c) Zur Kritik der dichotomischen (binären) Klassifikation der distinktiven Merkmale in der Phonologie.
In letzter Zeit wird die Theorie von R. Jakobson, G. Fant und M. Halle einer scharfen Kritik unterworfen.132 Zu den Thesen dieser Theorie, die nicht stichhaltig sind, gehören folgende:
1. Die Anwendbarkeit des Binaritätsprinzips in phonologischen Beschreibungen. Nicht alle Oppositionen können sich z. B. in dieses System einordnen. Z. B.: p — t — k. Die waagerechten Glieder dieses Systems b — d—g bilden eine ternäre Opposition nach der Artikulationsstelle, vgl. den Grad der Zungenhebung und der Lippenstellung für Vokale.
2. Der universale Charakter dieser Theorie, d. h. ihre Anwendbarkeit für alle Sprachen der Welt. Manche Sprachforscher sind der Meinung, daß die Zwölferliste erweitert werden muß, weil in neueren Sprachen noch weitere unbekannte Merkmale auftauchen.133
3. Die Richtigkeit der Auswertung der Ergebnisse der akustischen Spektralanalyse von Sprachlauten. In dieser Theorie wird nicht immer die akustische Terminologie konsequent angewandt. Es gibt darunter Termini aus der Musik, Physiologie oder sie sind rein impressionistisch (auditiv) bestimmt.134
4. Die Anwendbarkeit der akustischen Merkmale zu verschiedenen praktischen Zielen, wie im Phonetikunterricht, in der Specherziehung, in der Logopädie usw. Die Aneignung und Anwendung der akustischen Termini erfordert spezielle Ausbildung...
Aus den erwähnten Gründen muß vor einer Überschätzung der Ergebnisse der modernen Mikroakustik gewarnt werden. Die überprüfbaren, als distinktiv anerkannten Schallmerkmale haben nur dann einen linguistischen Wert, wenn das menschliche Ohr in der Lage ist, diese akustischen Erscheinungen zu unterscheiden. Das ist durchaus nicht immer der Fall.135 «Die Mikroakustik ist nicht imstande, distinktive Spracheinheiten festzustellen. Sie liefert dem Sprachwissenschaftler exakte Beschreibungen akustischer Merkmale, die in einer Sprache distinktiv ausgenutzt werden können, aber nicht müssen».136
Aus den obigen Darlegungen ist ersichtlich, daß die Theorie von R. Jakobson und seinen Mitarbeitern als eine Arbeitshypothese und als rein theoretisches Postulat angesehen werden muß.
X. Phonologische und phonetische Alternationen im Deutschen.
Unter der Alternation verstehen wir den phonetischen Unterschied zwischen den Abarten ein und desselben Stammes, Suffixes, Präfixes oder der Endung.137 Man unterscheidet zwei Arten von phonetischen Alternationen:
1. Phonologische (historische) Alternationen.
2. Rein phonetische (positionsbedingte) Alternationen (Tag — Tage, blind — blinde, sagt — sagen, Kind — Kinder).
Die phonologischen (historischen) Alternationen sind solche, die in der Geschichte einer Sprache durch phonetische Bedingungen entstanden waren, und im gegenwärtigen Zustand der Sprache nicht zu erklären sind. Im gegenwärtigen Deutsch gehören zu historischen Alternationen: Ablaut, Umlaut und Brechung.
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