Die Dichter und Schriftsteller der
Romantik
knüpften an den Gefühlsüberschwang des
Sturm
und Drang an.
Franz Grillparzer
bezeichnete Goethe als sein Vorbild und teilte mit diesem
neben bestimmten stilistischen Gepflogenheiten die Abneigung gegen politischen
Radikalismus jeglicher Art.
Friedrich Nietzsche
verehrte Goethe sein Leben lang und fühlte
sich besonders in seiner skeptischen Haltung zu Deutschland und zum Christentum als
dessen Nachfolger.
Hugo
von Hofmannsthal
befand: „Goethe kann als Grundlage der Bildung
eine ganze Kultur ersetzen“ und „Von Goethes Sprüchen in Prosa geht heute vielleicht mehr
Lehrkraft aus als von sämtlichen deutschen Universitäten“.
[363]
Er verfasste zahlreiche
Aufsätze zu Goethes Werk.
Thomas Mann
empfand für Goethe tiefe Sympathie. Er fühlte sich
ihm wesensverwandt nicht nur in seiner Rolle als Dichter, sondern auch in einer ganzen Reihe
von Charakterzügen und Gewohnheiten. Thomas Mann verfasste zahlreiche
Essays
und
Aufsätze zu Goethe und hielt die zentralen Reden zu den Goethe-Jubiläumsfeiern 1932 und
1949. In seinem Roman
Lotte in Weimar
lässt er den Dichter lebendig werden,
mit dem
Roman
Doktor Faustus
griff er den Fauststoff erneut auf.
Hermann Hesse
, der sich immer
wieder mit Goethe auseinandersetzte und sich in einer Szene seines
Steppenwolfs
gegen
eine Verfälschung des Goethebildes wandte, bekannte: „Unter allen deutschen Dichtern ist
Goethe derjenige, dem ich am meisten verdanke, der mich am meisten beschäftigt, bedrängt,
ermuntert, zu Nachfolge oder Widerspruch gezwungen hat.“
[364]
Ulrich Plenzdorf
übertrug in
seinem Roman
Die neuen Leiden des jungen W.
das
Werther-Geschehen in die DDR der 1970er
Jahre.
Peter Hacks
machte die Beziehung Goethes zur Hofdame Charlotte von Stein zum
Thema
seines Monodramas
Ein Gespräch im Hause Stein über den abwesenden Herrn von
Goethe
. In dem
Dramolett
In Goethes Hand. Szenen aus dem 19. Jahrhundert machte
Martin
Walser
Johann Peter Eckermann zur Hauptfigur und stellte ihn in seinem heiklen Verhältnis
zu Goethe dar. Goethes letzte Liebe zu Ulrike von Levetzow in Marienbad diente Walser als
Stoff für seinen Roman
Ein liebender Mann. In
Thomas Bernhards
Erzählung
Goethe schtirbt
nennt sich die Figur Goethe einen „Lähmer der deutschen Literatur“, der darüber hinaus den
Werdegang zahlreicher Dichter (Kleist, Hölderlin) ruiniert habe.
[365]
Zahlreiche Gedichte Goethes wurden – von
Komponisten
und
Komponistinnen
vor
allem des
19. Jahrhunderts – vertont, wodurch der Dichter die Entwicklung des
Kunstliedes
förderte,
obgleich er das sog.
durchkomponierte Lied
von
Franz Schubert
kategorisch ablehnte.
Unterschrift Goethes
auf 5-DM-Schein (1992–2002)
Dennoch war Schubert mit 52 Goethe-Vertonungen der produktivste unter den musikalischen
Goethe-Interpreten. Zu seinen Vertonungen zählen die populär gewordenen Lieder
Heidenröslein,
Gretchen am Spinnrade und
Erlkönig
.
Carl Loewe
vertonte mehrere von Goethes
Balladen
.
Felix Mendelssohn Bartholdy
, mit Goethe persönlich bekannt, vertonte die Ballade
Die erste Walpurgisnacht
. 1822
lernte auch
Fanny Hensel
Goethe kennen, nachdem sie sich
beklagt hatte, dass es zu wenig gut vertonbare Gedichte gebe. Daraufhin widmete Goethe,
der eine hohe Meinung von ihr als Pianistin und Komponistin hatte, ihr sein Gedicht
Wenn ich
mir in stiller Seele. Sie setzte das Gedicht dann auch in Töne.
[366]
Neben
Robert
und
Clara
Schumann
hinterließ auch
Hugo Wolf
Goethe-Vertonungen. Robert Schumann vertonte nicht
nur
Szenen aus Goethes Faust, sondern auch Gedichttexte aus
Wilhelm Meisters Lehrjahre
sowie ein
Requiem für Mignon. Hugo Wolf vertonte unter
anderem Gedichte aus dem Wilhelm
Meister und dem
West-östlichen Divan. Auch im 20. und 21. Jahrhundert befassten sich
zahlreiche Komponisten mit Goethes Werk, wobei die musikalische Darstellung neben der
bewährten Gattung des Klavierliedes vielfach in neuen Besetzungen und Rezitationsformen
erfolgte. Von
Gustav Mahler
stammt die „gewaltigste und bedeutendste“ Goethe-Vertonung,
deren „Ausstrahlung auf die Musik der Wiener Schule um Arnold Schönberg, Alban Berg und
Anton Webern nicht zu unterschätzen ist“
[367]
: Die groß angelegte 8. Sinfonie („Sinfonie der
Tausend“) gipfelt in einer Vertonung der Bergschluchten-Szene des Faust II (1910). Zeit
seines Lebens hat auch
Richard Strauss
regelmäßig Gedichte von Goethe vertont.
Zunehmend benutzten die Komponisten neben Gedichten auch andere Texte des Dichters. So
verband die Österreichische Komponistin
Olga Neuwirth
kleinere
Passagen aus der
Italienischen Reise sowie aus der
Metamorphose der Pflanzen in ihren
…morphologischen
Fragmenten… für Sopran und Kammerensemble (1999). Goethes naturwissenschaftliche
Abhandlung über die Metamorphose diente auch
Nicolaus A. Huber
als Grundlage für
Lob
des Granits für Sopran und Kammerensemble (1999). Textauszüge aus Goethes Briefen
bilden neben Gedichten wie
Gretchen am Spinnrade die Grundlage der
Goethe-Musik (2000)
des Schweizer Komponisten
Rudolf Kelterborn
. Bemerkenswert
sind auch die vom Geist
strenger Zwölftontechnik geprägten
Römischen Elegien von
Giselher Klebe
(1952) insofern,
als der Vokalpart nicht von einer Gesangsstimme, sondern von einem Sprecher ausgeführt
wird. Goethes
Proserpina diente
Wolfgang Rihm
als Libretto für eine gleichnamige Oper
(
Proserpina
, Schwetzingen 2009). Sechs Goethe-Texte unterschiedlicher Provenienz verband
derselbe Komponist zum Zyklus seiner
Goethe-Lieder (2004/07).
Aribert Reimann
komponierte eine Szene für Sopran und Klavier mit dem Titel
Ein Blick war’s, der mich ins
Verderben riss. Zweiter Monolog der Stella aus dem gleichnamigen Schauspiel von Johann
Wolfgang von Goethe (erschienen 2014).
Jörg Widmann
will seine musikalische Umsetzung
von
Wanderers Nachtlied für Sopran und Instrumentalensemble (1999) weder als „Text-
Transport“ noch als „Ver-Tonung“ im herkömmlichen Sinn verstanden wissen. Vielmehr sei
„im Nachlauschen und Hineinhorchen eine beklemmend dichte ‚Szene‘“
[368]
entstanden.