3. Das Problem der Selbständigkeit des [ə] Lautes.
Der Murmellaut [ə] wird gewöhnlich in der Phonologie als akzentuell bedingte kombinatorische Variante des [ɛ]83 oder des [e: ] und [ɛ]84 (Luther — lutherisch, leben—lebendig) betrachtet und bleibt deshalb als unbestimmter Vokal außerhalb der Teilsysteme85. Er tritt nur im unbetonten Wort- oder Silbenauslaut auf: gehe, gefalle, in dem gedeckten Auslaut (lernen, neuen, Fliegern, Sängern) und in den Vorsilben be- und ge-.
Eine andere Ansicht vertritt Adamus86, der anhand der linguistischen Analyse [ə] als selbständiges Phonem neben [ɛ] betrachtet (streitende—Streitende, flockende—Flockende), obwohl es sich hier um verschiedene phonetische Positionen (betont—unbetont) handelt, außerdem tritt das [ə] in eine distinktive Minimalopposition zu dem vokalisierten [r] in solchen Wortpaaren: leere—Lehrer, fliege—Flieger. Dabei wird das letzte als Variante des [œ] bestimmt. Wir sind geneigt, die letzte Meinung über die phonologische Selbständigkeit des [ə] anzunehmen, [ə] steht näher dem [œ] als den übrigen Vokalen und hat mit ihm gemeinsame Merkmale: sie sind kurze Vokale der mittleren Zungenhebung; unterscheidende Merkmale: Oualität, Zungenreihe und Lippenstellung.
4. Das Problem der phonologischen Selbständigkeit des [e:] und [ɛ:].
Manche Sprachforscher behaupten, daß sich [ɛ:] nicht überall als Gegensatz zu [e: ] durchgesetzt hat und deshalb im Phonemsystem nicht berücksichtigt werden soll.87
Die Mehrzahl der Germanisten ist geneigt, das [ɛ:] als selbständiges Phonem zu betrachten.88 Dabei gehen sie vom Existieren der Minimalopposition in solchen Wortpaaren wie stehlen—stählen, Ehre— Ähre, Beeren—Bären usw. aus.
Als distinktives Merkmal dient dabei nur die Qualität dieser Vokale. Das [e:] ist geschlossen, das [ɛ:] offen, und sie bilden miteinander eine privative Opposition.
5. Das Problem der phonologischen Selbständigkeit der Laute fremder Herkunft.
Die Erkenntnis des gesamten Phoneminventars einer Sprache ist davon abhängig, ob man in die Untersuchung Fremdwörter mit einbezieht oder nicht.89 Wenn man den phonologischen Status der in Fremdwörtern erscheinenden Laute behandelt, so wird die Anzahl der Phoneme vergrößert. Dabei spricht man von zentralen und peripheren Lautsystemen.90 Gewöhnlich bleibt die Untersuchung von Fremdwörtern im Deutschen außerhalb einer phonologischen Analyse, man geht von der Annahme aus, daß die Fremdlaute durch ähnliche einheimische Phoneme (oder ihre Varianten) ersetzt werden.91 Wenn der Fremdlaut in eine Minimalopposition zu den nächstverwandten einheimischen Segmentalklassen tritt, so könnte man von einem Fremdphonem sprechen.
Das ist u. E. nicht der Fall im Deutschen. Es gibt keine Minimaloppositionen zwischen
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den nasalierten französischen [ɛ:], [oe], [ɔ:], [a] Lauten und den entsprechenden deutschen Vokalen [ɛ:], [ø:], [o:], [a:]. Sie werden laut einer gemäßigten Eindeutschung durch die obenerwähnten deutschen Vokale oder durch [ŋ] und Lautverbindungen [ɔŋ], [aŋ], [ɛŋ] ersetzt.
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