Popularmusiker in der provinz



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Die erste Band


Bassistin leiht sich in den Ferien die Anlage ihres Freundes und eine E-Gitarre und ”trommelt” ihre Freundinnen zusammen. Diese spielen auch Gitarre oder manchmal Bongos. Man spielt zunächst Bassistins Stücke, weil, so führt Bassistin aus, die anderen es nicht gewohnt waren, Sachen vorzuschlagen. Das Ganze ist keine langfristige Angelegenheit.

Die zweite Band


Ein Referendar einer Mädchenschule will eine Schülerband aufziehen. Er sucht an verschiedenen Städt. Schulen in Münster, wo Bassistin lebt, interessierte Akteure für dieses Projekt. Es wird schließlich eine gemischte Band der Bläser wegen, die meistens Jungen sind. Der Referendar tritt an Bassistin heran, an deren Schule er sich auch erkundigt hatte, weil Bassistin an ihrer Schule durch diverse musikalische Aktivitäten aufgefallen war, z.B. im Zusammenhang von Schulfesten o.ä. . Bassistin will in der Band zunächst Gitarre spielen, wechselt dann aber zum E-Bass. Der Grund : Es gab bereits drei Gitarristinnen, und E-Bass will zunächst keiner spielen.

Bassistin zeigt Mut, sie macht es. Vom E-Bass-Spielen hat Bassistin zunächst keine Ahnung. Das ist auch nicht unbedingt nötig, es muss sowieso alles nach Noten gespielt werden, wie sie sagt. Mit der Schülerband kommt es sogar zu Radio- und Fernsehauftritten. Im Raum Münster kann man sogar eine Schallplatte dieser Kapelle kaufen. Bassistin steigt aber aus der Band aus, da ihr eine weitere Mitgliedschaft ”zu blöd” wird. Mit 17 Jahren kauft Bassistin sich eine Gitarre. Bass spielt sie mittlerweile nicht mehr.

Wichtig : Schon bevor Bassistin ihre erste Band hatte, verspürte sie den Wunsch, in einer Band spielen zu wollen. Idole aus dem Fernsehen sind ihr dabei sehr wichtig, ”Suzie Quatro” z.B., aber mehr, ”weil die ein Mädchen ist”. Die Idole, sagt Bassistin, lieferten die Vorstellung, durch eine Band und dadurch, dass man dort mitspiele, genauso wie die Idole sein zu können. Bassistin ist von Haus aus relativ eingeschränkt. Sie darf nicht viel machen, nicht viel ausgehen. Die Musik ist ein Ersatz für sonstige Freizeitgestaltungen, eine Art, Freizeit totzuschlagen. Vor diesem Hintergrund möchte Bassistin ihre Wunsch-vorstellung angesiedelt wissen.

Die dritte Band


Bassistin hat mittlerweile E-Gitarren-Unterricht in der Jazz-Abteilung der Städt. Musikschule in Münster. Sie hat dort bei einem Rockprofi Unterricht, lernt auch einige andere angehende ”Profis” kennen. Bassistin findet es ”toll”, diese Leute zu kennen, sich mit ihnen in den ”Szene”-Kneipen der Stadt treffen zu können. Bassistin übt überhaupt nicht mehr. Sie meint, das habe am Lehrer gelegen, an dessen ”Lebemann-Understatement” sie sich gestoßen habe.

Mit den anderen Profis ”jamt” Bassistin manchmal. Die dafür notwendigen Geräte stehen schließlich im Unterrichtsraum ”herum”, außerdem proben die anderen Profis dort auch regelmäßig. Die Profis sagen zu Bassistin : ”Für `ne Frau nicht schlecht”. Bassistin darf nur Rhythmusgitarre spielen, weil der Lehrer sich profilieren möchte. Irgendwann bekommt Bassistin dann, weil sonst wieder keiner da gewesen sei, einen E-Bass in die Hand gedrückt. Ein paar Sachen kennt sie schon, ein paar Tipps kommen vom Lehrer, aber, so Bassistin, E-Bass spielen sei das immer noch nicht gewesen. Sie spielt, als würde sie Gitarre spielen.


Die vierte Band


In einer Schülercombo der Jazzabteilung fehlt ein Bassist. Bassistin wird durch ihren Lehrer in diesen ”Job” vermittelt. Bassistins Lehrer hat dienstlich mit dem Betreuer dieser Jazz-Combo zu tun und empfiehlt diesem Bassistin. Bassistin spielt auch in dieser Band nach Noten E-Bass. Diesmal sind es Jazzstandards.

Es folgt für Bassistin eine Phase der musikalischen Inaktivität. Sie ist zu Hause ausgezogen und hat ein Studium begonnen. In ihrem Leben hat sie jetzt einen gewissen Freiraum, den bislang die Musik ausgefüllt hatte bzw. ausfüllen musste und den sie sich auch ersehnt habe. Bassistin studiert in Osnabrück. Ein Studienkollege vermittelt sie in die Band Funk-rock, da sie erzählte, sie habe wieder Lust, in einer Band zu spielen. In der Band muss Bassistin, wie sie sagt, eigenständige Bass-Linien spielen. Das interessiert sie. Darüber hinaus nimmt sie E-Bass-Unterricht.


Die Band Funk-Rock - eine kleine ”Misserfolgsgeschichte” :

Als Bassistin von Funk-rock hört, existiert die Combo bereits mehrere Jahre. Mittlerweile spielt die Band häufig auswärts Auftritte in guten Clubs, z.B. in Hannover oder in Hamburg. Es gibt aber keine echte Resonanz. Entweder fehlen die Leute oder die Begeisterung für die Musik oder beides.

Diese Auftritte (so glauben zumindest die Mitglieder der Band, vor allem E. M.G., der diesbezüglich sehr aktiv ist, die Auftritte überhaupt zu beschaffen), sollen der Band einen Durchbruch verschaffen, was aber nie so richtig gelingt.

Es gibt so gut wie keinen Kontakt zur Musikindustrie oder zu den Massenmedien. Wenn es zu einem Kontakt kommt, dann zu einem äußerst zweifelhaften. Die Reaktion innerhalb der Band : Es wird viel gesoffen, vor allen Dingen von E. M.G. und P.V., dem zweiten Gitarristen, manchmal sogar vor solchen Auftritten, die die Band für wichtig hält.

Die Arbeit der Band leidet stark darunter. Darüber hinaus haben die einzelnen Musiker nichts oder kaum etwas miteinander zu schaffen. Privat, so Bassistin, läuft wenig, so gut wie nichts. E. M.G. ist mittlerweile auch in Münster, wo er in einer ”Szene”-Kneipe einen Job bekommen hat. Das Problem ist, so Bassistin, dass E. M.G. der Frontmann der Kapelle sei. Bassistin sagt, er habe gute Anlagen, aber er leide darunter, dass er zu wenig kann, dass er zu alt sei. Journalist bestätigt diese Sichtweise. E. M.G. arbeite wenig an sich, noch weniger an der Musik, die er machen möchte, und er will trotzdem unbedingt ein Popstar werden. E. M.G. versucht, die Band durch das Knüpfen von Kontakten zu ”wichtigen Leuten” zu ”pushen”.

Bassistin sagt, es sei viel über Frauen gelaufen und auch wieder über das Saufen. Bassistin sagt auch, die Band sei nicht kaputt gegangen, weil man keinen Schallplattenvertrag bekommen habe, sondern viel mehr aus dem Grund, dass mit der Zeit allgemeine Unproduktivität ausgebrochen sei, dass es sozusagen keine Erfolge bei den Proben gegeben habe. Für Bassistin sei es klar gewesen, das Ziel von E. M.G., der in der Band sehr aktiv gewesen sei, war einfach zu unwahrscheinlich, zu hoch gesteckt. Er habe irgendwann unter den Misserfolgen zu leiden begonnen und dadurch die anderen Mitglieder der Band beeinflusst. Ihn und P.V., den zweiten Gitarristen, bezeichnet Bassistin z.B. auch als ”sehr labil”. E. M.G. verlässt die Band Funk-rock schließlich einer anderen, für ihn mehr Erfolg versprechenden Formation wegen. Diese Formation erleidet mit der Zeit jedoch das gleiche Schicksal wie Funk-rock. Hinzu kommt : E. M.G. hat sich inzwischen dem Publikum und den Mitmusikern gegenüber Allüren angewöhnt, die, wie Bassistin sagt, im krassen Missverhältnis stünden zu seiner Bedeutung als Popmusiker (Nebenbei sei es E. M.G. auch recht gewesen, mit der neuen ”Erfolgsband” sehr viel Material der alten Band Funk-rock zu spielen. Bassistin sagt, von diesen Stücken hätten zwar nur die Gesangsmelodien von E. M.G. gestammt, die Kompositionen seien also gar nicht allein von ihm erstellt worden, aber E. M.G. scheint dieses egal gewesen zu sein. Bassistin meint, er habe halt unbedingt Pop-Star werden wollen.)

Der Rest der alten Funk-rock versucht, das Image zu halten. Die Band war ja zumindest eine Zeitlang eine Art erfolgreicher Lokalmatador. Das erweist sich jedoch als Fehlanzeige, es passiert nichts Neues mehr. Die Band bricht schließlich endgültig auseinander. Bassistin meint, man habe sich schließlich in einer Art künstlerischen Sackgasse gesehen. Die Band sei im Vergangenen immer mehr in die Funktion als E. M.G.´s Begleitband geraten. Damit fanden sich die Bandmitglieder in der Regel ab, das sei für die meisten von ihnen auch bequemer gewesen, als sich immer wieder mit E. M.G. herumzustreiten. Dieser konnte sehr prätentiös bzw. ambitioniert sein. Mit der Zeit habe E. M.G., so führt es Bassistin aus ihrer Sichtweise aus, immer mehr den Part der treibenden Kraft innerhalb der Band übernommen, bis er diese Rolle schließlich ganz allein ausgefüllt habe. Da er auch noch der Frontmann der Band gewesen sei, sei die ganze Angelegenheit schließlich geplatzt, als er gegangen sei.


Kleiner Nachtrag zu E. M.G. :

Bekannte haben ihn aus Schottland geholt, wo es E.M.G. nicht unbedingt glänzend gegangen sei. Angeblich hatte er dort aber schon in verschiedenen Bands Musik gemacht. Anscheinend war E.M.G. von der Annahme ausgegangen, in Deutschland mit der Musik bessere Chancen zu haben, vielleicht sogar in professioneller Hinsicht. Diese Spekulation erweist sich als Fehlanzeige. Immerhin gerät E.M.G. an Musiker in Osnabrück und wirkt eine Zeitlang in einer Band mit. Schließlich ”platzt” die Band. Journalists alte Band sucht einen Sänger, zumindest einen, der gut Englisch singen kann. Man macht Sessions mit E.M.G., aber auch mit anderen befreundeten Musikern, so z.B. auch mit dem Gitarristen H.M.H. und mit dem Schlagzeuger H.D. Es ist auf E. M.G.´s Initiative zurückzuführen, dass aus diesen Leuten schließlich die Band Funk-rock entsteht. Später kommt noch ein zweiter Engländer hinzu, P.V., der wie E.M.G. ebenfalls aus Schottland stammt. P.V. singt in der Band und spielt die zweite Gitarre.

E.M.G. versucht eine Weile, Funk-rock, ”seine” Gruppe, ins Musik-Business zu lavieren. Er lernt Side-man kennen und arbeitet mit ihm zusammen an Side-mans Solo-LP, die dann aber nicht veröffentlicht wird. Dabei gerät er an einen Mitarbeiter eines großen Hamburger Musikverlages, der für die Gruppe Funk-rock ein erfolg- bzw. folgenloses ”Showcase” arrangiert, was noch vor Bassistins Zeit bei der Gruppe war.

Nach dem ”Split” von Funk-rock geht E.M.G. nach Münster und arbeitet in verschiedenen ”Szene”-Lokalen als Zapfer, Verantwortlicher für das Live-Musikprogramm und Diskjockey. Daneben betreibt er einige Combos, zunächst mit Münsteranern, später auch mit Musikern aus England. Mit Unterstützung eines ins Business involvierten Musikers, dem eines der Lokale gehört, in denen E.M.G. arbeitet, unternimmt er Schallplattenproduktionen. E.M.G.´s popularmusikalische Aktivitäten verlaufen jedoch auch in diesem Stadium erfolglos.

Inzwischen ist E.M.G., der immer noch in Münster lebt, Vater und betätigte sich zeitweilig als Bauarbeiter. Z.Zt. arbeitet E.M.G. als Geschäftsführer eines Jugendhilfeprojektes und macht immer noch Musik.
(16) Gedächtnisprotokoll des Interviews mit Journalist, durchgeführt von Andreas Wilczek am 02.09.1985


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