Johann Wolfgang Goethe, ab 1782 von Goethe


Im Bund mit Schiller (1789–1805)



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Johann Wolfgang von Goethe – Wikipedia

Im Bund mit Schiller (1789–1805)


Bevor Goethe mit Schiller erstmals im Herbst 1788 im thüringischen 
Rudolstadt
persönlich
zusammentraf, waren sich beide nicht fremd geblieben. Sie kannten jeweils die frühen Werke
des anderen. Bereits als Schüler der 
Karlsschule
hatte Schiller mit Begeisterung Goethes
Götz und Werther gelesen und den von ihm Bewunderten bei der Abschlussfeier seines
Jahrgangs 1780 als Besucher gemeinsam mit dem Weimarer Herzog neben 
Karl Eugen
stehen sehen.
[126]
Goethe, der Schillers Räuber mit ihrer Gewalttätigkeit ablehnte, hatte nach
seiner Rückkehr aus Italien mit Erstaunen Schillers gewachsenen Ruhm wahrgenommen,
später auch die 
Gedankenlyrik
Schillers und seine historischen Schriften schätzen
gelernt.
[127]
Schillers Urteile und Gefühle gegenüber Goethe waren zunächst schnell
wechselnd und darauf angelegt, sogleich wieder revidiert zu werden. Mehrfach nennt er
Goethe einen „gefühlskalten Egoisten“.
[128]
Safranski spricht von einer „Haß-Liebe“ und zitiert
aus einem Brief Schillers an 
Körner
: „Mir ist er […] verhaßt, ob ich gleich seinen Geist von
ganzem Herzen liebe“.
[129]
Für die Befreiung von 
Ressentiment
und Rivalität hat Schiller
Friedrich von Schiller, Zeichnung von 
Friedrich Georg Weitsch
, 1804
Zweimal weilte Johann Wolfgang von Goethe im Gleimhaus zu Halberstadt.


später die „wunderbare Formel“ (Rüdiger Safranski) gefunden: „daß es, dem Vortrefflichen
gegenüber keine Freyheit gibt als die Liebe“ (Brief an Goethe vom 2. Juli 1796).
Die erste persönliche Begegnung in Rudolstadt, arrangiert von 
Charlotte von Lengefeld
, der
späteren Ehefrau Schillers, verlief relativ emotionslos. In einem Bericht an Körner zweifelte
Schiller „ob wir einander je sehr nahe rücken werden“.
[130]
Nach dieser „misslungenen
Begegnung“ hatte Goethe Schillers Berufung auf eine Jenaer Professur betrieben, die dieser
aber zunächst unbesoldet antrat.
[131]
Seit 1789 als Geschichtsprofessor im nahen Jena lebend, hatte Schiller Goethe im Juni 1794
gebeten, dem Herausgeberkreis einer von ihm geplanten Zeitschrift für Kultur und Kunst,
Horen
, beizutreten.
[132]
Nach Goethes Zusage trafen sich die beiden im Juli des gleichen
Jahres in Jena, für Goethe „ein glückliches Ereignis“ und der Beginn der Freundschaft mit
Schiller. Im September 1794 lud er Schiller zu einem längeren Besuch in Weimar ein, der sich
auf zwei Wochen ausdehnte und einem intensiven Ideenaustausch zwischen ihnen
diente.
[133]
 Diesem Treffen schlossen sich häufige wechselseitige Besuche an.
Die beiden Dichter stimmten in der Ablehnung der Revolution ebenso überein wie in der
Hinwendung zur Antike als höchstem künstlerischen Ideal; dies war der Beginn eines
intensiven Arbeitsbündnisses, aus dem zwar alles Persönlichere ausgeklammert war, das
jedoch geprägt war von tiefem Verständnis für das Wesen und die Arbeitsweise des anderen.
In der gemeinsamen Erörterung ästhetischer Grundsatzfragen entwickelten beide eine
Literatur- und Kunstauffassung, die als „Weimarer Klassik“ zur literarhistorischen
Epochenbezeichnung werden sollte. Goethe, dessen literarisches Schaffen, ebenso wie
dasjenige Schillers, zuvor ins Stocken gekommen war, betonte die anregende Wirkung der
Zusammenarbeit mit dem zehn Jahre Jüngeren: „Sie haben mir eine zweite Jugend
verschafft und mich wieder zum Dichter gemacht, welches zu sein ich so gut als aufgehört
hatte.“
[134]
Im ersten Jahrgang der Horen erschienen die Römischen Elegien erstmals unter dem Titel
Elegien und ohne Angabe des Verfassers.
[135]
Darüber empörten sich offensichtlich „alle
ehrbaren Frauen“ Weimars. Herder veranlasste die Veröffentlichung zu dem ironischen
Vorschlag, die Horen müssten nun mit einem „u“ geschrieben werden.
[136]
In den Horen
veröffentlichte Schiller 1795/96 in drei Folgen sein 
Traktat
 
Über naive und sentimentalische
Dichtung
, eine poetische Typologie, die wesentlich zu ihrer beider Selbstverständnis beitrug:
Goethe der „
naive
“, Schiller der „sentimentalische“ Dichter.
[137]
Beide Dichter nahmen lebhaften theoretischen und praktischen Anteil an den Werken des
anderen. So beeinflusste Goethe Schillers 
Wallenstein
, während dieser die Arbeit an Goethes
Roman 
Wilhelm Meisters Lehrjahre
kritisch begleitete und ihn zur Fortführung des Faust


ermunterte. Goethe hatte Schiller gebeten, ihm bei der Fertigstellung des Wilhelm Meister-
Romans behilflich zu sein, und Schiller enttäuschte ihn nicht. Er kommentierte die ihm
zugesandten Manuskripte und war höchst erstaunt, dass Goethe nicht genau wusste, wie der
Roman enden sollte. An Goethe schrieb er, er rechne es „zu dem schönsten Glück meines
Daseins, dass ich die Vollendung dieses Produkts erlebte“.
[138]
Für Nicholas Boyle bildete der
Briefwechsel über den Wilhelm Meister in den Jahren 1795/96 den Höhepunkt in der
geistigen Beziehung zwischen Goethe und Schiller.
[139]
Sie betrieben auch gemeinsame publizistische Projekte. Zwar beteiligte sich Schiller kaum an
Goethes kurzlebiger Kunstzeitschrift 
Propyläen
; dieser jedoch veröffentlichte zahlreiche
Werke in den Horen und dem ebenfalls von Schiller herausgegebenen 
Musen-Almanach
. Der
Musen-Almanach für das Jahr 1797 brachte eine Sammlung gemeinschaftlich verfasster
Spottverse, die 
Xenien
.
[140]
 Im Musen-Almanach des Folgejahres
[141]
erschienen die
berühmtesten Balladen beider Autoren, wie Goethes 
Der Zauberlehrling

Der Schatzgräber

Die
Braut von Korinth

Der Gott und die Bajadere
 sowie Schillers 
Der Taucher

Die Kraniche des
Ibykus

Der Ring des Polykrates

Der Handschuh
 und 
Ritter Toggenburg
.
Im Dezember 1799 zog Schiller mit seiner vierköpfigen Familie nach Weimar um, zunächst in
eine Mietwohnung, die zuvor 
Charlotte von Kalb
 bewohnt hatte; 1802 erwarb er ein 
eigenes
Haus auf der Esplanade
. In Weimar bildeten sich Parteien, die zum Vergleich der beiden
„Dioskuren“ herausforderten. So versuchte der erfolgreiche Theaterautor 
August von
Kotzebue
, der sich in Weimar niedergelassen hatte, mit einer prunkvollen Feier zu Ehren
Schillers einen Keil zwischen die beiden zu treiben. Trotz einiger zeitweiliger Irritationen
zwischen ihnen blieb ihre Freundschaft bis zum Tode Schillers jedoch intakt.
[142]
Am 13. September 1804 wurde Goethe Wirklicher Geheimer Rat mit dem Ehrenprädikat
Excellenz
.
[143]
Die Nachricht von Schillers Tod am 9. Mai 1805 stürzte Goethe in einen Zustand der
Betäubung. Er blieb der Beerdigung fern. An den befreundeten Musiker 
Carl Friedrich Zelter
schrieb er, er habe einen Freund und mit ihm „die Hälfte meines Daseins“ verloren.
[144]
Der
Tod Schillers markierte für Rüdiger Safranski eine Zäsur in Goethes Leben, einen „Abschied
von jenem goldenen Zeitalter, als für eine kurze Zeit die Kunst nicht nur zu den schönsten,
sondern zu den wichtigsten Dingen des Lebens gehörte“.
[145]
 Mit ihm endete 
Dieter
Borchmeyer
 zufolge die prägende Periode der Weimarer Klassik.
[146]

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