[eine] statische
Abbildung einer andersartigen Lebenswelt, sondern [als] ein dynamisches Konstrukt
“
(Wolf 1995, S. 13), wobei sie die Reiseberichte von Theodore Dreiser und Dorothy
Thompson über die Sowjetunion als geeignetes Forschungsmaterial wählt. Die Autorin
untersucht die Entstehungsbedingungen und den Entwicklungsprozess des
literarischen Fremdenbildes, darüber hinaus versucht sie, seine Tiefenstruktur
offenzulegen.
Mounir Fendri befasst sich in seiner Habilitationsschrift zum Thema „Kulturmensch in
‚barbarischer‘ Fremde. Deutsche Reisende im Tunesien des 19. Jahrhunderts“ (1996)
mit einem großen Textkorpus bestehend aus 70 Reisetexten von ca. 50 Autoren aus
dem 19. Jahrhundert, in denen das deutsche Tunesien-Bild sowie das deutsch-
tunesische Verhältnis dokumentiert und schriftlich überliefert werden. Die Studie
untersucht die kulturgeschichtlichen und reisespezifischen Voraussetzungen der
Beziehung zwischen den deutschen Reisenden und dem tunesischen Reiseland sowie
die materiellen Bedingungen der deutschen Tunesienreise im 19. Jahrhundert. Auch
Sehweisen, Verhaltenstypen und Reflexionsmuster werden exemplarisch analysiert.
Wie der Autor bereits im Titel seiner Habilitationsschrift andeutet, entstehen die
Fremdenbilder der deutschen Tunesienreisenden aus der Perspektive des
‚Kulturmenschen‘ in einem ‚barbarischen‘ fremden Land.
Einen wesentlichen Beitrag zur Erforschung der Fremdwahrnehmung Afrikas leistet
Sylvie Nantscha (2009) mit ihrer später als Buch veröffentlichten Dissertation zum
Thema „Interdisziplinarität – Kulturtransfer – Literatur. Afrika-Fremdwahrnehmung in
ausgewählten deutschsprachigen Reisewerken von der Kolonialzeit bis zur
Gegenwart“. Die Autorin untersucht den Transfer der Theorien, Ansätze und
Grunddisziplinen in die Literaturwissenschaft als Deutungsmuster im interkulturellen
Bereich im Allgemeinen und speziell im afrikanischen kulturellen Rahmen. Ihr
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Analysekorpus umschließt 14 deutschsprachige Reiseberichte und einen Film über
Afrika im Zeitraum von 1915-2001. Dabei schafft sie eine hermeneutische Skizze der
europäischen
Afrika-Wahrnehmung
und
beschreibt
die
dazugehörenden
Stereotypenbildungen im historischen Längsschnitt.
Abbas Amin (2013) beschäftigt sich in seiner Schrift mit dem Ägyptenbild in der
deutschen Reiseliteratur. Das Ziel seiner Arbeit besteht darin, die Repräsentationen
Ägyptens in deutschen Reiseberichten von 1175 bis 1663 zu erforschen. Der Autor
schafft eine Überblicksdarstellung als eine systematische Erfassung der deutschen
und europäischen Reisewerke, die er als Grundlage für eine repräsentative Auswahl
der Reiseberichte versteht und anschließend nach Sprache, Reisetyp, Reisezeit,
historischen Hintergründen, gewählten Reiserouten und Kompositionsmustern
analysiert. Seine Analyse konzentriert sich auf die Strukturen, Grundmuster, Themen
und Bildelemente, wobei die Gemeinsamkeiten und Unterschiede, sowie Kontinuität
und Diskontinuität der Eigen- und Fremdwahrnehmung in deutschen
Ägyptenreiseberichten dargestellt werden.
Zu den neueren Arbeiten zu diesem Themenkreis gehört die Studie von Andrea Voß
(2016), die Erzählrhetorik, Intertextualität und Gebrauchsfunktionen des adligen
Bildungsreiseberichts in der frühen Neuzeit untersucht. Analysiert werden dabei die
deutschsprachigen adligen Bildungsreiseberichte des 16. und 17. Jahrhunderts. Die
Autorin richtet ihre zentrale Fragestellung an die „
Muster und Verfahren der textuellen
und medial-materiellen Vermittlung der Reiseerfahrungen im Bericht und die daraus
abzuleitenden Gebrauchsfunktionen der Gattung
“ (Voß 2016, S. 1).
Auch das Zentralasienbild der Deutschen wurde zum Untersuchungsgegenstand von
zwei umfangreichen wissenschaftlichen Arbeiten, die im ersten Fall das gesamte
Mittelasien und darunter auch den dem heutigen Usbekistan historisch zugehörigen
Raum im Orientalismus-Diskurs untersuchen, und im zweiten Fall deutsche
Forschungsreisen nach Turkestan im historischen Längsschnitt diskursanalytisch
betrachten. Dies sind die Arbeiten von Bahodir Sidikov (2003) und Franziska Torma
(2011).
Über die deutsche Mittelasienwahrnehmung hat Bahodir Sidikov (2003) eine
Dissertation unter dem Titel „Eine unermessliche Region. Deutsche Bilder und
Zerrbilder von Mittelasien (1852-1914)“ an der Martin-Luther-Universität Halle-
Wittenberg geschrieben. Ziel seiner Untersuchung ist die Klärung, inwieweit die
deutschen Studien über Mittelasien den Orientalismus-Thesen von Edward Said
entsprechen, wodurch auch die bestehende Lücke von
Orientalismen
gefüllt werden
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soll. Denn sowohl Deutschland, Österreich, Ungarn und Russland als Kolonialmächte
als auch Mittelasien als Kolonialgebiet wurden in Saids Studie ausgeschlossen. In
seiner Zusammenfassung schreibt Sidikov:
„
Saids Thesen fanden in Anwendung auf den mittelasiatischen Teil der deutschen
Orientalistik größtenteils ihre Bestätigung. Der deutsche Blick auf Mittelasien
unterschied sich wenig von dem der Engländer und der Franzosen auf andere Gebiete
des Orients.
“
(Sidikov 2003, S. 425)
Zu einer der umfangreichsten Studien zählt die Dissertation zum Thema „Turkestan-
Expeditionen. Zur Kulturgeschichte deutscher Forschungsreisen nach Mittelasien
(1890-1930)“ von Franziska Torma (2011) an der Ludwig-Maximilians-Universität
München. In sechs Kapiteln erzählt die Autorin die deutsche wissenschaftliche
Entdeckung, Eroberung und Kartierung Turkestans, wo heute die zentralasiatischen
Republiken Kasachstan, Kirgistan, Turkmenistan, Tadschikistan und Usbekistan
liegen. Die Studie basiert auf drei Kategorien – Raum, Zeit und Kolonialismus. Die
Entdeckung von Turkestan entsprang in erster Linie dem großen Interesse Europas
am Bergsteigen (1900). Nach den Entdeckungsreisen in die wilde Natur gab es
zahlreiche archäologische Expeditionen von deutschen Wissenschaftlern. Franziska
Torma beschreibt ausführlich die Entwicklung deutscher Asien- bzw. Turkestanpolitik,
angefangen vom Deutschen Reich im Zuge des Ersten Weltkrieges, fortgesetzt mit der
Alay-Pamir-Expedition 1928 bis zur Moderne.
Eine Forschungsarbeit, die sich speziell auf Reiseberichte über Usbeken und
Usbekistan konzentriert, sei es eine kulturhistorische oder literaturwissenschaftliche
oder gar linguistische, existiert bis heute nicht.
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