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erste zentralasiatische Reise sollte nach seinen Plänen in Indien enden, was aber nicht
passierte. Auch die zweite, auf ein Seidenraupengeschäft
zielende Reise im Jahre
1869 durch Taschkent, Samarkand und Buchara endete mit einem Misserfolg. Neben
dem geschäftlichen Interesse war sein Augenmerk immer auf die Sammlung von
orientalischen Raritäten gerichtet, sodass seine dritte Reise für ihn sehr bereichernd
war: Es wurden ihm Audienzen von Emir von Buchara, dem Khan von Khiva und dem
Schah von Persien gewährt, wodurch sein orientalischer Schatz noch größer wurde.
26
Als Ergebnis entstand ein authentischer Reisebericht, der im Jahr 1888 unter dem Titel
„Durch Central-Asien. Die Kirgisensteppe. Russisch-Turkestan-Bochara-Chiwa. Das
Turkmenenland und Persien“ publiziert wurde.
Im Vorwort seines Buches beschreibt Moser diese Publikation scherzhaft als
„Unglück“:
„
Wenn mir jemand früher gesagt hätte, dass ich ein Buch schreiben würde, so würde
ich über eine solche Zumuthung nur gelacht haben. Ich erzähle, wie das Unglück
dennoch kam.
“
(Moser 1888, S. VII)
Die Briefe, die er während seiner Wanderungen schrieb und die in verschiedenen
Zeitungen veröffentlicht wurden, weckten großes Interesse bei den Lesern. Nach
seiner Heimkehr brachte Moser mit der Initiative eines Verlegers diese Briefe in Form
eines Buches heraus und ließ im Frühsommer 1884 unter dem Titel „A travers l'Asie
centrale. Impressions de voyage“ sein erstes Hauptwerk über
Zentralasien in
französischer Sprache folgen, das 1885 in Paris und 1888 in deutscher Übersetzung
in Leipzig erschien
27
. Moser hatte das Ziel, Sitten und Gebräuche der
zentralasiatischen Völker möglichst authentisch zu beschreiben:
„
Bei der Veröffentlichung meiner Reiseeindrücke stellte ich mir einfach die Aufgabe,
das zu sagen, was ich selbst erfahren habe. Das einzige Verdienst, welches ich in
Anspruch nehmen könnte, besteht darin, dass ich weder meine Augen, noch meine
Ohren in der Tasche mit mir herumtrug.
“
(Moser 1888, S. VIII)
26
Die Sammlung in Bern gehört zu den weltweit größten privaten Sammlungen über den Orient. Sie umfasst ca. 4000 Objekte,
bestehend aus Prunkwaffen und Rüstungen,
Textilien, Manuskripten, Miniaturen, Keramik, Münzen und kunstgewerblichen
Gegenständen. Sie wird heutzutage im Bernischen Historischen Museum (BHM) aufbewahrt (vgl. Balsiger 1997, S. 183-184).
27
Vgl.
Pfaff,
Robert
(o.J.):
Henri
Moser.
Aus:
http://www.stadtarchiv-
schaffhausen.ch/fileadmin/Redaktoren/Dokumente/Moser_Henri.pdf (Letzter Zugriff: 10.06.2017).
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Sein Objektivitätsanspruch, den er in oben angeführtem Zitat erhebt, scheitert jedoch,
denn seine kolonialistische Haltung gegenüber
Sarten
(siehe dazu 4.1.1)
,
d.h. den
Einheimischen
in Turkestan, fällt eindeutig ins Auge. Er betont gelegentlich, oft mit
Ironie, wie weit entfernt die Sarten von der Zivilisation seien (vgl. ebd.: S. 66, 67, 96,
98, 128). Die Einwohner Turkestans ernten von ihm hauptsächlich pejorative
Ausdrücke (siehe dazu 4.1 und 4.2).
In den Jahren 1888/89 ging er zusammen mit seiner Frau
auf die vierte und letzte
Reise nach Zentralasien. In Zusammenarbeit mit dem russischen General Michel
Annenkoff, dem Erbauer der transkaspischen Bahn, wollten sie die Gebiete von
Karakal durch große Bewässerungsanlagen kultivieren. Doch dieses Vorhaben wurde
von russischer Seite nicht genehmigt. Als Ergebnis seiner Beschäftigung
mit dem
Problem der Bewässerung erschien 1894 in Paris Mosers zweites Hauptwerk „L’
irrigation en Asie centrale“. Ziel dieser Publikation war es, das Interesse Europas an
guten wirtschaftlichen Möglichkeiten in den zentralasiatischen Gebieten zu wecken
(vgl. Pfaff 1969, S. 212-222).
Henri Moser verstarb am 15. Juli 1923 nach einer Erkrankung in Vevey.
Da Moser ein Augenzeuge der Änderungen und Entwicklungen durch seine
wiederholten Reisen (zwischen seiner ersten und letzten Reise liegen gute 20 Jahre)
in das damalige Russisch-Turkestan war, ist sein Reisebericht
als authentisches
Beispiel der Fremdwahrnehmung für die vorliegende Untersuchung von großer
Bedeutung.
Do'stlaringiz bilan baham: