Popularmusiker in der provinz



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Erste Phase


Journalist ist Keyboarder und zum Zeitpunkt des Interviews Mitglied der Osnabrücker Rockband Funk-rock. Journalist kommt nach eigener Aussage bereits sehr früh mit seiner eigenen Stimme in Kontakt. Sein Vater macht Tonbandaufnahmen von ihm als Kind und filmt ihn. Journalists Eltern sind selbst musikalisch tätig. Der Vater ist Mitglied in einem Laienorchester, er spielt Geige und Bratsche. Die Mutter spielte Klavier, als Journalist noch jünger war, später nicht mehr. Die Instrumente sind also ganz einfach im Haus. Mit fünf bis sechs Jahren versucht Journalist, seine Mutter zu imitieren, während diese Klavier spielt. Journalist spielt dann etwas ein paar Oktaven höher auf dem Klavier mit. Journalists Großvater ist Sänger in einem Gesangverein. Beim Familienausflug stimmt er regelmäßig die Wanderlieder an, die er selber noch kennt und die dann alle mitsingen.

Mit sieben bis acht Jahren hört Journalist gern Schlager, z.B. Ralf Bendix (”Babysitter-Boogie”).

Mit neun bis zehn Jahren steigt Journalist um auf Beatmusik. Journalist und seine Schwester ahmen dabei nach, was sie von Beat-Stars im Fernsehen sehen, deren Gebaren, auch deren Musik. Mit 12 Jahren nimmt Journalist freiwillig Klavierunterricht. Der sechs Jahre ältere Sohn eines Musikerkollegen seines Vaters zeigt Journalist die ersten Grundlagen, allerdings gemäß einem klassischen Unterrichtswerk. Journalist findet es toll, dass sein Lehrer zunächst immer so viele Hits spielte, vor allem solche von Udo Jürgens.

Zwei bis drei Jahre später hat Journalists Lehrer keine Zeit mehr (wohl aus beruflichen Gründen). Journalist besucht das Konservatorium, wo er klassischen Unterricht bis zum Abitur hat. 1967 bekommt Journalist seinen ersten Plattenspieler. Er hört viele Schlager von Single-Schallplatten. 1969 kaufte Journalist seine erste Rockplatte. Journalists Freunde waren überwiegend ca. zwei Jahre älter, hörten auch schon sehr viel Rockmusik und ”veralberten” den jüngeren Journalist bisweilen, weil er auf Schlager ”stand”. Journalist machte zu dieser Zeit auch viele Tonbandaufnahmen. Journalists erste Rock-LP stammt von der Gruppe ”UFO”. Journalist fängt an, Schallplatten zu sammeln, zunächst wahllos, orientiert sich an den Hitparaden, bevorzugt aber eher rockigere Stücke von ”The Who” u.a. . Journalist sammelt daraufhin gezielt ”seine erste Gruppe”: ”Uriah Heep”. Diese Band war derzeit ein ”Insider-Tipp”, auf den Journalist mehr durch den Einfluss seiner Freunde kommt. Journalist interessiert sich jetzt auch für die Ableger dieser Band : Solo-LP´s der einzelnen Musiker und Projekte, wo diese mitwirken. Journalist ist zu diesem Zeitpunkt 17 Jahre alt.


Nächste Phase


Journalist hört sehr viel und ”ungezielt” Popularmusik. Ort ist meistens ein Schallplattengeschäft in Osnabrück, in dem ein Freund von Journalist arbeitet und ihm Tipps gibt, welche Platten interessant seien.

Es zeichnet sich bei Journalist eine Ausrichtung auf solche Musik ab, in der Keyboards eine wichtige Rolle spielen. Journalist besucht während dieser Zeit auch viele Konzerte. Er hört und sieht vor allem solche Gruppen wie ”Birth Control” und ”Ekseption”, natürlich auch viele Deutschrockbands, bei denen eine Orgel ganz wichtig war.

Ein französischer Keyboarder, der in der Hamburger ”Szene” zu der Zeit tätig war - Jean-Jacques Kravetz - interessiert Journalist zeitweise recht stark. Journalist bemerkt, dass in der ihn interessierenden Pop-Rockmusik ”klassische Elemente” vorkommen und auch ganz anders verwertet bzw. eingesetzt werden. ”Klassik” beherrscht Journalist ja bereits schon ein bisschen. Journalist hört jetzt sehr selektiv. Sein Interesse gilt sogenannten ”Art-Rock”-Bands, die klassische Elemente als Versatzstücke benutzen. Solche Bands sind ”Yes”, ”Emerson, Lake and Palmer”, ”Genesis” u.a. . Unter diesem Aspekt sucht Journalist ganz gezielt neue Sachen, u.a. sieht er in der Stadt den Lokalmatadoren Side-man und erfährt, dass man derartige Musik auch in Osnabrück machen kann.

Wichtiger Aspekt für Journalist ist jetzt aber auch, dass er durch die Schallplatten Anregungen für das ”Selbermachen” beziehen kann. Zwar spielt Journalist Stücke nach, jedoch nur die, die ihm gut gefallen. Er probiert aber auch mehr, um zu eigenen Stücken zu kommen, zumindest so ähnlichen wie die, die ihm von den Schallplatten her bekannt sind, und er denkt sich eine Menge in dieser Richtung aus.

Wie geht das vor sich?

Journalist probiert viel aus. Ganz unsystematisch spielt er zunächst ”drauf los” und improvisiert. Schließlich kommt er auf konkrete Phrasen, auf musikalische Riffs, manchmal ganze Abschnitte von Stücken. Journalist geht bei seinen Improvisationen häufig von kleinen simplen Riffs (musikalischen Phrasen) aus, die er von verschiedenen Schallplatten her kennt. Rhythmische Figuren oft, die ihm z.B. gut gefallen. Daraus entwickelt Journalist dann etwas, improvisiert damit herum. Journalist kopiert nicht, zumindest nicht bewusst.

Dass bei seinen Aktivitäten aber doch schon mal eine Art Kopie herauskommen kann, zeigt die gelegentliche Reaktion seiner Bandkollegen, wenn Journalist ihnen etwas von ihm Entwickeltes vorstellt. ”Hör mal”, sagen sie dann, ”das klingt aber wie das und das”.

Die Band scheint hier eine Art Korrektiv abzuliefern und eher zum Nicht-kopieren anzuhalten. Was Journalist aber von seinen eigenen Stücken beibehält, gefällt ihm mindestens so gut wie die Schallplattenmusik, die er hört.

Journalist macht seine Kompositionen zunächst alle auf dem Klavier. Parallel dazu hat er immer noch klassischen Klavierunterricht.

Über sein Interesse an Rockmusik, in der klassische Versatzstücke verarbeitet werden, kommt Journalist deswegen auf die Originale, die den Klassikrock-adaptionen zugrunde lagen (einige von Journalists Kollegen verfuhren in ähnlicher Weise, der eine oder andere fühlte sich dann aber doch schon mal ”verladen”, indem er feststellen musste, dass die Klassikrockstücke häufig nur sehr wenig mit den Originalkompositionen zu tun hatten, z. B. das Stück ”Pictures at an Exhibition” von ”Emerson, Lake and Palmer”, was angeblich nach einer Vorlage von Mussorgsky gemacht worden ist).

Ein Zufall zu dieser Zeit ergab sich über Journalists Vater, der sich, Journalist ist inzwischen 17 Jahre alt, zu dieser Zeit für diverse Tanzmusikorganisten begeisterte, die als Alleinunterhalter auftraten. Journalist und sein Vater bauen schließlich aus einem Bausatz eine ”Wersi”-Orgel zusammen. Andererseits ist Journalists Musiklehrer, den er im letzten Schuljahr bekommen hat, der Rockmusik gegenüber sehr aufgeschlossen, jedoch nicht nur gegenüber dieser Musik. Er bringt den Schülern fast jede Musikart nahe. Im Unterricht wird z. B. die derzeit laufende Fernsehserie ”Sympathy for the Devil” nachgearbeitet. Die ”Wersi”-Orgel ist inzwischen fertig. Journalist lernt einen Schulfreund kennen, der schon einige Keyboards besitzt. Billige Synthesizer, eine Orgel usw.

Viele Wochenenden werden jetzt mit gemeinsamem Musizieren verbracht. Seine Eltern finden das gar nicht so schön. Sie hätten es lieber, vor allem sein Vater, wenn Journalist ”vernünftige” Musik machte. Journalist muss aus diesem Grund regelmäßig klassische Musik üben, ob er will oder nicht. Seine erste Band ist somit auch eine Art ”Trotzband”. Aber Journalist steht natürlich auch auf die Musik, die er machen kann : Es gibt keine Noten, er kann improvisieren. Seine Vorbilder improvisieren schließlich auch alle, bringen sogar Show-Einlagen in ihrer Darbietung unter. Dieses macht für Journalist die Rockmusik emotionaler. Klassische Musik ergreift ihn innerlich nicht, wohl aber solche Musiker wie ”Emerson, Lake and Palmer”, die er z. B. einmal live sehen konnte. Für Journalist ist diese Musik ”ungezwungener”. Die Klassik ist für ihn ”zu steif”, zu ernst. Die klassische Konzertsituation behagt ihm nicht.



Wichtig : Bevor Journalist überhaupt Rockmusik allein oder mit anderen zusammen zu machen versucht, hat er für sich schon die Wunschvorstellung, in einer Band spielen zu wollen. Die Rock-Vorbilder sind für Journalist zwar zunächst musikalische Vorbilder, Journalist ahmt aber auch bald deren Posen, ihre Show nach. Die Rockmusiker sind für Journalist letztendlich eine Art ”Gesamtkunstwerk”.

Journalist macht sogar diesbezüglich schmerzhafte Erfahrungen. Die ”Wersi”-Orgel eignet sich von der Bauart her nicht für Showaktivitäten, etwa nach Art eines Keith Emerson, der seine ”Hammond”-Orgel damals mit Schlachtermessern zu traktieren pflegte. Journalist sammelt zu dieser Zeit Zeitungsausschnitte über seine derzeitigen Stars, besorgt sich auf einer Klassenfahrt in London deren ”Songbooks”, die man in Deutschland nicht bekommen kann. Parallel spielt Journalist in einem Schulorchester. Dort werden auch Pop-Titel einstudiert. Er lernt Lederjacke und M.E. kennen. Die beiden treten später als Mitglieder der Osnabrücker Rockband New-wave auf. Journalist, Lederjacke und M.E. interessieren sich im Schulangebot für alles, was irgendwie mit Musik zu tun hat. In diese Zeit fällt auch Journalists erster Auftritt mit seinem Synthesizer-Kollegen. Ort und Anlass ist eine Party seines Freundes. Der Erfolg des Auftritts ist aber äußerst mäßig.

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