Gedächtnisprotokolle von ”Telefon-Interviews”:
(15) Gedächtnisprotokoll des Interviews mit Bassistin, durchgeführt von Andreas Wilczek am 1.9.1985
Erste Phase
Bassistin spielt Bassgitarre in der Band Funk-rock. Mit 10 bis 12 Jahren hört Bassistin zunächst Hitparadenmusik. Sie mag die ”tollen” Sänger mit ihren Lebens- und Liebesgeschichten, z.B. ”Rex Gildo” in dem Titel ”Mexiko”.
Bassistins Vater, damals 40 Jahre alt, ist sehr musikbegeistert. Zum einen ist er ein Allround-Hörer - er hört Klassik, Pop, Jazz - zum anderen ist er hoch musikalisch. Wie Bassistin sagt, habe er sich autodidaktisch Orgel- und Klavier- spielen beigebracht, jedoch spielt er Schlager und populäre Weihnachtslieder, keine klassische Musik.
So hört Bassistin mit acht Jahren über ihren Vater ”Whole Lotta Love” von ”Led Zeppelin”. Sie singt das Stück nach und macht die ”Hook-Line” zu ”Bolle, Bolle Boston”. ”Rex Gildo” kam über die Freundinnen in ihr Leben. Bassistin und ihre Freundinnen hatten alle einen Kassettenrecorder und nahmen Hitparaden-Pop auf.
An Schlagertexten (es gab Texthefte) war man besonders interessiert. Bassistin sagt, das sei für sie während der Phase des ersten Schminkens gewesen, der ersten Versuche, Jungs anzumachen, heimlich Alkohol zu trinken und Zigaretten zu rauchen. Bassistin hängt sich Poster ihrer Lieblingsstars an die Zimmerwände. Die deutschen Schlagerstars werden ihr irgendwann zu langweilig. Es tauchen neue Heroen auf, z.B. die ”Teenie-Rock”-Band ”The Sweet”.
Bassistins großer Bruder hat mittlerweile einen eigenen Plattenspieler, den er sich mehr oder weniger selbst aus alten Jugendheim-Bestandteilen zusammengebaut hat. Der Bruder hört ”progressiven Rock” : ”Deep Purple”, ”Led Zeppe-lin”, aber auch die ”Bee Gee´s” und ”Slade”, tendiert jedoch insgesamt mehr zum ”progressiven Rock”.
Diese Musik wird aber auch bei ganz normalen Familienfesten gespielt. Natürlich zu Hause und im Bekanntenkreis, dafür sorgt schon der große Bruder. Er setzt das irgendwie durch, so stellt es zumindest Bassistin dar. Bassistin akzeptiert diese Musik, zumindest die ”progressive Rockmusik”, nicht, findet aber nach und nach Gefallen daran – man kann sogar sagen : Sie ”lernt” es, an der Musik gefallen zu haben. Sie nimmt sich viele Platten ihres großen Bruders auf Kassette auf und hört die Musik viel zu Hause, wenn sie mit Freundinnen was macht, wie sie sagt. Bassistin darf wenig ausgehen, z.B. in Discos, weil ihre Eltern das nicht wollen. Der große Bruder hatte sich in diesem Zusammenhang mittlerweile etliche Probleme mit Drogen und Alkohol eingehandelt.
Mit 12 Jahren bekommt Bassistin an einer Musikschule Unterricht auf dem Klavier. Zunächst erstreckt sich der Unterricht nur auf das Instrumentalspiel, später kommt aber auch Theorie dazu. Alles jedoch mit Unterbrechungen. Bassistin wollte diesen Unterricht selbst - ihre Eltern waren zunächst nicht dafür -, weil sie Schulfreundinnen hat, die auch Klavier spielen. Bassistin findet das toll, egal, mit welcher Musik sie es zu tun haben wird oder ob sie danach klassische Musik lernen muss.
Bassistin übt zunächst regelmäßig aus anfänglichem Spaß und Interesse, dann jedoch unter dem Zwang der Eltern, weil der Musikunterricht Geld kostet. Bassistin verliert allmählich die Lust, regelmäßig zu üben. Noten lesen und nach Noten zu spielen macht ihr immer mehr Schwierigkeiten. Sie sagt, das sei ungefähr zu dem Zeitpunkt gewesen, als sie in die Pubertät kam.
Mit 14 Jahren beginnt Bassistin parallel zum Klavierspielen, sich das Gitarrespielen beizubringen. Bassistin kommt zur Gitarre, weil ihr kleiner Bruder eine Gitarre bekommen habe und das Instrument, wie Bassistin sagt, zunächst immer im Haus herumgestanden habe. Bassistins kleiner Bruder habe von den Eltern eine Gitarre bekommen, weil die Vettern auch eine bekommen hatten. Er solle, so fanden die Eltern, auch ein Instrument lernen, und das gleich richtig.
Bassistins Interesse an der Gitarre kommt daher : Das Instrument ist einfach da. Ihr kleiner Bruder kann, mehr schlecht als recht, zwei Griffe darauf spielen : ”C” und ”G7”, die er Bassistin zeigt. Eine andere Freundin, die auch Gitarre spielt, ebenfalls mehr schlecht als recht, kann schon vier Griffe auf dem Instrument spielen. Auch diese lässt Bassistin sich zeigen. Somit kann sie ihr erstes Popstück spielen : ”Blowing in the wind”. Nach zwei Tagen Üben kann sie dieses Stück spielen und sogar singen. Das gefällt Bassistin.
Bassistin stellt fest, dass sie sich von einigen Popstücken, die sie aus dem Radio hört, relativ schnell die Akkordbegleitungen ”herausfummeln” kann, durch Hören und Ausprobieren. So findet Bassistin mit der Zeit viele Popstars ziemlich blöd, weil sie herausbekommt, was für eine banale Musik das sei.
In der Zwischenzeit hat Bassistin von den Eltern eine eigene Gitarre bekommen, dazu eine Anmeldung zum klassischen Gitarrenkurs, den das Musikgeschäft anbietet und durchführt, wo die Gitarre gekauft wurde. Bassistin ”steht” auf ihren Gitarrenlehrer, der auch Rock-, Pop- und Jazz-Stücke spielt. N.N. heißt er und ist mittlerweile ”Profi”. N.N. bringt Bassistin die klassische Haltung bei, aber auch das Notenspiel näher. Bassistin hört jetzt auch selektiver. Zum Tanzen und vom Gefühl her mag sie Jazz-Rock. Der sonstige Pop wurde ihr zu langweilig, zu einfach. Jazz-Rock habe sie aber trotzdem nie ganz nachvollziehen können, wie sie sagt. Auf der Gitarre macht Bassistin mittlerweile mehr ”Fingerpicking”-Stücke. Angeregt wurde das durch eine Freundin, die einen Kurs für diese Gitarrentechnik besucht. Bassistin spielt Ragtimestücke, z.B. von ”Scott Joplin”, verändert diese Stücke so, dass sie sie leichter spielen kann und entwickelt auch eigene einfache Stücke.
Ferner hört sie schon mal lieber solche Musik, wo etwas vorkommt, was sie selber auf der Gitarre spielen kann oder wo sie meint, dass sie da etwas ”herauskriegen” könne. Die Voraussetzung für Bassistin ist jedoch, dass die Musik ihr insgesamt gefallen muss. Sie hört und sucht auch manchmal bei Freunden nach solcher Musik, die sie musikalisch interessant findet. Jazz-Rock z.B. ist so eine Musik, die Bassistin interessant findet und die ihr gefällt. Bassistins Freund spielt in einer Rockband. Selbständig durch Probieren findet Bassistin pentatonische Skalen heraus, die wichtig sind in der Rockmusik und eine große Rolle spielen in der Rock-Improvisation. Durch ihren Freund wird Bassistin bestätigt, dass sie die richtigen Sachen herausgefunden habe. Dadurch erschließen sich Bassistin aber wieder verschiedene andere Stücke, die sie nun besser begreift, Rockstücke z.B., in denen solche pentatonische Skalen sehr deutlich zum Einsatz kommen, etwa das Stück ”Smoke on the Water” von ”Deep Purple”.
Bassistin probiert auch in dieser Phase viel aus. ”Dudelt” auf ihrem Instrument herum, kommt dabei auf viele Sachen, die ihr gefallen und die sie sich merkt oder die sie vorher schon mal irgendwo gehört zu haben meint. Bassistin übt nicht systematisch. Einige Sachen werden ihr gezeigt, das meiste entsteht durch ”Herumprobieren” auf dem Instrument, aber auch durch andere Zufälle. Wenn sie ein Stück spielt und sich z.B. vergreift, kommt ihr durch den Fehler schon mal die eine oder andere Idee, die ihr die Konservierung wert sei.
Zwar spielt Bassistin auch Stücke nach, jedoch verändert sie sie dadurch, dass sie Ideen einbaut, die sie vorher beim ”Herumprobieren” herausgefunden hat. Bassistin spielt fremde Stücke nach, weil sie sie mag, weil sie gern singt und sich dazu selber gern auf der Gitarre begleitet.
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