Aspekte zur Entsäuerung
Umgebung. Aufgrund der dargestellten Verfahrensweise diffundierte das Wasser des Klebstoffes in Blattbereiche, die nicht vom Seidenpapier bedeckt sind. Über die eigentliche Klebstelle hinaus ist die hellere Zone ausgedehnt, ohne daß Wasserränder gebildet wurden; ein weiteres Indiz für die Verarbeitung der Zeitungen im ungealterten Zustand.
Insider wissen, welche Klebstoffe in der zweiten Hälfte der vierziger jähre produziert und verwendet wurden.
Ullmanns Enzyklopädie der technischen Chemie, 4, Aufl., Bd. 14, S. 227, gibt unter dem Stichwort 'Stärke' folgende Auskünfte: «Abgesehen von der Zumischung zu anderen Klebstoffen sind Stärken und Stärke-Produkte vorwiegend für die Verbindung von Papier und papierähnlichen Werkstoffen geeignet. In einfacher Weise lassen sich Lösungen oder sonstige wäßrige Systeme von beliebigem theologischen Verhalten herstellen, die hervorragend kleben. Dabei werden insbesondere Kartoffel-, Tapioka- und Maisstärke verwendet. Als Verfahrensgruppen unterscheidet man die Behandlung mit Ätzalkalilaugen, anderen Alkalilaugen, Säuren, Salzen, Oxi-dationsmitteln, Quelimitreln und Zusatz verschiedener Verbindungen zu Stärkepasten.
Zu den Klebstoffen ohne wesentlichen Stärke-Abbau gehören die 'Pflanzenleime', das sind hochviskose, aber glattfließende Flüssigkeiten, hergestellt durch Behandlung von Kartoffelstärke mit Alkalilauge, weiterhin Malerleime, Kleister und Klebstoffe auf Quellstärke-Basis sowie aus Gemischen von nativer und verkleisterter Stärke. Letztere werden insbesondere bei der Herstellung von Wellpappe eingesetzt (STEIN-HALL-PROZESS) und mit den verschiedensten Zusätzen wie Alaun, Natriumhydrogensulfat u. a. versetzt (252) (neuere Patente: {253}-(256}). Zu den Klebstoffen aus Stärke-Abbauprodukten zählen in erster Linie die Dextrinklebestoffe, die in großen Mengen in der Verpackungsindustrie verwendet werden. Wichtige Sondertypen ('Schnellbinder') von Dextrinleimen enthalten Borax und Alkalilauge.»
In der 7. Auflage von Römpps Chemielexikon wird unter dem Stichwort 'Kleister' der Sachverhalt weiter erhellt:
«Kleister. Nach DIN 16 921 (Vornorm Juni 19.54) ist K. . Als K.-Grundstoff werden Stärke, Getreidemehl (das ebenfalls vorwiegend aus Stärke besteht) u. wasserlösl. Celluloseverb. (z.B. Me-
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thylcellulose od. Celluloseglykolat) verwendet u. mir entsprechenden Wassermengen verrührt. Bei Stärke- u. Mehl-K. liegt der Feststoffanteil zwischen 15 und 25%, bei Cellulose-K. zwischen 2 u. 5%. Diese Mischungen werden bei nicht vorbehandelten K. längere Zeit auf 80-100° erwärmt, bis die bei Mehl z.B. zwischen 55 u. 70° eintretende Verkleisterung beendet ist. Durch Säurezusatz läßt sich die Klebkraft des K. verringern, durch Laugen erhöhen; Konservierungsmittelzusätze z.B. von Salicylsäure, Formaldehyd, Phenol, Borax, Alaun, Benzoesäure u. dgl. verhindern Schimmelbild, u. mikrobielle Zersetzung. Bei den durch ehem. Aufschluß bereits aufgeschlossenen, kaltwasserlösl. K. findet die Verkleisterung bereits bei Raumtemp. statt. Nach Eig. u. Verw. rechnet man die K. zu den Klebstoffen; ihre hauptsächliche Anwendung finden sie als Tapeten- u. Buchbinder-K., ggf. auch als Bodenkleber.»
Die Vorstellung, daß der hohe Wasseranteil der Klebstoffe lösliche saure Inhaltsstoffe des Papiers verdrängt oder verdünnt härte, ist zunächst naheliegend. Dagegen spricht das Alterungsgeschehen in den Zonen, die die Grenze zwischen dem eingedrungenen Wasser und dem übrigen Blatt bilden. Dort müßte sich der 'verdrängte' Schadstoff aufgrund der höheren Konzentration sichtbar alterungs-beschleunigend darstellen. Diese Konsequenz läßt sich aber nicht erkennen.
Wenn man davon ausgeht, daß die 'Kleister' in der Regel als chemisch neutral eingestellte Produkte zum Verbraucher gelangten, wird zweierlei deutlich: Es können Kleister mit geringen Mengen nicht abgepufferter Alkalien ebenso verwendet worden sein wie Kleister mit geringen Mengen nicht abgepufferter Säure als Konsequenz der Produktionsprozesse.
Diese hypotetischen Möglichkeiten gehen konform mit den praktischen Anschauungen. Interessant in diesem Zusammenhang ist die Größenordnung der jeweiligen 'Wirkstoffkonzentration'. Geringste Spuren Alkalien manifestieren sich nach fast fünf Jahrzehnten natürlicher Alterung des kontaktierten Papiers als alterungshemmend, während geringste Spuren Säure ausreichen, um im kontaktierten Papier alterungskonform zu wirken. Prinzipiell wird diese Erscheinung bestätigt, wenn man z.B. Inkunabelpapiere betrachtet, die normal, d.h., ohne katastrophale Ereignisse, gealtert sind. Man kann häufig nach 500 Jahren natürlicher Alterung pH-Werte von 6,8 an diesen Papieren messen. Wie hoch können diese Werte vor 500 Jahren aufgrund der Kenntnisse über die damalige Produktionsweise und verwendeten Rohstoffe und Hilfsmittel gewesen sein? Mit Sicherheit bei 7, wahrscheinlich geringfügig darüber.
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Im Teilbericht-Alterungsuntersuchungen an Büchern des Batteile Institutes vom September 1991 wird das Alterungsverhalten von Büchern untersucht, die mit vier Entsäuerungsverfahren behandelt (MMC-Ottawa, MMC-Sable DEZ und FMQ und künstlich gealtert wurden. Nach der künstlichen Alterung wurden chemische und physikalische Analysen und Messungen vorgenommen. Die uns interessierenden Sachverhalte werden unter Punkt 7.3 'Einfluß der Pufferkapazität und der Mg/Zn-Konzentra-tion auf die Festigkeitskennwerte' zusammengefaßt. Es heißt:
«Vergleicht man die chemischen Werte der Pufferkapazität und Mg-Konzentration der einzelnen Entsäuerungsverfahren, so fallen die Werte des FMC-Verfahrens auf: Die gemessenen Pufferkapazitäten liegen deutlich unter den Werten der anderen Verfahren; auch die Mg-Menge in den Proben ist geringer als die von Ottawa und Säble (sehr hohe Mg-Konzentra-tion). Die hier gemessenen Werte werden auch durch die Aussagen von Lithco bestätigt. Für die Festigkeitskennwerte hat dies keinen erkennbaren Einfluß. Anscheinend genügt die vergleichsweise geringe alkalische Pufferkapazität, um eine ähnliche Verbesserung des Alterungsverhaltens wie bei den anderen Verfahren zu erzielen.»
Aus dem Dargestellten ergeben sich Diskrepanzen in bezug auf die wirksamen Mengen der die Alterung beeinflussenden Substanzen.
Zum anderen erhebt sich die Frage, ob die Lebensdauer des Papiers mit der Menge des Karbonats oder seiner Äquivalente korrelliert oder ob es primär auf die letztlich im Papier vorzufindende Kristailibrm und ihre Verteilung ankommt. Es ist vorstellbar, daß eine geringere Menge feinst kristallisierter und verteilter Wirkstoffe effizienter wirksam ist, als die größere Menge Wirkstoffe mit gröberer Kristallform und inhomogener Verteilung.
Die exakte Beantwortung dieser Fragen könnte die Ökonomie und Technologie der Massenentsäuerungsverfahren in erheblichen Größenordnungen tangieren.
In einer Untersuchung dieses Fragenkomplexes im Rahmen einer Stti-dienarbeit an der Technischen Hochschule Darmsradt, Institut für Makromolekulare Chemie, Abt. Zellulose und Papierchernie mit dem Thema: «Untersuchung der Abhängigkeit der Papieralterung von der Korngröße und dem Mengeneintrag des Kalziumkarbonates» kam der Verfasser zu Antworten, die oben formulierte Vermutungen zu bestätigen scheinen.
Auf der Grundlage der formulierten Aufgabenstellung wurde die Untersuchung von kalziumkarbonathaltigen Papieren mit unterschiedlichem
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Karbonatgehalt und unterschiedlicher Korngröße nach beschleunigter Alterung (nach DIN/ISO 5630 T3) über 24 Tage durchgeführt.
Zur Anwendung kamen die Kalziumkarbonate DX 40 und Setacarb OG. Aus der physikalischen Analyse ergeben sich folgende Unterschiede: Setacarb OG besteht aus 80% der Korngröße <1 um und 98% der Korngröße <2um und besitzt eine spezifische Oberfläche (mVg) von 15. DX 40 besteht aus 40% der Korngröße <2um und 90% der Korngröße <5 um und besitzt eine spezifische Oberfläche (nr/g) von 3.
Im folgenden wird Setacarb OG als 'fein' und DX 40 als 'grob' bezeichnet. Beide Karbonare wurden in Tesrpapiere mit jeweils 1% und 3%, bezogen auf ofengetrockneten Stoff, eingearbeitet.
Diese 4 karbonathaltigen Papiere wurden einem karbonatfreien Papier gleicher Beschaffenheit gegenübergestellt. In der Auswertung aller Meßwerte kommt der Verfasser W. Sesterhenn zu folgenden Ergebnissen. Er formuliert: «Es ist anzumerken, daß, wie bereits festgestellt, die Zugabe von Kalziumkarbonat die Alterungsgeschwindigkeit bremst. Der schlechteste Gesamtmittelwert liegt bei ca. 44% der Alterungsgeschwindigkeit des Papiers ohne Kalziumkarbonat. Es ist zu bemerken, daß bei einzelnen Messungen, insbesondere bei den physikalischen Messungen Reißlänge und Dauerbiegezahl, schlechtere Werte als bei reinem Papier erzielt wurden. Der Versuch, die Aussage von Reißlänge und Sulfatgehalt zu relativieren, muß als gescheitert angesehen werden. Denn alle Gesamtmittelwerte weisen 1% fein als das deutlich beste Papier aus. Diese Werte drücken die Tendenz der Reihenfolge aus, in der sich die einzelnen Papiere einstufen lassen. Es ist auch unter Berücksichtigung der Variationskoeffizienten und der Streuungen festzustellen, daß zwar im Einzelfaü diese Aussage nicht immer als absolut beweisbar anzusehen ist. Jedoch liegen die ermittelten Werte allgemein im für Papier üblichen Rahmen, lediglich die Werte für die Dauerbiegezahl fallen im Einzelfall etwas heraus. Dieses Problem wurde jedoch bereits von Brecht und Wesp beschrieben. Auffallend heben sich die Kurvenveriäufe von 3% fein bei den chemischen Werten durch sehr konstante und, absolut betrachtet, hohe Niveaus, insbesondere unter SOi-Begasung ab. Die Tendenz der Alterungsdaten kann so interpretiert werden, daß die Anwesenheit von Kalziumkarbonat für die Alterungsbeständigkeit wichtig ist. Die Menge und die Korngröße haben dabei sehr wohl einen Einfluß auf die Alterung des Papiers. Nach dem derzeitigen Stand muß festgehalten werden, daß bei geringem Eintrag von feinem Korn nach Norminierung die besseren Werte erzielt wurden.
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Ein höherer Eintrag als ca. 1% stellt sich, normiert betrachtet, nicht als signifikante Verbesserung dar. Dieses Phänomen wurde von F. Daniel, F. Flieder und F. Ledere in ähnlicher Weise beschrieben. Dort wurde festgestellt, daß bei entsprechender Schadgaseinwirkung trotz unterschiedlicher Puffermengen alle Papiere den gleichen pH-Wert erreichten.
Daraus kann gefolgert werden, daß ein höherer Kalziumkarbonateintrag zu einer stärkeren Neutralisation des eingesetzten Karbonats führt und es dadurch zu einem schnelleren Verlust der Pufferwirkung kommt.
Am Verlauf der Kurven, insbesondere der chemischen Prüfungen, fallen die Kurven der groben Papiere durch im Wechsel fallende und daraufhin steigende Werte auf. Dieser Verlauf läßt sich jedoch nicht als Ausreißer oder Verfahrensfehler erklären. Es liegt nahe, dieses Verhalten so zu erklären, daß durch anfänglich sich bildende Säuren das Papier geschädigt wird. Erst nachdem eine bestimmte Säurekonzentration erreicht ist, tritt eine abrupte Gleichgewichtsveränderung ein. Dies führt chemisch zum Teil zur Verbesserung der meßbaren Werte und physikalisch zu einer Verringerung des Verfalls. In bezug auf die Fasern handelt es sich nicht um eine Verbesserung des geschädigten FasermateriaSs, sondern nur um eine Verlangsamung der Schädigung.
Das bedeutet, daß mit diesem neuen Gleichgewichtszustand Kalziumkarbonat mit der Säure reagiert.
Betrachtet man Papier bei Normaibedingungen, so bildet sich bei einer relativen Luftfeuchte von 65% eine monomolekulare Wasserschicht auf der Faseroberfläche aus, in der chemische Transportvorgänge ablaufen. Diese Schicht bildet sich um die Fasern und die Füllstoffpartikel und wirkt als Adsorbens für das SO? der Luft. Das bedeutet, daß das schwer lösliche Kalziumkarbonat an seiner Oberfläche mit der im Wasser gebildeten Säure reagiert. Der Reaktionsablauf ist dabei von der zur Verfügung stehenden Oberfläche abhängig. Ein feiner Eintrag führt zu einer kontinuierlichen Pufferung, während bei grobem Korn mit entsprechend kleinerer Oberfläche erst die Oberfläche die Säuren neutralisiert, bis das darunter liegende Kalziumkarbonat zugänglich wird. Dies könnte durch ein 'in Lösung gehen' der oberen Schicht erklärt werden. Ein ähnliches Verhalten ist festzustellen bei der Titration von kolloidal gelöstem Kalziumkarbonat, wie dies bei der Bestimmung des Säure-Alkaligehaltes ohne Filtration des Heißwasserextraktes eintritt, bei der ebenfalls mehrfach der pFI-Wert abfällt und schlagartig wieder ansteigt. Es bildet sich also keine unlösliche
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Schicht auf der Kornoberfläche aus, die das darunter liegende Kalziumkarbonat unzugänglich machen würde. Daraus könnte gefolgert werden, daß bei gleicher Menge und unterschiedlicher Korngröße zwar über den Zeitraum der Alterung die Gesamtmenge zur Pufferung zur Verfügung steht. Aber der Verlauf der Alterung ist unterschiedlich und bei feinem Korn konstanter, da das chemische Gleichgewicht sehr gleichmäßig auf einem Niveau gehalten wird. Dies wurde besonders bei 3% feinem Korn und SCvAlterung in den chemischen Kurven beobachtet. Das hohe pH-Wert-Niveau, bei dem sich dies abspielt, deutet zudem darauf hin, daß der Reaktionsablauf entscheidend auch vom sich einstellenden pH-Wert abhängt. Dieser ist aber wiederum von Menge und Korngröße des eingesetzten Kalziumkarbonates abhängig.
Wir müssen hier den Oberflächen-pH-Wert als zusätzliche Größe bewerten, die im Vergleich mit dem pH-Wert im Heißwasserextrakt das Verhalten des pH-Wertes in z-Richtung des Papiers beschreibt, also das Verhalten des pH-Wertes über die Dicke und nicht wie bei den übrigen Betrachtungen über der Zeit beschreibt.
Es zeigt sich, daß auch hier das feine Korn besser abschneidet, wenn man von den extrem abweichenden Werten absieht. Allerdings müssen wir auch hier bemerken, daß die Alterungsdauer nicht ausreicht, um eindeutige Aussagen treffen zu können, es kann nur die Tendenz wiedergegeben werden.
Insgesamt können wir aber feststellen, daß das Alterungsverhalten von der Einbringung unterschiedlicher Karbonate unterschiedlich beeinflußt wird.
Aus den dargelegten Ergebnissen geht deutlich hervor, daß eine Beurteilung der Alterungsbeständigkeit sehr wohl nach der Rezeptur erfolgen sollte. Insbesondere in bezug auf eine optimale Entsäuerung und Pufferung muß festgehalten werden, daß hier nicht das geflügelte Wort 'Viel hilft viel' zu neuern Ruhm kommt, sondern vielmehr noch genauere Untersuchungen unter Laborbedingungen durchzuführen sind, um eine bessere Eingrenzung vornehmen zu können. Derzeit muß festgehalten werden, daß das feine Korn bei 1% Eintrag das Optimum bezüglich des Alterungsverhaltens, beschrieben durch die gemessenen Parameter, darstellt.»
Ein weiterer Problemkreis eröffnet sich, wenn man wiederum natürlich gealterte Zeitungspapiere unter dem Aspekt der Ausbildung von Chromo-phoren betrachtet. Es zeigt sich in solchen Zeitungsbänden eine deutlich
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ausgeprägte Zweifarbigkeit an einzelnen Blättern. Eine Seite des Blattes ist stärker verbräunt als die andere. Bei dem Versuch, innerhalb eines gebundenen Zeitungskonvoiutes eine Systematik dieser Erscheinung zu finden, ergeben sich eine Reihe von Schwierigkeiten. Diese Schwierigkeiten ergeben sich aus der Tatsache, daß jede Zeitungsnummer unter Umständen auf ein anderes Material gedruckt sein kann. Demzufolge ergeben sich vergleichbare Zustände nur innerhalb einer Zeitungsnummer. Bei intensiver Auseinandersetzung mit dem Phänomen der Zweifarbigkeit findet man eine durchgängige Situation innerhalb des gebundenen Zeitungsbandes. Ungeachtet der unterschiedlichen Papiersorten oder Qualitäten ergibt sich die stärkere Vergilbung immer dann, wenn zwei Siebseiten aufeinanderiie-gen. Die dazugehörigen Filzseiten sind immer weniger gebräunt.
Die Siebsette von industriell gefertigtem Papier wird charakterisiert durch eine offene Oberfläche, die aus der Entwässerung der Papierbahn resultiert, im Gegensatz zur Filzseite, die geschlossener und dichter ausgebildet ist. Wenn die Bildung von Chromophoren als Indiz der Alterung gewertet wird, so stellt sich die Frage, ob ein Blatt Papier 'zweiseitig' unterschiedlich altern kann. Daß es so ist, zeigen Papiere, die längere Zeit einseitig belichtet wurden.
Photochemtsche Reaktionen sind für gebundene Zeitungskonvolute, die nachweislich einer geringen Benutzung unterlagen, nicht auszuschließen, keinesfalls aber typisch.
: Die Vorstellung, daß die vor einem halben Jahrhundert in der Regel benutzten Metallsiebe der Papiermaschinen als Ursache der verstärkten Verbräunung der Siebseiten in Frage kommen könnten, ist eher unwahrscheinlich. Wenn Schwermetallionen oder davon ausgelöste radikaüsche Reaktionen Ursache der geschilderten Erscheinung wären, so stellte sich die Frage, warum diese Erscheinungen in dieser Eindeutigkeit nur bei hoiz-schliffhaltigen sauren Papieren und nicht bei anderen zu beobachten sind.
Es bleiben, wenn man den Versuch einer Hypothese zur Erklärung unterschiedlicher Chromophorenausbildung an Sieb- und Filzseite von h.h. Papieren macht, die Vorstellungen übrig, die mit dem Wasser und Wasserhaushalt von Papier verbunden sind. Läßt man das Kristallwasser und das gebundene (okkludierte Wasser) außer acht, bleiben die Wasserfilme auf den Oberflächen des Papiers übrig. Immer wenn sich die offenen Siebseiten gegenüberliegen, ergibt sich die stärkere Verbräunung. Die Frage nach dem Warum könnte zusammenhängen mit der Vorstellung, daß die Konfigura-
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tion Siebseite auf Siebseite mit den dazugehörigen Wasserfilmen der Transportweg für exogene Alterungsursachen im Sinne von SO2, Stickoxiden u.a. sein könnte. Die offenen Siebseiten stellen dem Eindringen der im Wasser gelösten Schadstoffe weniger Widerstand entgegen ais die Filzseiten, die geschlossener sind.
Aus diesen Überlegungen sind die folgenden Fragen abzuleiten:
-
In welchen Relationen zwischen Schadstoffgehalt der Umgebungsatmo
sphäre und Wasserhaushalt im Papier erfolgt der Eintrag.
-
Welche Schadstoffe (gasförmig) rufen welche Schäden hervor.
-
Ist zu beweisen, daß es gasförmige Schadstoffe gibt, die sich im Papier
akkumulieren, gegenüber solchen, die zwischen dem Medium Buch und
der Umgebungsatmosphäre wandern.
Die exakte Beantwortung der Fragestellungen hätte gravierende Auswirkungen auf das Niveau der Lagerbedingungen.
Aus der optimalen Gestaltung aller die Lagerung von Papier beeinflussenden Faktoren ließen sich bestandserhaltende Effekte in Größenordnungen ableiten. Das Beziehungsgefüge von Massenentsäuerung und Lagerbedingungen wäre exakter aufeinander abstimmbar.
Aspekte der Lagerung
Die klassische Formulierung für ein günstiges Lagerklima in Bibliotheksmagazinen lautet: «so kühl und so trocken wie möglich». Der Konservator hinterfragt diese Aussage: wie trocken? - wie kühl? Die Antworten bilden eine Kompromißebene und pegeln sich ein bei Werten um 18° C und 50%rLF. Dabei besteht ein Konsens dergestalt, daß dieses Klirnapaar zwar nicht optimal, aber im allgemeinen realisierbar ist.
In diesem Zusammenhang sind die Ergebnisse des Abschlußberichtes des Forschungsvorhabens «Wissenschaftliche Arbeiten zur Ermitthing der optimalen Bedingungen für die Langzeitlagerung von arcbivalischem und bibliothekarischem Sammelgut», das im Auftrage der Kommission für Bestandserhaltung des Deutschen Bibliotheksinstitutes von der Batteile Ingenieurtechnik GmbH bearbeitet wurde, von Interesse.
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Aspekte der Lagerung
Ein Ziel des Vorhabens war es, festzustellen, welchen Einfluß häufige Klimawechsel auf die Festigkeit von Papieren ausüben. Durch experimentelle Untersuchungen sollte überprüft werden, ob klimatische Eckwerte existieren, die eine möglichst kalte und trockene Lagerung ermöglichen und gleichzeitig die Benutzung des Sammelobjektes in einem für Benutzer angenehmen Klima erlauben.
Die Experimente wurden mit neun ausgewählten Papiersorten durchgeführt. Die Versuchsmaterialien repräsentierten die Papiere, die in den Bibliotheken und Archiven am häufigsten vorkommen.
Die Langzeituntersuchungen wurden mit folgenden Klimaten durchgeführt.
- Nicht optimales Klima KI (Klima mit merklicher Wasseraufnahme und
-abgäbe)
Magazin-Klima: 7°C/30%rF Lesesaal-KHma: 29° C/80% rF
- Optimales Klima KII (Klima mit geringer Wasseraufnahme und -abgäbe)
Magazin-Klima 7°C/50%rF
Lesesaal-Klima 29°C/50% rF.
Die Untersuchungen zum Einfluß von Klimawechselbelastungen wurden parallel in zwei Klimaschränken durchgeführt. Dazu wurden die einzelnen Klimawerte über vier Stunden konstant gehalten, so daß für die Einstellung der Gleichgewichtsfeuchte ausreichend Zeit vorhanden war. Die Gleichgewichtseinstellung zeigt sich in der zeitlichen Gewichtskonstanz. Der Übergang von Klima I nach Klima II oder umgekehrt wurde in zwei Stunden realisiert, so daß in 24 Stunden vier Klimawechsel simuliert werden konnten. Die Experimente begannen im Juli 1992 und endeten im Dezember 1993. Insgesamt wurden die Papiere ca. 1450 Klimawechseln ausgesetzt.
Die Auswertung der Meßdaten erbrachte das unerwartete Ergebnis, daß die Schwankungen der Raumfeuchte keinen Einfluß auf die Alterung der Papiere ausübte, sondern allein die Temperaturschwankungen. Unabhängig davon, ob während eines Klimawechsels eine Wasseraufnahme oder Wasserabgabe stattfindet oder ob der Wassergehalt konstant bleibt, führt allein der Temperaturwechsel zu einer meßbaren Alterung.
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Aspekte
Da es aber in der Natur der Kaltlagerung liegt, daß ein Buch, welches aus einem kühlen, trockenen Magazin in einen warmen, feuchten Lesesaal verbracht wird, eine Temperaturänderung erfährt, führt dies zu einer Abnahme der Papierfestigkeit. Aus der alltäglichen Erfahrung, aber auch durch die Kenntnis der reaktionskinetischen Prozesse ist bekannt, daß Alterungsvorgänge in einer kühlen Umgebung langsam vonstatten gehen. Es ergibt sich daher die Frage, bei welcher Kaltlagerungstemperatur die Verlangsamung der Alterung größer ist als die Beschleunigung der Ake-rungsvorgänge aufgrund von Temperaturwechseln.
Zum Lignin - Aspekt der Alterung von Papier
Lignin - die inkrustierende Substanz des Holzes - ist bis heute Gegenstand der Forschung. Obwohl in den letzten Jahren viele Erkenntnisse zum Chemismus des Lignins gewonnen wurden, bleiben noch viele Fragen zur Substanz.
Lignin über den Holzschliff zum Papierbestandteil geworden, ist häufig als wesentliche Schadensursache oder als Verantwortlicher für die kurze Lebensdauer holzschliffhaltiger Papiere zitiert worden. Heute stellt sich die Frage nach der Priorität des Lignins als Schadensursache erneut.
Neuere Untersuchungen am Institut für Papierfabrikation der Technischen Hochschule Darmstadt widerlegen die immer wieder aufgestellte Behauptung, daß ein erhöhter Ligningehalt zwangsläufig die Alterungsbeständigkeit von Papier vermindert. Damit werden die Ergebnisse anderer auch internationaler Forschungsarbeiten über das Verhalten holzschliffhaltiger Papiere während der beschleunigten Alterung bestätigt.
Eggle et al. stellten fest, daß Papier aus Zellstoff-Holzstoff-Mischungen die besten Werte für die Benutzbarkeit nach einer beschleunigten Alterung von 30 Tagen bei 80° C und 65% relativer Luftfeuchte aufwiesen. Sie vermuten, daß die Holzschliffkomponenten Lignin und Hemicellulose die Cellulose schützen. Ernst kam aufgrund seiner Untersuchungen zum Schluß, daß bei Recyclingpapieren nicht zwangsläufig ein rascherer Alterungsverlauf gegenüber Papieren aus Primärfaserstoff zu erwarten sein muß. Zou et al. wiesen nach, daß Ligningehalte von bis zu 28% nicht zu einem größeren Festigkeitsabfall während einer beschleunigten Alterung führen. Allerdings führten höhere Ligningehalte zu niedrigeren Ausgangs-
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