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Schriftstellerverbänden der jeweiligen Länder zu einer
Rundreise durch die UdSSR
eingeladen und unternahm eine ausgedehnte Reise über Leningrad und Moskau,
durch Usbekistan und Tadschikistan (vgl. Cofalla (Hrsg.) 1997, S. 731). Sein
publizistischer Reisebericht erschien als Buch unter dem Titel „Karl Marx in
Samarkand“ (1967).
Seine Reiseerlebnisse verfasste Richter zunächst in Feature-Form für den Rundfunk.
Später, 1967, veröffentliche er sie jedoch leicht verändert als Reisebericht in dem Buch
„Karl Marx in Samarkand. Eine Reise an die Grenzen Chinas“.
Bereits
im Titel des Reiseberichts, wo er Karl Marx als Symbolfigur einsetzt, ist die
Gegenüberstellung von Ost und West vorhanden. Der Autor hat eine klare Absicht,
nämlich die Klärung der Frage, welche Veränderungen die
Sowjetunion seit Kischs
Reise in Zentralasien bewirkt habe. Er fragt sich, ob dies „
eine neue und schon
veränderte Wirklichkeit
“ (Richter 1966, S. 11) sei. Karl Marx
ist dabei vor allem ein
Symbol für Atheismus (vgl. ebd.).
Egon Erwin Kischs Reisereportage „Asien gründlich verändert“ begleitet ihn vom Tisch
des zuständigen Beamten bis zum Ende seiner Reise. Um zu klären, was sich im
Verlauf der Zeit seit Kischs Besuch in Zentralasien verändert hatte, fuhr Hans-Werner
Richter von Moskau nach Taschkent, dann weiter nach Fergana und Samarkand, und
schließlich nach Tadschikistan. Er beschreibt usbekische und später
tadschikische
Gegebenheiten, als roter Faden ziehen sich die Zitate aus Kischs Buch aus dessen
russisch-sowjetischer Perspektive durch den Text.
Seine gewisse Enttäuschung vom Sowjetregime lässt er hier und da durchblicken,
indem er die Gegebenheiten des sowjetischen Geheimdienstes ironisch beschreibt:
„
Er hat meine Reise dort vorbereitet, geprüft, ob alles in Ordnung ist, und auch wohl in
Ordnung gebracht, was vielleicht noch nicht in Ordnung war. Aber vielleicht, denke ich,
weiß auch er, daß ich weiß, was ich nicht wissen soll. Und so beginnt ein Spiel, in dem
jeder weiß, was der andere weiß, jeder sich aber nichtsahnend gibt. Es ist ein Spiel mit
vielen Figuren, ein Spiel russischer Höflichkeit, ein kleines potemkinsches Dorf.
“
(Richter 1966, S. 6-7)
Auch seine „Begleitung“ war vielseitig organisiert:
Ein usbekischer Poet, Nassyr
Rachimowitsch Achundi, der Dolmetscher Kostja, Mila, eine russische Reiseleiterin,
und der Fahrer Marat bildeten die Mannschaft. Richter konzentriert sich auf die damals
für
Europa
aktuellen
Fragen:
Analphabetismus,
Überwindung
des
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Mohammedanismus, Unterdrückung der Frau, überflüssige Sitten und Gewohnheiten.
Wie auch
Embacher unter anderem bemerkt, erscheinen seine Schlussfolgerungen
„
merkwürdig dünn und oberflächlich
“ (Embacher 1985, S. 132), denn Richter nennt
hauptsächlich nur die Punkte, die damals im Westen zum Zentralasienbild gehörten.
Andere Einzelheiten des kulturellen Alltags von Usbeken bzw.
Tadschiken werden
außer Acht gelassen.
Für seinen Beitrag zum Literatur- und Kulturleben Deutschlands nach dem zweiten
Weltkrieg erhielt Richter 1972 den Kulturpreis des Deutschen Gewerkschaftsbundes.
1978 wurde er mit dem Ehrendoktortitel der Universität Karlsruhe gewürdigt und ein
Jahr später verlieh ihm der regierende Bürgermeister Berlins den Titel eines
Professors E. H. (vgl. Cofalla (Hrsg.) 1997, S. 733).
Hans Werner Richter starb am 23. März 1993 in München und ruht heute in seinem
Heimatort Bansin, wo auch das „Hans-Werner-Richter-Haus“ besichtigt werden kann.
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