, die Bedingungen der Umwelt und 
der Gesellschaft, die materielle und geistige Kultur bedingt. Diese Aspekte werden auf 
verschiedenen Ebenen der Sprache fixiert.
Somit geht die Linguokulturologie davon aus, dass jede Kulturgemeinschaft über ein 
eigenes, national spezifisches sprachliches Weltbild verfügt, welches das Verhältnis 
jedes Menschen zu Welt und Natur, zu den Mitmenschen und schließlich zu sich selbst 
als Persönlichkeit prägt, wodurch die Verhaltensnormen einschließlich des 
sprachlichen Verhaltens des Menschen bestimmt werden.

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