(2) Hüllentext der LP ”Cluster” der Osnabrücker Rockband Trikolon
Die Gruppe Trikolon existierte etwa von 1967 bis 1971. Die vorliegende Schall-platte ist die einzige Produktion der Combo. Die dazu erforderlichen Aufnahmen wurden im Januar 1969 während eines öffentlichen Auftrittes der Gruppe im Osnabrücker ”Haus der Jugend” mit einem Stereotonbandgerät gemacht. Produktion und ”Vermarktung” der Schallplatte erfolgten in der Eigenregie des Ensembles.
Trikolon bestand seinerzeit aus :
Side-man - Orgel, Piano, Trompete, Gesang
R.R. - Bass-Gitarre
Spaß - Schlagzeug
Es sind insgesamt vier Stücke auf der LP enthalten mit einer Dauer von jeweils 7.22 bis 14.31, bei zweien handelt es sich um Eigenkompositionen des Organisten, eines der anderen beiden Stücke basiert auf einer Mozart-Adaption (das ”Vorbild” dazu dürfte die englische Rockband ”The Nice” geliefert haben).
Side-man gründete nach der Auflösung von Trikolon unter dem Namen Tetragon ein neues Esemble, mit dem er sich während des etwa dreijährigen Bestehens dieser Gruppe ebenfalls Lokalmatadorenrang erspielte und unter dem Titel ”Nature” eine weitere selbstproduzierte LP vorlegte. Etwa um die Mitte der 1970-er Jahre - nach dem Split dieses Ensembles - fasste er den Entschluss, sich beruflich nur noch seiner Musik zu widmen (nach Auskünften aus unterschiedlichen Quellen soll ihm das deswegen möglich gewesen sein, weil er über Einkünfte aus einem relativ ansehnlichen Erbe verfügen konnte).
Ende der 1970-er Jahre wurde Side-man Keyboarder im Ensemble eines bekannten deutschen Jazz-Saxophonisten, mit der zusammen er mehrere LP´s einspielte und ausgedehnte Tourneen rund um die Welt unternahm. Mittlerweile ist Side-man bereits seit mehreren Jahren Mitglied der Band eines Deutschrock-Stars und lebt bei Hamburg.
R.R. wirkte nach der Auflösung von Trikolon ebenfalls noch eine Weile bei Tetragon mit, bis er durch einen anderen, nach Meinung von R.R.´s derzeitigen Combo-Kollegen angeblich kompetenteren Bassisten abgelöst wurde. Mitte der 1970-er Jahre übersiedelte er nach Berlin, wo er ein Politologie-Studium absolvierte. Das Bass-Gitarre-spielen hatte R.R. schon vor seiner Übersiedlung weitestgehend aufgegeben und sich stattdessen dem Gitarre- spielen in der sog. ”Fingerpicking”-Technik gewidmet. Mittlerweile betreibt er eine private Musikschule und ist Mitglied einer Berliner ”Country & Western”-Band.
Spaß ist inzwischen Juniorchef eines Familienunternehmens und Großvater. Seine musikalischen Interessen hat er nicht aufgegeben. Er spielt nach wie vor Schlagzeug in mehreren Rock- bzw. Rock-Jazz-Formationen und bewegt sich dabei auf musikalisch durchaus ambitioniertem Niveau.
Hüllentext :
Cluster - das ist der Zwang, Musik selbst zu veröffentlichen, weil Deutschlands Plattenbosse noch immer nur Kitsch sehen, wenn es um Verträge geht, weil Musik zum Hören in bezug auf Diskotheken und Beatschuppen nicht verlangt wird. Aber wir alle wissen, dass das Populäre nicht das Beste ist, da wir an die anspruchsvolle Musik der Großväter Keith Emerson und Brian Auger glauben, entstand ”Cluster”.
Cluster - das ist der Versuch, Musik zu veröffentlichen, die Emotionen erweckt, ohne sensibel zu sein, die zum Hören anregt und nicht zum Bewegen. Musik, die sich in scheinbar endlosen Improvisationen verliert, ohne jemals den großen Bogen abbrechen zu lassen. Das ist die treibende Kraft beim ”Rondo”, verspielte Experimente wie ”Hendriks easy groove”: `progressive music at its best´, ein persönlicher Triumph von Trikolon.
Der Text wurde von einem Freund der Combo verfasst, der auf der Schallplattenhülle namentlich nicht genannt wird. Die von der Trikolon-Nachfolgeforma-tion Tetragon selbst produzierte LP ”Nature” wurde inzwischen auf einem französischen Liebhaber-Label als CD neu veröffentlicht.
Das Angebot, auch das Werk ”Cluster” auf diesem Label zu veröffentlichen, soll Side-man angeblich abgelehnt haben. Allerdings erscheint demnächst doch eine CD-Fassung der Platte auf einem Bochumer Liebhaber-Label für ”progessive” deutsche Rockmusik aus den 1970-er Jahren.
Anhang/Bildmaterial
Abb. 1)
Dieses Photo zeigt eine der ersten Beat-Formationen, in denen Spaß um die Mitte der 1960-er Jahre mitgewirkt hatte. Wahrscheinlich startete das Ensemble seine popularmusikalischen Aktivitäten in dem von Spaß beschriebenen selbst-initiierten Jugend-Club, der sich seinerzeit angeblich im Osnabrücker Hafengebiet befand.
Abb. 2)
Wenn massenmedial verbreitete Beat-Musik in den 1960-er Jahren sich unter Jugendlichen allgemein großer Beliebtheit erfreute, so galt dies auch für Live-Auftritte lokaler Beatgruppen, die im Osnabrücker Raum vorzugsweise zu Jugendtanz-Veranstaltungen, in Diskotheken und mitunter zum Tanz für die Angehörigen der englischen Garnison aufspielten, wie den Ausführungen von Beat und Spaß entnommen werden kann.
An der auf diesem Photo im Bühnenhintergrund sichtbaren Banderolenaufschrift ist zu erkennen, dass damals auch eher ”konservativ” gefärbte Jugendorganisationen gelegentlich ihren Mitgliedern und/oder Gästen entsprechende Beat-musikalische Unterhaltungsangebote offerierten.
Abb. 3)
Dieses Photo wurde während einer etwa 1970 im Osnabrücker ”Haus der Jugend” durchgeführten Veranstaltung aufgenommen. Zu diesem Anlas spielte eine Osnabrücker Lokalmatadoren-Combo, zu der damals auch Spaß (im Vordergrund am Schlagzeug) gehörte, zusammen mit einem örtlichen Jugend-Kammer-orchester eigene Kompositionen aus dem Genre der ”progressive Rockmusik”. Das Muster, nach dem eine Rockgruppe gemeinsam mit einem klassischen Orchester musizierte, war seinerzeit von einigen Protagonisten der ”progressi-ven Rockmusik” bereits oft und erfolgreich vorgeführt worden. Entsprechenden Projekten haftete nicht selten das ”Odium des Anspruchsvollen” bzw. der Bereitschaft zum Experiment an.
Bemerkenswert ist, dass das überaus zahlreich erschienene jugendliche Publikum der Darbietung wie einer Aufführung klassischer Musik beiwohnt : aufmerksam zuhörend, in der Mehrzahl sitzend und nicht tanzend - wie vormals das Publikum der Beat-Musik-Veranstaltungen.
Abb. 4)
Beliebt waren in den 1970-er Jahren auch im Osnabrücker Raum ”Open-Air”- bzw. ”Free”-Konzerte, denen, weil nicht selten in einem mehr oder weniger privaten Rahmen durchgeführt, auf einem Grundstück oder einer Wiese im ländlichen Umkreis der Stadt, mitunter ein eher etwas ”provisorischer”, ”improvisier-ter” Charakter anhaften konnte. Die Abbildung zeigt den Bühnenaufbau für eine von ihrer Durchführung her schon eher als recht ”professionell” zu bezeichnende ”Open-Air”-Veranstaltung, die im Sommer 1970 in einem Areal stattfand, auf dem später die Mensa der Universität Osnabrück errichtet wurde und welches damals noch zum Osnabrücker Schloßpark gehört hatte.
Anlässlich dieses Konzertereignisses, das in den frühen Nachmittagsstunden eines Samstages begann und bis in die späte Nacht andauerte, traten ausschließlich Musikgruppen aus Osnabrück und benachbarten norddeutschen Städten auf, die dem ”progressiven” Genre zuzurechnen waren.
Abb. 5)
Ende der 1960-er/Anfang der 1970-er Jahre hatte Spaß in einer Osnabrücker Combo mitgewirkt, die sich mit ihrer ”progressiven Rockmusik” eine Art Lokalmatadoren-Rang erspielen konnte. Während Spaß zu dieser Zeit bereits berufstätig war, besuchten seine beiden Mitspieler zunächst noch städtische Gymnasien.
D ieses Photo zeigt einen anderen Mitwirkenden der Formation, der eine ”Hammond”-Orgel bedient, ein Instrument, das damals von vielen Ensembles des ”progressiven” Genres benutzt wurde. Der Anschaffungswert eines solchen neuwertigen elektronischen Klangerzeugers rangierte seinerzeit im unteren fünfstelligen DM-Bereich. Auch gebrauchte Instrumente dieser Marke waren nicht wesentlich billiger. Es kann angenommen werden, dass eine solche Summe in den 1970-er Jahren von einem Schüler nur in den seltensten Fällen hätte aufgebracht werden können. Bei dem Mitspieler von Spaß, der auf dem Photo abgebildet ist, dürfte die gute finanzielle Situierung seines Elternhauses die nötige Hilfestellung geliefert haben - zumindest führt Spaß es so aus.
Abb. 6)
Dieses Photo wurde Mitte der 1970-er Jahre von einer Osnabrücker Tanz-/”Top 40”-Kapelle für Werbezwecke aufgenommen. Der Erste von links in dieser ”Herrenriege” ist Spaß. Sein Nebenmann, ein Gitarrist, war seinerzeit Student am Osnabrücker Konservatorium, betätigte sich eine Zeitlang mit professionellen Absichten in der derzeitigen ”progressiven” Osnabrücker Popularmusik-”Szene” und gehörte somit zumindest zeitweilig ebenfalls zu dem in dieser Arbeit interessierenden Personenkreis. Zu Beginn der 1980-er Jahre verließ er jedoch die Stadt, um an der Essener ”Folkwang-Schule” die künstlerische Reifeprüfung auf der klassischen Gitarre abzulegen.
Wer von den Abgebildeten seinerzeit über die aus der Tanzmusikertätigkeit entstehenden Einkünfte größere Ausgaben hatte bestreiten können, ist nicht bekannt. Zumindest soll einer der anderen vier Herren damals bezüglich der Anschaffung der Uniformen (gemeint sind die als Garderobe für die Auftritte der Combo gedachten roten Anzüge) argumentiert haben, er würde solch ein Kleidungsstück auch gern ”privat” tragen.
Abb. 7)
Diese - leider undatierte - Kritik, die seinerzeit in der lokalen Tageszeitung NOZ abgedruckt wurde, nimmt Bezug auf ein wahrscheinlich Ende 1970 oder zu Beginn 1971 in der Osnabrücker ”Halle Gartlage” durchgeführtes Großereignis mit ”progressiver Rockmusik”. Als Veranstalter dieses und anderer ähnlicher ”Events” firmierte seinerzeit der Osnabrücker ”Kulturring der Jugend”, ein Zusammenschluss aus Schülern, Studenten und Angehörigen lokaler politischer Jugendgruppen bzw. -organisationen vorzugsweise des ”linken Spektrums”.
In dem Artikel wird auf den Versuch einer bislang dem lokalen Tanzmusiklager angehörenden Formation eingegangen, sich als Interpreten ”progressiver Rockmusik” zu präsentieren, der vom Publikum mit Missfallenskundgebungen quittiert wurde.
Am Tenor der Kritik, die der Artikelschreiber zumindest gegenüber dieser einen bei der besagten Veranstaltung auftretenden Gruppe äußert, fällt auf, dass das ”Nachspielen” fremder Kompositionen deutlich negativ bewertet wird, wohingegen die ”kreativen Eigenleistungen” anderer Ensembles bezüglich der Interpretation fremden Materials oder selbst erstellter Kompositionen positiv hervorgehoben werden.
Auch liefert der Autor einen kleinen Stimmungsbericht, in welchem er auf den Drogenkonsum der jugendlichen Konzertbesucher abhebt und worin auch ein gewisses derzeit aktuelles ”Element” Popularmusik-bezogener ”Ideologie” aufscheint - ”ein poppiges Poster, mit dem auf Pop und Konsum, Pop und Revolution hingewiesen wird ...”
Abb. 7)
Abb. 8)
Die ”Christmas on the Rock´s”-Konzerte fanden in den Jahren 1979-83 jeweils am zweiten Weihnachtsfeiertag in der Osnabrücker ”Halle Gartlage” statt. Nachdem die erste dieser Veranstaltungen 1979 von den beteiligten Musikern in Eigenregie durchgeführt worden war, gab es für die Konzerte der Jahre 1980 und 1981 erhebliche ideelle und finanzielle Unterstützung seitens der Osnabrücker Kulturbehörde und einer ortsansässigen Brauerei. Ursprünglich hatten im Herbst 1979 ”kommerzielle” Veranstalter für einen anderen Termin ein vergleichbares ”Event” geplant, waren dann aber wegen des zu hohen Risikos kurzfristig abgesprungen.
Anfang 1981 hatten Musiker aus dem lokalen Popularbereich - zunächst unter dem Motto ”Rock gegen Rechts” - dann auch eine Art Selbsthilfezusammen-schluß initiiert, der später unter der Bezeichnung ”Initiative Osnabrücker Rock-musiker” firmierte.
Da die besagte Brauerei die 1981-er ”Christmas on the Rock´s”-Veranstaltung mit einem fünfstelligen Betrag bezuschusst hatte, war es den Ausrichtern nicht nur möglich gewesen, für das Ereignis zwei Konzerttage anzuberaumen. Es konnten darüber hinaus auch Informationsmaterialien zur Situation der lokalen Popularmusik-”Szene” erstellt werden, z.B. die Broschüre, deren Deckblatt die Abbildung zeigt.
Bis auf zwei Ausnahmen traten bei den ”Christmas on the Rock´s”-Konzerten ausschließlich Ensembles aus dem sich um ”kreative Eigenständigkeit” bemühenden Teil der Osnabrücker Popularmusik-”Szene” auf. Die Präsentation dieses ”Szene”-Teiles hatte nicht zuletzt auch zu der Intention der Veranstaltung gehört.
Nachdem 1983 der Publikumszuspruch derart ausgefallen war, dass den auftretenden Akteuren die zugesagten Gagen nicht ausbezahlt werden konnten, wurden die ”Christmas on the Rock´s”-Konzerte zunächst eingestellt. ”Wiederbele-bungen” in den folgenden Jahren an anderen Veranstaltungsorten der Stadt erwiesen sich als Misserfolge.
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