Deutsche Literaturhistoriker unterteilen Goethes Dichtung gewöhnlich in drei Perioden:
Sturm
und Drang,
Weimarer Klassik und Alterswerk, während von außerhalb
Deutschlands das
„Zeitalter Goethes“ als eine Einheit und als Teil des „Zeitalters der europäischen
Romantik
“
gesehen wird.
[330]
Als Opponent der romantischen Dichtung galt und gilt Goethe der
deutschen Literaturkritik – sein Wort „Klassisch ist das Gesunde, romantisch das Kranke“
[331]
gehört zu den häufig zitierten. Jene verallgemeinernde Sicht vernachlässigt jedoch diesen
Gegensatz und führt zum Bild einer klassisch-romantischen Periode von
Klopstock
bis
Heinrich Heine
, in der Goethe
die bedeutende Rolle zukam, die klassischen Konventionen
französischen Ursprungs mit romantischen Ideen und innovativen poetischen Praktiken
durchbrochen zu haben.
[332]
Die Wahrnehmung der zeitgenössischen deutschen Romantiker von Goethe war ambivalent.
Er war einerseits der „intellektuelle Fokus“
[333]
der Jenaer Romantiker, die ihn als „wahren
Statthalter des poetischen Geistes auf Erden“ (
Novalis
) und seine Dichtung als „Morgenröte
echter Kunst und reiner Schönheit“ (
Friedrich Schlegel
) glorifizierten.
[334]
Mit
ihrem Konzept
der
Universalpoesie
antizipierten sie Goethes Begriff der
Weltliteratur. Andererseits kritisierten
sie nach ihrer Hinwendung zum Katholizismus den zuvor gepriesenen
Wilhelm Meister-
Roman als „künstlerischen Atheismus“ (Novalis) und Goethe als „deutschen Voltaire“
(Friedrich Schlegel).
[335]
Ebenfalls ambivalent,
wenn auch in anderer Weise, würdigte Heinrich Heine in seiner Schrift
Die romantische Schule
Goethes Persönlichkeit und Dichtung: Er feierte ihn einerseits als
Olympier und „absoluten Dichter“, dem alles,
was er schrieb, zum „abgerundeten Kunstwerk“
gelang, vergleichbar nur mit
Homer
und Shakespeare, kritisierte aber andererseits seine
politische Indifferenz im Hinblick auf die Entwicklung des deutschen Volkes.
[336]
Mit ihrem 1813 erschienenen Buch
De l’Allemagne (
Über Deutschland
) machte
Madame de
Staël
Frankreich und im Gefolge auch England und Italien mit deutscher Kultur und Literatur
bekannt. In dem europaweit rezipierten Buch charakterisierte sie die zeitgenössische
deutsche Literatur als romantische Kunst mit dem Zentrum Weimar und Goethe als
exemplarischer Figur,
[337]
ja als „größten deutschen Dichter“.
[338]
Erst danach wurde Weimar
auch jenseits der deutschen Grenzen zum Inbegriff deutscher Literatur und „erst
danach
setzten die Pilgerreisen von Intellektuellen aus ganz Europa an den Frauenplan ein, erst
danach kam es zu den internationalen Austauschprozessen, die mit Namen wie
Manzoni
,
Carlyle
oder
Walter Scott
verbunden sind“.
[339]
Gegen Ende seines Lebens fühlte Goethe sich
weniger von seinen deutschen als von ausländischen
Zeitgenossen akzeptiert, mit denen er
in Austausch getreten war und die über seine Werke Artikel publizierten.
[340]
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