4.3.4 Kindheit, Heirat, Ehe und Familie
Das Leben einer Usbekin ist wohl das leidvollste Thema für die meisten Reiseautoren.
Bereits Vámbéry, der sich in seinem Reisebericht kaum mit frauenbezogen Themen
148
beschäftigt, beschreibt die Frauen Turkestans als „
arme Geschöpfe
“ (Vámbéry 1983
[1865], S. 177). Moser kritisiert die Stellung der Frau in der turkestanischen
Gesellschaft und erklärt diese mit den Vorschriften im Islam:
47
„
Der Islam hat aus dem Weibe ein erniedrigtes, unreines und verachtetes Geschöpf
gemacht; sogar der Eintritt in die Moschee ist ihr untersagt. Begegnet der Sarte einer
Frau auf der Strasse, so wendet er die Augen ab. Frage man einen Sarten nach
seinem Hunde oder Pferde, oder Esel – gut; aber man frage ihn um Himmelswillen
nur ja nicht nach dem Befinden der Madame N.; das hiesse die Gesetze der
Höflichkeit verletzen und eine Unbescheidenheit begehen.
“
(Moser 1888, S. 70)
Laut Moser ist „
die schönste Lebenszeit der Sartin […] ihre Kindheit, wenn sie, nur mit
einem Hemd bekleidet und mit dem kleinen Tüpe auf dem Kopfe
“ (Moser 1888, S. 68)
ihre Zeit entweder auf der Straße oder dem Hof verbringt. Ab dem achten bis neunten
Lebensjahr hilft sie schon im Haushalt, lernt, Seide und Baumwolle zu spinnen (ebd.).
Moser beschreibt im Weiteren die Brautwerberei und den Heiratsprozess, die bereits
ab dem zehnten Lebensjahr des Mädchens beginnen. Der Autor beschreibt diesen
Prozess als „
ein gutes Geschäft
“ (ebd.: S. 69), denn nicht das Alter oder Neigungen
sind ausschlaggebend sondern die Höhe des „
Kalim
“, „
des Preises, den der Bräutigam
zu bezahlen hat
“ (ebd.). Ferner schildert Moser die islamische Eheschließung, danach
„
beginnt für das junge Mädchen ein eheliches Leben, welches selten von einer
Leidenschaft durchkreuzt wird
“ (ebd.). Er zieht Parallelen zur europäischen Frau und
hat Mitleid mit der Sartin, die aufgrund der Polygamie bereits in ihrem besten Alter von
ihrem Mann verlassen wird: „
In dem Alter, in welchem bei uns die Frau auf dem
Höhepunkte der Schönheit stellt, ist die arme Sartin alt und von ihrem Manne
verlassen
“ (ebd.).
Auch der Scheidungsprozess, der in anderen Reiseberichten selten behandelt wird,
wird von Moser thematisiert. Er schildert die Vorgehensweise mit den Pantoffeln, die
von Frauen umgekehrt am Fuß des Richterstuhls abgestellt werden müssen, um als
Frau beim „
Kazi
“ die Scheidung zu erhalten (vgl. ebd.). Dieses Detail kommt bei
anderen Reiseautoren nicht vor.
Mosers Ausführungen zur Rolle der Frau in Gesellschaft und Ehe bestätigt auch der
Gesandte des Weißen Zaren, Graf Konstantin von der Pahlen. Er kritisiert die
Behandlung der Frau in der islamischen Gesellschaft mit dem Vergleich „
Nach der
Lehre Mohammeds hat die Frau so wenig eine Seele wie die Tiere
“
,
ihre Rechtlosigkeit
47
Siehe dazu: Safwat 1999, S. 35–56.
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bei der Erziehung ihrer eigenen Kinder, die Gewalttätigkeit des Mannes ihr gegenüber
sowie die fehlende Ausbildung und das frühe Heiratsalter:
„
Nach der Lehre Mohammeds hat die Frau so wenig eine Seele wie die Tiere, und ihre
Behandlung ist dementsprechend. Nach dem Schariat darf der Mann oder der
Vormund die Frau schlagen, wann er will. Sollte eine Frau die Hand gegen den Mann
erheben, so galt für sie vor dem russischen Einmarsch die Todesstrafe. Man stelle sich
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