Wolfgang Wächter Bücher erhalten, pflegen und restaurieren



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Wolfgang Wächter

Bücher erhalten, pflegen und restaurieren

Hauswedell Stuttgart

Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme

Wächter, Wolfgang:

Bücher erhalten, pflegen und restaurieren /

Wolfgang Wächter.

- Stuttgart: Hauswedell, 1997

ISBN 3-7762-0402-8
© 1997 Dr. Ernst Hauswedell & Co. Verlag, Stuttgart

Alle Rechte vorbehalten, insbesondere die des Nachdrucks und der Übersetzung. Ohne schriftliche Genehmigung des Verlages ist es auch nicht gestattet, dieses urheberrechtlich geschützte Werk oder Teile daraus in einem photomechanischen, audiovisuellen oder sonstigen Verfahren zu vervielfältigen und zu verbreiten. Diese Genehmigungspflicht gilt ausdrücklich auch für die Verarbeitung, Vervielfältigung oder Verbreitung mittels Datenverarbeitungsanlagen und elektronischer Kommunikationssysteme.

Dieses Buch ist gedruckt auf holzfreiem, säurefreiem und alterungsbeständigem Papier.

Fotosatz aus der Sabon und Druck: Chr. Scheufeie, Stuttgart.

Offsetreproduktionen der Abbildungen: Dieter Werner, Stuttgart.

Bindearbeit: Großbuchbinderei Ernst Riethmüller & Co., Stuttgart.



Printed in Germany

Inhalt


VORWORT IX

EINLEITUNG l

DAS PAPIER - 7
EIN HISTORISCH-TECHNISCHER ABRISS

Die Papierrnacherei in Ostasien 8

Die Papierherstellung im islamischen Weltreich 10

Die Einführung der Papierherstellung in Europa 12

Die Einführung der Papierhersteliung in Deutschland 14

Der Aufschwung der Papiermacherei in Deutschland 22

bis zum 30jährigen Krieg

Der Niedergang der Papierherstellung im 17. Jahrhundert 25

Der Aufschwung der Papiermacherei in Deutschland 26

im 18. Jahrhundert

Der Beginn der technischen Entwicklung 28

zur Papierindustrie

Die Papierindustrie im 20. Jahrhundert 35

VON SCHÄDEN UND IHREN URSACHEN 37

Die Arten der Schäden und ihre Erkennung 37

Chemische Schäden 37

Mechanische Schäden 40

Biologische Schäden 42

Von den Mikroben 44

Bakterien (Schizomyzeten) 47

Pilze 49

Der Substratabbau 54

Die Insekten 56

Biologische Schäden - eine Positionsbestimmung 62

Die Möglichkeiten der Schädlingsbekämpfung 63
Physikalische Methoden der Schädlingsbekämpfung 64

Chemische Verfahren der Schädlingsbekämpfung 66

DIE NASSBEHANDLUNG VON PAPIER 69

Heißwasser-Bäder 70

Oxidationsbleichen 70

Die Kaliumpermanganat-Bleiche 71

Die Chlordioxid-Bleiche 72

Die Peroxid-Bleiche 74

Die Natriumborhydrid-Bleiche 75

Vom Wasser 76

Die Technologie der Naßbehandlung 81

DIE STABILISIERUNG VON PAPIER 93

Die Papierspaitverfahren in ihrer historischen 94
Entwicklung

Das Prinzip der Papierspaltung 103

Die Technik des Papierspaltens 105

Materialien und Hilfsmittel 109

Bindemittel 110

Stabilisierungspapiere für die innere Festigkeit 112

Preßmaterialien 113

Hilfsmittel beim Ablösen 114

Maschinelle Papierspahung 115

Die Kaschiermaschine 116

Die Spaltmaschine 123

Das Prinzip der Angußverfahren 129

Die Langsiebanfasermaschine 133

Anfasern und Spalten 137

Entwicklung und Stand einer vollautomatischen 141
Anlage zur Restaurierung von geschädigtem
Bibliotheks- und Archivgut auf der Basis des
Papierspaltverfahrens

Schlußbemerkung 144


VI

DIE MASSENENTSÄUERUNG 145

Entsäuerung - Neutralisierung 145

Das DEZ-Verfahren 148

Das FMC/Lithco-Verfahren 152

Das Wei To-MMC-Verfahren, USA/Kanada 155

Das französische MMC-Verfahren 159

Das BPA-Ethanolamin-Verfahren 160

Der Interleaf-Prozeß 163

Der Bookkeeper-Prozeß 164

Das 'Wiener Verfahren' 166

Die Methode der British Library London 169

Die Hochdruckextraktion saurer Papiere mit 171
überkritischem Kohlendioxid

Das Bückeburger Verfahren 176

Das Deutsche MMC-Verfahren zur Papierentsäuerung 179

Optimierung der deutschen Versuchsanlage zur 182


Massenentsäuerung

Ein neues Entsäuerungssystem 184

Die Entsäuerungschemikalie 186

Die Anlagenbeschreibung 187



Der ApplikatorlBehandlungseinheit 189 - Der Vakuutnpttm-penstand für die Vortrocknung 192 - Der Vakuumpumpenstand für Nachtrocknung 192 - Die Lösungsmittelrückgeuwinnungs-einheit 193 - Die Stickstoffversorgung 194 - Die Entlüftungs-einheil 195 - Ausgleichbehähtr mit Förderpumpe /95 - Tank­lager mit Förderpumpen 196

Der Behandiungsablauf 197


Das Zwischenlager 199

Ausblick 202

VII

ASPEKTE 203



Aspekte zur Entsäuerung 203

Aspekte der Lagerung 212

Zum Lignin - Aspekte der Alterung von Papier 214

Aspekte zur Papierproduktion 215

Ein wichtiger Aspekt - die Ergebnisse 217

Zum Kernpapier 220

Bleichen und Anfasern als Aspekte 231

der Gesamtbehandlung

Ein Aspekt - Schutzforrnen 236

SCHLUSSWORT 241

LITERATURVERZEICHNIS 251

ABBILDUNGSVERZEICHNIS 258

REGISTER 259

Vorwort


Das Phänomen des unaufhaltsamen und schnellen Zerfalls großer Buch­bestände ist in den vergangenen zwei Jahrzehnten ins Bewußtsein von im­mer mehr Menschen gedrungen und wird von immer mehr Menschen als ernste Bedrohung der schriftlichen Überlieferungen empfunden. Der rasche Zerfall industriell gefertigter, säure- und holzhaltiger Papiere überall in der Welt ist gefährliche Realität. Es stellen sich also Fragen nach Möglichkei­ten und Notwendigkeiten zur Verhinderung riesiger materieller und ideel­ler Verluste des geistigen Erbes der letzten 150 jähre. Die Brisanz dieser Situation wird deutlich, wenn man die Dimension der drohenden Verluste in Beziehung zum Erkenntnisstand setzt und aus beiden die Größenord­nung der Aufwendungen zur Abwehr der Gefährdung ermittelt.

Die vorliegende Publikation unternimmt den Versuch, Ansätze und Wege aufzuzeichnen, die in anderthalb Jahrzehnten resrauratorischer und konservatorischer Berufsstandsentwicklung zu Ergebnissen führten, die ge­eignet sind, anstehende Fragen zu beantworten.

Entscheidend für die Verwirklichung von Erhaltungsmaßnahmen ist letztlich die gesellschaftliche Einsicht und der politische Wille zur Rettung der Archive und Bibliotheken.

Einleitung

Bibliotheken und Archive haben seit ihrer Entstehung den Auftrag, Wissen anzuhäufen, Informationen zu sammeln und diese für spätere Generatio­nen zu erhalten. Die wissenschaftliche und kultureile Entwicklung der vergangenen Jahrhunderte bis heute ist ohne ihr Bestehen und Wirken un­denkbar. Papier ist ein durch nichts ersetzbares Material, auf das die Wei­terentwicklung der Menschheit nicht verzichten kann.

Bücher werden täglich benutzt und müssen mechanisch funktionsfähig sein. Sinkt die Qualität von Papier und Einbandmaterialien, so verkürzt sich in gleichem Maße ihre Lebensdauer.

Auf der ganzen Welt sehen sich Bibliotheken und Archive heute mit der gleichen Situation konfrontiert: Millionen von Büchern zerfallen. Riesige Bestände von Büchern, Zeitschriften, Manuskripten, Zeichnungen, Karten und anderen Dokumenten aus Papier sind bereits so stark geschädigt, daß sie nicht mehr benutzt werden können. Es handelt sich dabei besonders um die jüngeren Materialien, die seit der zweiten Hälfte des 19. Jahrhun­derts entstanden sind.

Die industrielle Papierproduktion auf der Rohstoffbasis von Holz und Aluminiumsulfat-Harzleimung brachte entscheidende Qualitätsverluste mit sich. Sie hinterläßt Säuren und säurebildende Substanzen im Papier, welche in Verbindung mit Umwelteinflüssen und ungünstigen Magazinbedin­gungen zu dessen schneller Zerstörung führen. Seine Langzeitbeständigkeit nimmt ab, und die jüngeren Papiere erreichen praktisch nur noch ein Alter von 50- 80 Jahren (wenn man die Benutzungsfrequenz nicht mit einkal­kuliert), bevor sie zerfallen und unbrauchbar werden.

Hier einige Fakten, die den Ernst der Situation verdeutlichen sollen:

- Das Deutsche Bibliotheksinstitut schätzt nach umfangreichen aktuellen Untersuchungen (von 1988} ein, daß etwa 26% der Buchbestände akut gefährdet sind und dringend restauratorisch behandelt werden müssen.

l

Einleitung



  • Die Library of Congress gibt an, daß ein Viertel ihrer Bestände so ge­
    fährdet sind, daß sie demnächst unbenutzbar sein werden.

  • Ähnliche Zahlen meldet die British Library.

  • 800 000 stark gefährdete Objekte befinden sich in der Französischen
    Nationalbibliothek.

Das bekannte William J. Barrow Research Laboratory fand in einer um­fangreichen Studie über den Erhaltungszustand von modernen Bibliotheks­beständen heraus, daß mehr als 50% der Bücher, die zwischen 1900 und 1949 gedruckt worden sind, im Jahre 2000 nicht mehr existieren werden. Diese Grundthese wird durch Untersuchungen der Library of Congress, der British Library und der Französischen Nationalbibliothek bestätigt.

Bezüglich der Alterungsbeständigkeit von Buchpapieren kam man zu folgenden übereinstimmenden Ergebnissen:

Etwa 97% aller seit 1850 gefertigten Papiere sind sauer. 50% der seit 1850 produzierten Papiere enthalten Lignin. In 21 Jahren beträgt der Fe­stigkeitsverlust dieser Papiere 82% (bezogen auf die Falzzahl). Es ergibt sich eine durchschnittliche Verfallsrate von 4,66%.

Wenn holzschiiffhaidge, saure Bücher in einem Zeitraum von 21 Jahren 82% ihrer Festigkeit verlieren, so erhält ihre Benutzung unter dem Ge­sichtspunkt der Erhaltung eine hohe Wertigkeit. Nur durch äußerst schonende Behandlung sind Beschädigungen und Substanzverluste zu ver­meiden. Für die Benutzung dieser Bestandskategorien sind spezielle Infor­mationen nötig, deren Kenntnis und Umsetzung dazu beitragen, mechani­sche Schäden auf ein geringes Maß zu reduzieren.

Diese Zahlen verdeutlichen einige Aspekte des Erhaltungsniveaus von Kulturgut im internationalen Maßstab. Der Zustand der Bibliotheksbe­stände, seine organisatorischen und materiellen Erhaltungsbedingungen müssen durch wirksame Aktivitäten schnell verbessert werden.

Sowohl in den USA als auch in Europa werden in Forschungsprogram­men Verfahren gesucht, die eine Sanierung und Konsolidierung von gefähr­deten Papieren zum Ziel haben. Die Fortschritte dieser Arbeiten sind aller­dings langsam. Mit Hilfe aufwendiger chemischer Prozesse lassen sich Säuren in Archiv- und Bibliotheksbeständen neutralisieren. Solche Behand­lungen sind aber nur sinnvoll bei Büchern, deren Papiere noch einen ver­tretbaren Rest an mechanischer Festigkeit aufweisen. Es bleibt die Tat­sache bestehen, daß für gegenwärtig etwa 25% der Buchbestände in den

2

Einleitung



Bibliotheken keine Hoffnung besteht, daß sie im herkömmlichen Sinn bibliothekarisch wieder benutzt werden können.

Massenentsäuerungssysteme, unter der Bedingung der Verfügbarkeit, können den gegenwärtigen Zustand der Archiv- und Bibliotheksmateria-ien konservieren. Damit wäre ein Aspekt der Erhaltung von Sammlungen

:u realisieren.

Die Übertragung von Informationen auf neue Trägermaterialien und formen wie Mikrofilm, Mikrofiche oder CD-ROM u.a. beinhaltet unter dem Gesichtspunkt der langzeitigen Verfügbarkeit der Informationen wie­derum eigene Gesetzmäßigkeiten mit erheblichen Konsequenzen. Allen Ubertragungsmöglichkeiten ist gemeinsam, daß sie das Vorhandene nie­mals vollständig in das neue Medium einbringen können. Die Übertra-gungs- und Wiedergabetechnik verändert sich durch das schnelle techni­sche Entwicklungstempo. Die Speichermaterialien unterliegen eigenen Alterungsprozessen. Diese Bedingungen lassen die Prognose zu, daß auf die Dauer die Substituierung der Informationen auf einem hohen finanziel­len Niveau praktiziert werden muß. Unter konservatorischen Gesichts­punkten stellen die neuen Informationsmedien Möglichkeiten dar, die zur drastischen Senkung der Benutzungsfrequenz von Originalen und damit zur Verlängerung ihrer Existenz beitragen können.

Zusammenfassend kann festgestellt werden, daß die rasche Umstellung der Papier- und Buchproduktion auf alterungsbeständige Materialien, Sy­steme der Massenentsäuerung und die Übertragung des Inhaltes nicht mehr benutzbarer Originale auf Mikroformen wirksame Elemente der Pre-servationspolitik darstellen. Mit jedem dieser Elemente können die Archive und Bibliotheken Probleme der Bestandserhaltung lösen - aber es gelingt damit noch nicht, die Gesamtheit der Notwendigkeiten zu beherrschen. Die Größenordnung des restauratorischen Bedarfes wird zunehmend von der Gesamtsituation der Archive und Bibliotheken bestimmt. Selbst bei perfektester Selektion der Bestände bleibt die Größenordnung der restauratorisch zu bearbeitenden Objekte für vorhandene, existierende Restaurierungskapazität in Zukunft unbeherrschbar. Diese Aussage wird von zwei unterschiedlichen Ursachenkomplexen bedingt.

Der erste Ursachenkomplex beinhaltet unzulängliche technische, materi­elle und personelle Bedingungen. Der zweite Ursachenkomplex beinhaltet Probleme der Einstellung zum Restaurieren, ästhetische Probleme, Pro­bleme der Ausprägung des Berufsbildes u. a.

3

Einleitung



Es ist heute möglich, für 'die Urkunde', für 'die Graphik' oder für 'das Buch' quantitativ und qualitativ hochwertige Restaurierungsergebnisse zu erarbeiten.

Mit der Zeit wurde es aber immer deutlicher, daß die wahren Probleme der Bestandserhaltung nicht in der Behandlung des Einzelobjektes liegen. Was tun mit den Millionen Blättern von Büchern und Zeitungen aus den wertvollsten Bestandteilen der Bibliotheken? Was tun mit den Kilometern Archivgut?

Die traditionellen Restaurierungsverfahren in ihrer manuellen Ausprä­gung, mit ihrer handwerklich-wissenschaftlichen Kleinarbeit und der dar­aus resultierenden Einschränkung können die anstehenden Fragen nicht beantworten.

Die Situation der Archive und Bibliotheken stellt für die Restauratoren eine nie gekannte Herausforderung dar. Ganz gleich, ob der Einzelne diese Herausforderung erkennt und sich ihr stellt - Konsequenzen für den ganzen Berufsstand kündigen sich an. Unter den Bedingungen der massen­haft notwendigen Restaurierungen gewinnen die mechanisierten Restaurie­rungsverfahren und alle mechanisierbaren Arbeitsschritte an Priorität. Naßbehandlungssysteme, Fehlstellenergänzungsapparate, Papierspaltma­schinen sind erste konkrete Vorstellung zur Rationalisierung der Papierre­staurierung. Diese Entwicklungen erfordern prinzipielle Veränderungen der Peripherie in den Restaurierungswerkstätten.

Der Ausstattungsgrad der mechanisierten Naßbehandlung, der Papier-anfaserung und der Papierspalrung ist mit hohem Kostenaufwand verbun­den. Kleine und mittelgroße Werkstätten sind aus personellen, räumlichen und finanziellen Gründen überfordert. Mit dem zunehmenden Einsatz von Gerätekomplexen im Umfeld der Papierrestaurierung müssen reale betriebswirtschaftliche Gesichtspunkte immer stärker berücksichtigt wer­den. Der einzelne Restaurator ist dieser komplizierten Aufgabenstellung nicht mehr gewachsen. Um so mehr stehen in den unterschiedlich ausgerü­steten Werkstätten Flexibilität, Kreativität, Arbeitsteilung und Spezialisie­rung entsprechend den Hauptschadenslagen zur Diskussion.

Die Tatsache, daß gegenwärtig die Materialien in Archiven und Biblio­theken schneller zerfallen, als sie mit dem derzeit angewandten Instrumen­tarium der Restauratoren erhalten werden können, ist unbestritten.

Wenn wir Archive oder Bibliotheken als Ganzes erhalten wollen, haben wir keine andere Wahl, als Maschinen anzuwenden, denn allen Buch- und

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Einleitung



Papierrestauratoren Europas würde es nicht gelingen, alle zerfallenen Bücher von nur einer Nationalbibliothek zu restaurieren.

Der Begriff 'Maschine' assoziiert den Begriff 'Industrie'. Restaurierungs­industrie - antagonistische Wortbildung oder künftige Entwicklungsstra­tegie?

Entwicklungsstrategie auf jeden Fall, wenn Restaurierung noch bezahl­bar sein soll. Nur die industrielle Bearbeitung hoher Stückzahlen führt zu ökonomischen Effekten. Spezialisierung und Arbeitsteilung garantieren die Einhaltung verbindlicher Qualitätsnormen. Chemikalien, Materialien und Hilfsmaterialien können in industrieller Dimension bedarfsgerecht und ko­stengünstig bezogen werden.

Im folgenden soll der Versuch unternommen werden, die angesproche­nen Problemebenen der Bestandserhaltung näher zu erläutern und den ak­tuellen Stand zu illustrieren. Es soll nachgewiesen werden, daß die Erhal­tung ganzer Archiv- und Bibliotheksbestände prinzipiell möglich ist. Die zur Verwirklichung dieser Zielstellung benötigte Strategie wird erläutert und zur Diskussion gestellt.

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Das Papier - ein historisch-technischer Abriß



Papier begegnet uns in vielfältigster Gestalt zu unterschiedlichstem Gebrauch. Wir kennen verschiedenste Papierarten mit speziellen, der jeweiligen Verwendung entsprechenden Eigenschaften. Dem Restaurator ist das Papier vertrautes Material, unterschiedlichen Produktionsverhält­nissen entstammend in mannigfaltiger Rohstoffzusammensetzung. Die hi­storisch signifikanten Produktionsverfahren im Verein mit typischen Roh-stoffzusammensetzungen bestimmen die äußeren Merkmale, physikalische und chemische Eigenschaften. Damit wird die Bedeutung eines komplexen Produktes menschlicher Tätigkeit deutlich.

Neben diesen Zusammenhängen ist die Gesamtheit der gesellschaftli­chen Entwicklungen und ihre Auswirkungen auf die Position des Papiers als Kulturträger von wesentlicher Bedeutung. Die Wechselwirkungen ge­sellschaftlicher und ökonomischer Umstände auf die Produktion und den Verbrauch von Papier führten immer zu Veränderungen der Qualität und Quantität des Produktes. Die vielfältigen Aspekte der Betrachtung dieses universellen Produktes Papier, die wesentlichen Entwicklungen seiner Pro­duktion und Verbreitung gehören zum Grundwissen des Restaurators.

Je besser er das konkret vorliegende Arbeitsobjekt Papier in seine histo­rischen und technischen Bezüge einzuordnen vermag, um so sicherer wird er die richtige Methode zur Erhaltung der Substanz und der ästhetischen Erscheinungsform finden. Eine Hauptfunktion des Papiers war und ist die des Schriftträgers. In dieser Funktion löste das Papier andere Beschreib-stofte ab, die bis zu seiner Erfindung und Verbreitung benutzt wurden. Das Bedürfnis und die Notwendigkeit, menschliche Äußerungen in Bild- oder Schriftform zu fixieren, entstand lange vor der Erfindung des Papiers. Höhlenzeichnungen, Stein- und Tontafeln, Knochen, Leder, Baumrinde und Palmblätter, die Wachstafeln der Griechen und Römer, Pergament und Papyrus u.a. waren als Beschreibstoffe in Gebrauch. Je nach dem Stand

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Das Papier - ein historisch-technischer Abriß

der kulturellen und ökonomischen, also der gesellschaftlichen Entwicklung der Menschen, wurden neue Ansprüche an die Beschreibstoffe gestellt. So entwickelte sich die Technik der Papierherstellung in einer historischen Situation, in der die bisherigen Beschreibstoffe der Gesamtheit der Anfor­derungen für Haltbarkeit, Formatbildung, Menge, Modifizierung der Eigenschaften und Preiswürdigkeit nicht mehr entsprechen konnten. Die Summe dieser Anforderungen führte zur Erfindung des Papiers, das auf­grund seiner Struktur und des billigen Rohstoffes die neuen Aufgaben der Entwicklung der menschlichen Gesellschaft lösen konnte.

Die Papiermacherei in Ostasien

Das früheste Zeugnis vom Papier als blattförmiges Gebilde aus vorher separierten Pflanzenfasern, die im Wasser angeschlämmt und im Produk­tionsprozeß verfilzt wurden, stammt aus dem China der späteren Han-Dynastie (25-220 unserer Zeit). Eine aus dem 5.Jahrhundert unserer Zeitrechnung stammende Geschichtsquelle informiert über die zur Herstel­lung des neuen Beschreibstoffes notwendigen Materialien und benennt Baumrinde, Hanfabfälle, Hadern und alte Fischernetze. In diesem Bericht wird eine Erfindung gewürdigt, die sich vermutlich über längere Zeiträume mit unterschiedlichen Rohstoffen und der allmählichen Herausbildung der Blattbildung entwickelt hat. Als Vorläufer des vegetabilischen Papiers wurde mindestens im 3.Jahrhundert v.u.Z. in China ein papierartiges Schreibmaterial aus Seidenabfällen hergestellt. Wahrscheinlich wurde die­ser Beschreibstoff durch das Eingießen der Faseraufschwernmung in eine gewebte Siebform und die Trocknung auf der Form gewonnen. Analoge primitive Formen der Papierherstellung haben sich in Tibet, Thailand, Burma und Nepal bis in die jüngste Zeit erhalten. Das Verdienst der Pa-pierrnacher aus der Zeit der späteren Han-Dynastie bestand in der Ein­führung von pflanzlichen Rohstoffen zur Papierherstellung.

Die frühen Herstellungsmethoden des Papiers mit Hilfe des gewebten Siebes und der Eingießtechnifc wurden durch die Einführung der Schöpf­methode und die Verwendung des flexiblen Bambussiebes vervollkommnet - eine Entwicklung, die bis zum 3. Jahrhundert unserer Zeitrechnung voll­zogen war.

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Papiermacherei in Ostasien



Abb. l Das bewegliche Bambussieb

Die rohe Bastfaser, gewonnen vor allem aus der Rinde des Papiermaulbeer­baumes und verschiedenen Hanfarten, war der hauptsächliche Rohstoff der alten chinesischen Papiermacherei. Diese Fasermasse erhielt Beimi­schungen von mechanisch zerkleinerten Lumpen. Untersuchungen von Papieren aus dem 5. bis 7. Jahrhundert zeigen neben mechanisch aufge­schlossenen Fasern bereits mazerierte (durch chemische Verfahren aufge­schlossene) Fasern, deren Gewinnung in den folgenden Jahrhunderten ver­vollkommnet wurde. Bemühungen, eine bessere Beschreibbarkeit des Papiers zu erzielen, sind ebenfalls den Chinesen zuzuschreiben. Die zunächst ungeleimten Papiere versuchte man durch Einreiben mit Gips oder trockener Stärke tintenfest zu machen (5. bis 7. Jahrhundert). Im 7. Jahrhundert ging man zur Leimung mit verkleisterter Stärke über, die dann später von den Arabern vervollkommnet wurde. Die traditionelle,

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Das Papier - ein historisch -technischer Abriß



rein handwerkliche Tätigkeit des Papiermachens, ein Prozeß ohne Arbeits­teilung, hat sich in den ländlichen Gebieten Chinas und Japans bis heute erhalten. Die Zweige der Faserpflanzen werden gebündelt in Wasser einge­weicht. Nach der Trennung der Rinde vom Holz werden die Bastfasern von der Rinde entfernt. Die Bastfasern werden in fließendem Wasser gerei­nigt und durch Kochen in Lauge in ihrem natürlichen Verband gelockert. Anschließendes Schlagen und Stampfen löst die Einzelfasern, die nun mit Wasser stark verdünnt den fertigen Faser- oder Papierbrei bilden. Mit dem Schöpfsieb, bestehend aus einer Matte von parallel angeordneten, unter­einander mit Seidenfäden verbundenen Bambusstäben, das in einen Rah­men eingelegt ist, wird das Papierblatt aus dem Papierbrei geschöpft und durch schüttelnde Bewegungen verfilzt. Nach dem Schöpfvorgang wird der Rahmen vorn Sieb getrennt und der Bogen durch Abrollen der Bambus-matte auf dem Stapel abgegautscht. Auf ihm liegen die fertigen, nassen Blät­ter ohne Zwischenlagen aufeinander. Nach dem Auspressen des Stapels mit einem Hebebaum werden die feuchten Blätter einzeln an beheizten Mauern oder glatten Unterlagen getrocknet. Diese noch heute übliche Her­stellungsweise läßt auf die alte ostasiatische Papiermacherei schließen. Die Kenntnis des Papiers und seine Herstellung verbrettete sich nur lang­sam. Sie gelangte im 6. oder 7. Jahrhundert vom Osten Chinas nach Korea und Japan. Hier wurden die Papiere ohne Lumpenzusatz produziert. Bekannte Pflanzenfasern, die auch heute noch zur Herstellung von Japan­papieren benutzt werden, heißen Kodzu (KOZO-Papiermaulbeerbaum), Gampi (Wikstroemia sikokiana), Taima (Hanf), Mitsumata (Edgeworthia papyrifera), Ezomatsu (Kiefernart auf Hokkaido}.

Die Papierherstellung im islamischen Weltreich

Im Westen Chinas dehnte sich das arabische Reich bis an die Grenzen Chinas aus. Im 7. Jahrhundert gehörte West-Turkestan mit dem Handels­zentrum Samarkand zur arabischen Einflußsphäre. Der Export chinesi­schen Papiers nach Westen wurde im 8.Jahrhundert durch die eigene Pro­duktion von Papier abgelöst. Unter der Herrschaft der Samaniden (874 -998} begann die Entwicklung eines einheitlichen islamischen Kulturberei­ches. Literatur und Wissenschaft erfuhren einen bedeutenden Aufschwung und machten die Einführung des neuen Beschreibstoffes Papier notwendig.

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Papierherstellung im islamischen Weltreich



Es ist wahrscheinlich, daß das Papier, und danach die Papierherstellung, zunächst über Persien in den vorderen Orient gelangte und schließlich im westlichen Teil des islamischen Reiches verbreitet wurde. Der Papierfund von el-Faijum und Uschmunein gibt Aufschluß darüber, daß in der Zeit von 796 bis 815 n. u. Z. Papier aus den östlichen Gegenden des islamischen Reiches in Ägypten verwender wurde. Neben dem neuen Beschreibstoff Papier behauptete sich noch lange Zeit der für Ägypten typische Beschreib­stoff Papyrus. Endgültig setzte sich Papier als beherrschender Beschreib­stoff im arabischen Reich im Verlauf des 10. Jahrhunderts durch. Die Verbreitung des Papiers in der islamischen Welt ging einher mit dem Auf­schwung des Geisteslebens und der Organisation des Staatswesens (Kanz­lei- und Verwaltungsaufgaben). Anfangs auf Samarkand beschränkt, wurde die Papierherstellung vom 10.-12. Jahrhundert im gesamten islami­schen Kulturkreis verbreitet. Geschichtsquellen berichten von der Papier­herstellung in Mesopotamien (Bagdad), Ägypten, Syrien (Damaskus), Spa­nien (Xativa) und anderen Orten.

Anhand mikroskopischer Untersuchungen wurde bewiesen, daß die ara­bischen Papiere ausschließlich aus textilen Abfällen (Lumpen, Hanftaue) bestehen. Die Eignung dieser Rohstoffe war schon den Chinesen bekannt. An diese Erfahrungen anknüpfend, vervolkommneten die Araber ihre Her-stellungsmethode, zumal die von den Chinesen benutzten Fasermaterialien in den Gebieten der arabischen Papiermacherei nicht verfügbar waren. Die Analyse der Uschmuneiner Papiere weist eine larigfasrige Struktur und Re­ste von Garnfäden aus. Daraus folgt, daß der Papierbrei durch Stampfen des Rohstoffes und nicht durch eine Mahlung gewonnen wurde. Die Sieb­form der arabischen Papiermacher bestand aus Samar-RohrschÜf. Ge-schichtsqueüen belegen, daß der Schöpfvorgang teilweise noch nach der alten ostasiatischen Technik des Eingießverfahrens (Aufbringen und Vertei­len des Faserbreies mit der Hand auf dem Schöpfsieb) durchgeführt wurde. Wahrscheinlich bestanden beide Methoden der Blattbildung - Schöpfen mit der Form und Aufbringung der Masse mit der Hand - nebeneinander. Die geringe Wasserdurchlässigkeit der Schilfsiebe machte eine Pause zwi­schen Schöpfvorgang und Abgautschen notwendig. Nach dem Trocknen der Blätter erfolgt das Bestreichen mit verkleisterter Weizenstärke. Neben dieser Srärkeleimung wurde unverkleisterte Stärke als Füllstoff zur Verbes­serung der Weiße, zur Beschwerung und zur Glättung der Oberfläche be­nutzt.

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Das Papier - ein historisch-technischer Abriß



Die Papierherstellung im islamischen Kulturbereich ist gekennzeichnet durch die Verbesserung der Herstellungsmethoden z.B. in der Zubereitung des Rohstoffes und der Ausrüstung des Papiers. Die Produktionsinstru­mente bleiben irn wesentlichen die gleichen wie in China. Die Produktions­verhältnisse scheinen sich von der Form des Heimgewerbes in China zum Handwerksbetrieb der einfachen Warenproduktion im arabischen Reich entwickelt zu haben.

Die Qualität und Lebensdauer der arabischen Papiere dieser Zeit war offensichtlich beschränkt. Kaiser Friedrich II. verbietet 1231 in seinen Constitutiones Regni Siciliae den Gebrauch des Papiers für Notariatsur­kunden. Schon vorher wurden Urkunden auf Papier durch Anordnung normannischer Könige auf Pergament übertragen, weil die Originale vom Verderb bedroht waren. Die Anfälligkeit der arabischen Papiere gegenüber den Umweltfaktoren und der schnelle Verschleiß haben ihre Ursache in der Stärkeleimung, die unter den gegebenen klimatischen Bedingungen für Mi­kroben und Insekten eine ideale Nahrungsquelle darstellte. Das mehr oder weniger subtropische Klima der Mitteimeerländer stellte die Verwalter von Bibliotheken und Sammlungen vor erhebliche Probleme. Die Abwehr zer­störender Insekten und Mikroben war mangels wirksamer Methoden oft nur unvollkommen möglich. Auch die Beschwörung des Geistes Kabi-kedsch - man findet in arabischen Handschriften oft ganze Seiten mit der­artigen Gebeten - gegen die Zerstörer strafweise vorzugehen, waren ver­geblich.

Die Einführung der Papierherstellung in Europa

Die Erweiterung des islamischen Reiches durch die Eroberung Südspaniens im 8. und Siziliens im 9. Jahrhundert brachte das Papier nach Europa. Die Technik der Papierherstellung in Spanien und später auch in einzelnen Or­ten in Italien entsprach noch der arabischen Herstellungsweise. Nach der Vertreibung der Mauren gegen Mitte des 13. Jahrhunderts verliert die spa­nische Papiermacherei an Bedeutung, und der Bedarf wird immer mehr durch italienisches Papier gedeckt. Zentrum der für die Verbreitung in Eu­ropa wesentlichen Papierherstellung wurde Fabriano in Norditalien, wo die Papiermacherei in der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts heimisch wurde. Hier wurden die wesentlichen Verbesserungen der Herstellung und

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