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nichtretuschierte künstlerische Subjektivität zuhaltende Betrachtungsweise
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erscheint nach logischer Phantasie und Inszenierungsversuchen von Kisch eher kühl
und unparteilich, was einen Anspruch auf Wahrheit und Objektivität hebt.
Sein Leben bewegte sich hauptsächlich auf politischer Ebene mit politischen Zielen.
Im Alter von 24 Jahren wurde er Mitglied der KPD, was
allerdings nur zwei Jahre
dauerte, dann wurde er wegen des Vorwurfs des Trotzkismus aus der Partei
ausgeschlossen. Er lernte zu dieser Zeit zwei bekannte politisch Linke, Fritz Sternberg
und Carl von Ossietzky, kennen und machte sich mit marxistischer Literatur vertraut.
Im Weiteren folgten seine Mitgliedschaft in der Sozialistischen Arbeiterpartei (SAP)
und seine Emigration nach Paris, die nach
dem Scheitern des Versuchs, eine
Widerstandgruppe gegen Nationalsozialisten zu gründen, erfolgte. Doch bereits im
Oktober 1935 kehrte er freiwillig nach Berlin zurück.
Im Jahr 1940 erfolgte unter dem Verdacht, Richter sei ein Führer
der deutschen
pazifistischen Jugend, seine Verhaftung. Die Vorwürfe konnten nicht bestätigt werden;
Richter wurde aufgrund mangelnder Beweise freigelassen. Kurz darauf wurde er
erneut zum Kriegsdienst eingezogen und verbrachte die folgenden beiden Jahre als
Soldat beim Grenzschutz in Polen, wo er 1942 in Krakau Antonie Lesemann heiratete.
Im selben Jahr wurde er in eine französische Stadt in den Pyrenäen verlegt und bereits
im Sommer 1943 übersiedelte er nach Italien und wurde im Kampf um Monte Cassino
von den Amerikanern gefangengenommen. Auch in der Gefangenschaft in Camp Ellis
in Illinois (Dezember 1943 bis August 1945) gab er seine Interessen nicht auf: Er
arbeitete zunächst als Leiter der Lagerbücherei und Lehrer für Literaturgeschichte,
später beteiligte er sich an der Herausgabe der Zeitschrift „Lagerstimme“ und wurde
schließlich ab Frühjahr 1945 zum verantwortlichen Herausgeber (vgl. Cofalla 1997, S.
725).
Im Sommer 1945 wurde Richter in das Lager Kearney verlegt, wo die Erstausgabe der
Zeitschrift „Ruf“ erschien. Im April 1946 erfolgte seine Verlegung nach Deutschland,
zuerst in das bayerische Entlassungslager Bad Aibling und später
in die englische
Entlassungsstation Bad Pyrmont.
Zur selben Zeit wurde in München an der Herausgabe der neuen Zeitschrift „Ruf“
gearbeitet und Richter entschied sich auf Vorschlag seiner Mutter, daran mitzuwirken
(vgl. Embacher 1985, S. 16-17). Nach der Delegalisierung der Zeitschrift im April 1947
entstand unter Richters Initiative ein inoffizielles Diskussionsforum für ehemalige „Ruf“-
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Werner, Klaus (1988): Verwandeltes Dasein. Über deutschsprachige Literatur von Hauptmann bis heute. In: Zeitschrift für
Germanistik, 9 H. 6 9 (6), S. 721.
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Mitarbeiter, dessen Teilnehmer später die „Gruppe 47“ bildeten (vgl. Mrozek 2005, S.
61). Die erste Tagung der Gruppe fand am 6./7. September 1947 in Bannwaldsee bei
Füssen statt. Es handelte sich dabei um eine Art literarischer Werkstatt, bei welcher
die wichtigsten Probleme des literarischen Lebens der Bundesrepublik Deutschland
ans Licht gebracht werden sollten. Die „Gruppe 47“ gewann mit der Zeit immer mehr
an Popularität und spielte zwanzig Jahre lang eine bedeutende Rolle bei der Prägung
des literarischen Lebens im westlichen Deutschland, verlor jedoch nach der Tagung
der Gruppe in der „Pulvermühle“ 1967 bei Waischenfeld an Bedeutung. Als letztes
offizielles Treffen der Gruppe wird die Tagung in Dobriṡ bei Prag vom 25. bis zum 27.
Mai 1990 genannt (vgl. Mrozek 2013, S. 221).
Das sozial-politische Engagement sowie eine zeitgemäße politisch aktive Haltung
zeichneten
sein Leben aus, sodass es nicht erstaunt, dass er sich 1956 für den
Aufstand in Ungarn einsetzte. Darin zeigte sich auch seine Enttäuschung von der
Politik der Sowjetunion, wie einst beim Pakt zwischen Hitler und Stalin. Etwas später
initiierte Richter aufgrund der geplanten Atomaufrüstung
der Bundeswehr eine
Gegenbewegung und gründete das Komitee gegen atomare Aufrüstung. Allerdings
erhielt Richter am 31. April 1958, nach Veröffentlichung seiner Proteste in Presse und
Rundfunk, unangenehmen Besuch: Seine Wohnung in München wurde von der Polizei
durchsucht und alle Dokumente bezüglich des Komitees gegen atomare Rüstung
beschlagnahmt. Nach diesem Vorfall trat Richter der SPD bei, er erhoffte sich davon
politischen Schutz und die Unterstützung der Partei. Diese Mitgliedschaft endete
jedoch bald aufgrund der bürokratischen „Krämermentalität“ (ebd.: S. 68) innerhalb der
Do'stlaringiz bilan baham: