Popularmusiker in der provinz


) Wie kommt man zu so einer Tätigkeit ?



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2.1.) Wie kommt man zu so einer Tätigkeit ?



a) Wann finden die ersten Kontakte mit Popularmusik statt, mit welchen Genres, und wie wird in diesem Zusammenhang mit der betreffenden Musik umgegangen ?

Es sei hier darauf hingewiesen, dass diese Frage von den Interviewten nur aus der Erinnerung beantwortet werden konnte und die meisten der Befragten sich dabei an gewisse Anekdoten gehalten haben dürften - bestimmte Ereignisse, Episoden aus ihrem Leben -, an die sie sich in Verbindung mit Popularmusik erinnern konnten und die sich wahrscheinlich eher durch eine gewisse Spektakularität auszeichnen als durch den Umstand, dass der Berichtende dabei tatsächlich zum ersten Mal in seinem Leben bewusst mit diesem Musikgenre in Berührung gekommen war.

Dass einige der Befragten z.B. mit der von ihren Eltern präferierten Popularmusik bereits vor den von ihnen referierten Ereignissen Tuchfühlung gehabt haben könnten, an die sie sich aber zum Zeitpunkt des Interviews nicht erinnerten oder die ihnen nicht berichtenswert genug erschienen sein könnten, soll deswegen nicht ausgeschlossen werden. Ebenso wenig die Tatsache, dass der erste Kontakt der Befragten mit anderen Popularmusik-Genres erfolgt sein könnte, als im Zusammenhang der ersten zeitlichen Lokalisierungen benannt wurde.

Ein Teil der Interviewten gab an, erstmalig mit Popularmusik im Elternhaus in Berührung gekommen zu sein (Harley, Paradiddle, Journalist, Vagabund, Lehrer, Hobby). Als eine Hilfestellung leistende Voraussetzung kann hierbei das Vorhandensein und die Benutzungsmöglichkeit entsprechender technischer Geräte betrachtet werden.

Von einigen Interviewten wurden als einschlägige Anekdoten solche Ereignisse memoriert, die sich etwa von ihrem achten bis zwölften Lebensjahr ereigneten. Gegenstand dieser Anekdoten ist im wesentlichen der Umstand, dass man als Kind der Rezeption von bestimmten massenmedialen Unterhaltungsangeboten durch die Eltern beiwohnen durfte, als deren Programmbestandteile seinerzeit aktuelle Popularmusik-Genres meist deutscher oder anglo-amerikanischer Provenienz firmierten (Lehre, Harley).

An anderer Stelle wird berichtet, dass einschlägige meist an Nachmittagen ausgestrahlte Radio- oder Fernsehsendungen, die sich hauptsächlich auf die Darbietung von Popularmusik und selbstverständlich auch der dazu passenden Interpreten beschränkte, von den Eltern - quasi als eine Art Kinder- bzw. Jugendlichen-Programm - den Kindern zugestanden wurden (Harley, Lehrer). Mindestens in einem Fall war im Haushalt auch eine große Tonträgersammlung mit Popularmusik der 1970-er Jahre vorhanden und dem/der Interviewten sogar ohne weiteres zugänglich (Bassistin).

Einige der Interviewten gaben darüber hinaus an, besonders durch das in den einschlägigen Fernsehsendungen gezeigte Gebaren der Rock-/Pop-Künstler - gemeint sein dürfte hier das “Posing” der Künstler vor der Kamera - beeindruckt worden zu sein und zunächst versucht zu haben, diese Attitüden nachzuahmen - z.T. vor dem elterlichen Schlafzimmerspiegel (Journalist, Bassistin).

Ferner gab es Versuche, das Äußere der Musiker - die Kleidung, die Frisur o. ä. - zu imitieren (DJ, Harley), wie sich auch - etwa im Alter von zwölf bis vierzehn - erste Schritte von bloßem Nachäffen der Musik (Bassistin) zum richtigen Nachspielen gängiger Popularmusiktitel vollzogen (Bassistin, Journalist).

Andere Interviewte (Spaß, Langer, Paradiddle, Harley) wiesen in ihren Anekdoten auf den Umgang mit älteren Geschwistern und/oder Verwandten hin, die im Beisein der Jüngeren ganz einfach ihrer Freizeitgestaltung und dabei auch ihren Musikpräferenzen nachgegangen seien. Ähnlich wie im vorangegangenen Punkt dürften die Jüngeren hier quasi “unter der Hand” mit der Popularmusik der älteren Jugendlichen in Berührung gekommen sein, zumal die Jüngeren manchmal gar keine andere Wahl gehabt hätten, als die Freizeitaktivitäten der Älteren mitzumachen, bei denen letztere manchmal natürlich auch ihre Musik gehört hätten (Spaß). Nicht selten kamen die Interviewten dabei mit Popularmusik-Genres in Kontakt, die sich eher abseits der Präferenzen der Eltern und/oder der Gleichaltrigen befunden haben dürften, die aber nicht in jedem Fall (z.B. bei der sog. “Jux-Musik” = Dixieland Jazz - Spaß I./II.) zum Gegenstand der Präferenzen der jeweiligen Interviewten gemacht wurden - noch nicht einmal zeitweilig.

Natürlich stellt Musikhören - vor allem Popularmusik - auch sog. Gleichaltrigengruppen bzw. “peer-groups” sowie auch im näheren Freundeskreis anderer untersuchter AkteureInnen einen wichtigen Bestandteil der gemeinsamen Aktivitäten dar (Spaß I./II, Harley, Langer, Paradiddle, Hobby, vergl. auch “Shell Jugendstudie `97”) : Für Bassistin war Popularmusikhören - allein oder zusammen mit einer Freundin, allerdings immer zu Hause - deswegen von so großer Bedeutung bei ihrer Freizeitgestaltung, weil sie an i.d.R. außer Haus stattfindenden Cliquenaktivitäten häufig nicht teilnehmen durfte. Ihr Vater erlaubte das nicht, weil - wie sie meint - Bassistin ein Mädchen war.

Die im Zusammenhang der Aktivitäten im Freundeskreis oder in der Gleichaltrigengruppe rezipierte Popularmusik kann zwar im einen oder anderen Fall die Funktion eines Unterscheidungsmerkmals der eigenen Clique gegenüber anderen einnehmen (Lehrer, Hobby, Harley, Paradiddle, Spaß I./II.). Andererseits war es gelegentlich für die Interviewten auch von Bedeutung gewesen, dass ihre Popularmusik sich von der Musik - insbesondere der Popularmusik - der Erwachsenen unterschied (Lehrer, Beat).

Die im Umgang mit älteren Jugendlichen erworbene Kenntnis bestimmter Popularmusik-Genres konnte u.U. dabei dienlich sein, den eigenen Status in der jeweilig eigenen Clique oder Gleichaltrigengruppe aufzuwerten (Langer, auch Beat, Spaß I./II. oder Harley).

Dafür, dass es zur Ausbildung einer konkreten Vorliebe für ein bestimmtes Popularmusik-Genre bei den jeweiligen Interviewten kommt, werden nicht selten gewisse gefühlsmäßige Aspekte von den Befragten geltend gemacht. Interviewte gaben etwa an, sie hätten zunächst Gefallen an einem Genre entwickelt und später dann weiteres, tiefer gehendes Interesse (Spaß I./II., Vagabund, Hobby, Harley, Paradiddle, Langer, Humor u. a.).
b) Welche Rolle spielen dabei Angehörige, Freundeskreis, Schule/Lehrer, Massenmedienangebote, sonstiges?

Angehörige : Wenn auch bei vielen Interviewten der erste Kontakt mit Popularmusik im Elternhaus stattgefunden haben dürfte, das Elternhaus diesen Kontakt in gewisser Weise ermöglichte und ggf. indirekt Hilfestellungen unterschiedlicher Art dabei bot, so schienen die Eltern den sich ausbildenden Präferenzen zumindest im Fall älterer und “mittlerer” Interviewten eher indifferent gegenüberzustehen. Gelegentlich wird von ablehnender Haltung seitens der Eltern in bezug auf die Aufnahme erster eigener musikalischer Aktivitäten im Popularmusikbereich berichtet (Spaß I./II., Humor). Ältere Geschwister, Vettern, ältere Kumpels u.ä. lieferten in diesem Zusammenhang nicht selten eine Art Vorbildfunktion. Sie betätigten sich auch manchmal hinsichtlich Popularmusik- Präferenzen als Mentoren sowie als günstig nutzbare Informationsquellen für neue Popularmusik (Harley, Langer), zumal diese älteren Bezugspersonen häufig bereits über ein eigenes Einkommen verfügten, das sie z.T. in Popularmusik-Tonträgern anlegten. Durch solch eine ältere Bezugsperson erhielt der eine oder andere Interviewte auch seine erste popularmusikalische Instrumental-Lektion (Beat, Harley, Langer, Vagabund, Independent, Mitglieder von Hard-rock).
Freundeskreis : Auch die jeweiligen Freundeskreise konnten u.U. als Informationslieferanten einiger Interviewter dienen (Langer, Lehrer, Spaß I./II., Lederjacke I./II., Hobby) : Da viele der Interviewten im Alter von 17 bis 19 zwar noch nicht über besonders viel eigenes Geld, wohl aber manchmal über Aufnahmegeräte verfügten (Kassettenrecorder, billige Tonbandgeräte), stellte der Freundeskreis auch nicht selten eine Art “Tonträger-Verleihbörse” dar (Lehrer, Spaß I./II., Paradiddle).

Darüberhinaus können vom Freundeskreis gelegentliche Anregungen hinsichtlich popularmusikalischer Präferenzen ausgehen (Lehrer, DJ), auch im Hinblick auf eigene musikalische Aktivitäten. Nicht selten rekrutieren sich die Teilnehmer der ersten gemeinsamen popularmusikalischen Combo-Aktivitäten aus dem Freundeskreis (Spaß I./II., Lehrer, Lederjacke I./II., Humor, Hobby, Paradiddle, Harley, Langer; vergl. ferner “Vorstudie 81/82”).


Schule/Lehrer : Zumindest bei dem einen oder anderen älteren Interviewten gab die Schule die Möglichkeit zu kostenlosem, wenn auch klassisch ausgerichtetem ersten Instrumentalunterricht (DJ). Bei den “mittleren” und “jüngeren” fanden sich ferner gelegentliche Möglichkeiten zu popularmusikalisch orientiertem Ensemblespiel (DJ, Bassistin, Hobby) in Schul-Bigbands oder bei Aufführungen von Jugendgottesdiensten. Lehrer traten in diesem Zusammenhang eher selten als Mentoren/Förderer in Erscheinung - bei den “mittleren” Interviewten in einem Fall (Bassistin).

Aus Statements “jüngerer” Interviewte (Independent) und Befunden aus neuerer teilnehmender Beobachtung ergeben sich jedoch Beispiele, dass Lehrer an allgemeinbildenden Schulen - wohl auch bedingt durch eine Art Neigungsgruppen-System im Musikunterricht (Lehrer) - immer mehr popularmusikorientierte Projekte initiieren, z.B. Musical-Aufführungen durch die Schüler oder Demo-Aufnahmen mit Schüler-Combos.

Gerade solche unter den “mittleren” Interviewten, die klassischen Musikunterricht hatten, berichteten über gelegentliche Ablehnung und Unverständnisäußerungen ihrer derzeitigen Instrumentallehrer gegenüber Popularmusik (Paradidd-le, Langer, Lehrer, ebenso Hobby).

Es kann jedoch vor dem Hintergrund der Statements nicht gesagt werden, dass sich das Popularmusikinteresse der Interviewten als Reaktion auf die Attitüde ihrer Lehrer herausgebildet hat. Dieses Interesse war bereits vorhanden, und die Reaktionen auf die Lehrer gingen eher in die Richtung, dass man sich nach einem neuen Unterrichtsangebot oder einfach nur nach einem anderen Lehrer umsah (Paradiddle, Lehrer).

Popularmusik-Unterricht wurde zwar auch schon von einigen Teilnehmern der “Vorstudie 81/82” wahrgenommen und von den Unterrichteten durchaus sehr geschätzt (Langer, Humor; vergl. auch Gruppengespräch Deutsch-rock). Aus Statements “jüngerer” Interviewter (Independent, Hard-rock) und aus teilnehmender Beobachtung ergibt sich, dass in neuerer Zeit bei aufkommendem Interesse an Popularmusik nicht selten sehr schnell der Weg zu einschlägigen Unterrichtsangeboten gewählt wird 319.
Massenmedien : Letztendlich sind es die Massenmedien, die die Inhalte stellen, mit denen die Interviewten auf den oben beschriebenen Wegen erster Kontaktaufnahme mit Popularmusik in Berührung kommen.

Nahezu alle Interviewten hatten darüber hinaus die Möglichkeit, aus dem bestehenden Massenmedienangebot mit der Zeit selbständig auswählen zu können und die Auswahl auch manchmal mit zur Verfügung stehenden technischen Mitteln zu konservieren (Lehrer, Lederjacke II., Spaß I./II., Hobby, Paradiddle, Bassistin, Pharma).

Nicht selten wird von Interviewten auch über eine Phase quasi chaotischem Herumsuchens unter den unterschiedlichen, popularmusikalischen Massenmedienangeboten berichtet (Humor, Bassistin, Journalist, Langer, Harley).

Die Herausbildung spezieller stilistischer Präferenzen findet ebenfalls häufig vor dem oben beschriebenen Hintergrund statt und ist begleitet durch die regelmäßige Frequentierung von “Spezialsendungen” (Beat, Pharma, Lehrer; Hobby) und/oder durch den Kauf von fast ausschließlich nur Tonträgern eines bestimmten popularmusikalischen Stilspektrums (Spaß I./II., Paradiddle, Harley) - mit gelegentlicher “Sammler-Attitüde”.

Die sich so entwickelnden Popularmusikpräferenzen bzw. popularmusikbezo-genen Konsumgewohnheiten können u.U. zur Herausbildung eines stilistischen Vorstellungshintergrundes darüber beitragen, welche Musik man selber gerne einmal machen möchte und wie man ggf. dabei auch aussehen möchte. Vor solch einem popularmusikbezogenen “Vorstellungshintergrund” finden nicht selten die ersten eigenen Aktivitäten in einer Combo statt (Beat, Spaß I./II., Lederjacke I./II., Harley, Hobby) 320.

Die Massenmedien dürften in diesem Zusammenhang zwar gewisse Orientierungsmuster liefern, musikalische manchmal auch außermusikalische (Harley, DJ). So kann im Falle von Paradiddle und Harley in gewissem Sinne von einer massenmedialen Einflussnahme außermusikalischer Art gesprochen werden : Beide führen aus, dass auf sie das “Star-Sein”, der durch die Massenmedien vermittelte Starhabitus des “auf-der-Bühne-stehen-und-bewundert-Werdens” eine große Faszination ausübte, wenn nicht sogar für sie die zunächst ausschlaggebende Triebfeder zur Aufnahme popularmusikalischer Tätigkeit dargestellt haben dürfte (Harley, Paradiddle).

Von einer Manipulation durch die Massenmedien - in welchem Sinne auch immer - kann jedoch nicht gesprochen werden, da zumindest aus den in dieser Arbeit gesammelten Statements ersichtlich ist, dass eine Orientierung an den massenmedialen Angeboten im wesentlichen auf freiwilliger Basis erfolgte.
Sonstiges : Im Vorangegangenen wurde die Rolle des “älteren Freundes” im Zusammenhang der Aufnahme erster popularmusikalischer Aktivitäten kaum beleuchtet. Dass es z.B. für die in dieser Arbeit vorkommenden weiblichen Interviewten einen älteren Freund - etwa wie bei Beat - nicht gegeben hat, liegt nicht zuletzt daran, dass sich unter den sich musikalisch längerfristig betätigenden Interviewten überhaupt nur zwei weiblichen Geschlechts finden, Vagabund und Bassistin. Die untersuchte “Szene” ist darüber hinaus - vergleichbar mit Friths “Rock`n`Roll-Bruderschaft” - auch sonst durch starke Abwesenheit von Frauen gekennzeichnet. Möglicherweise wäre solch einem älteren Freund von den Eltern der betreffenden weiblichen Interviewten ein gewisser Argwohn entgegengebracht worden 321. Auch andere Interviewte können hinsichtlich der Anfangsphase ihrer popularmusikalischen Aktivitäten nur wenig über darin involvierte ältere Freunde berichten.

Demgegenüber spielte der ältere Freund von Beat, einem der älteren Interviewten, für ihn nicht nur in Geschmacksfragen der derzeit aktuellen Popularmusik eine Rolle, sondern auch als Lehrer seiner ersten Fertigkeiten auf der Gitarre. Es kann jedoch angenommen werden, dass der ältere Freund insofern gewisse Eigeninteressen verfolgt haben dürfte, als dass er Beat eventuell für seine eigenen Tanz- bzw. Beatkapellen-Aktivitäten hatte anlernen wollen.


Selten ist auch die Schilderung eines popularmusikalische Aktivitäten begünstigenden jugendkulturellen bzw. subkulturellen Umfeldes. Im Fall von Spaß entwickelten Osnabrücker Jugendliche in der Mitte der 1960-er Jahre zwar gewisse Eigeninitiativen hinsichtlich ihrer eigenen kulturellen bzw. popularmusikalischen Präferenzen, und es kommt zur eigenverantwortlichen Einrichtung eines Treffs, dem ein wenig das Odium des Gegenkulturellen angehaftet haben dürfte. Jedoch war diese Einrichtung eher dem Musikhören und -machen, dem Alkohol trinken und dem Herummachen mit Mädchen vorbehalten, weniger irgendeiner Art selbstinitiierter Kulturpflege. In ähnlicher Weise verhält sich ca. 20 Jahre später auch Hobby, ein jüngerer Befragter, der zusammen mit anderen Jugendlichen in Ahrensburg einen Jugendclub gründete, in welchem eigene popularmusikalische Aktivitäten sowie die Beschaffung von Auftrittsmöglichkeiten realisiert wurden.

Hingegen wächst DJ Ende der 1960-er Jahre in das BRD-Hippie-Milieu einer Ruhrgebietsgroßstadt hinein und landet schließlich in einer Art Landkommune im Osnabrücker Landkreis. Gemäß DJs Ausführungen erfreuten sich in den Hippie-Kreisen seines näheren Lebensumfeldes bestimmte Popularmusik-Genres - vor allem das der sog. “progressiven Rockmusik” - sowie auch deren Praxis besonderer Beliebtheit und Wertschätzung 322. Ebenso beschreibt DJ die im derzeitigen Hippie-Milieu verbreiteten Ansichten über den Zusammenhang zwischen Drogenkonsum und musikalischer Kreativität (vergl. auch Harley u. Lederjacke I./II.), und er berichtet darüber hinaus auch über die Ausprägung einer Art “progressiver” Hippie-Hausmusik-Kultur in seinem Landkommunen-Domi-zil (vergl. auch Vagabund).

Demgegenüber scheint bei gewissen lokalen Protagonisten bestimmter subkultureller Jugendstile (Punk, New Wave) sowie in dem Umstand, dass zumindest die meisten der in der “Vorstudie 81/82” vorkommenden Musikgruppen einige Anleihen an gerade aktuelle jugend- bzw- subkulturelle Stile im Hinblick auf Kleider- und/oder Haarmode machten, ohne selbst entsprechenden Gruppierungen anzugehören, recht deutlich der Aspekt der massenmedialen Vermitteltheit auf (Harley, Lederjacke I./II.).
c) Wie kommt es zur ersten musikalischen Tätigkeit in einer Combo oder Band, und welchem musikalischen Genre ist diese Tätigkeit gewidmet?

Bei einigen Interviewten unterschiedlicher Altersstufe fanden - wie bereits erwähnt - erste popularmusikalische Aktivitäten im schulischen Rahmen statt (Bassistin, DJ, Lederjacke I./II., Hobby).

Dafür, dass es zur Aufnahme dieser Aktivitäten kommt, sind letztendlich Zufälle verantwortlich zu machen, ebenso bei ersten Combo-Aktivitäten im Freundeskreis (Spaß I./II.). Auf solche Zufälle schien man gemäß verschiedener Statements auch dann angewiesen zu sein, wenn sich innerhalb des Freundeskreises keine geeigneten oder überhaupt Mitspieler für ein Combo-Vorhaben fanden. Andererseits war man dann auch nicht abgeneigt, neu von außerhalb dazu stoßende Mitspieler in den restlichen Freundeskreis zu integrieren (Langer, Harley, Lederjacke I./II.). Darüber hinaus war man bestrebt, in der Combo mitwirkende Freundeskreismitglieder “bei der Stange” zu halten, auch wenn sich ihre Leistungen und/oder ihre Einstellung mit der Zeit für das Niveau/die Intention der gemeinsamen Combo als nicht mehr ausreichend bzw. als damit nicht mehr vereinbar erwiesen (Humor, Langer). Bei älteren Interviewten zeigte sich auch, dass die Mitglieder einer Musikgruppe, in die man hineingeriet, weil ein bestimmtes Instrument zu besetzen war, gelegentlich die Funktion eines Freundeskreises übernehmen konnten (Pharma).

Dass im Zusammenhang erster popularmusikalischer Combo-Aktivitäten jedoch häufig - wenn nicht sogar fast ausschließlich - zunächst auf Angehörige des Freundeskreises und ggf. auf gleichaltrige Verwandte von Gruppenmitgliedern oder Freunden der jeweiligen Combo zurückgegriffen wird, berichten Interviewte aller Altersstufen (Spaß I./II., Beat, Paradiddle, Lederjacke I./II., Harley, Lehrer, Hobby, Independent, teilnehmende Erinnerung). Dies würde erneut die bereits o.g. Sichtweise bestätigen, gemäß der die diskutierte Aktivität zunächst im wesentlichen als Aktivität eines Freundeskreises zu betrachten wäre.

Die musikstilistische Zuordnung und ggf. auch die eines entsprechenden “ideologischen” Hintergrundes der ersten popularmusikalischen Combo-Aktivitäten unterliegt jedoch Zeitbezug : War es z.B. in solch einem Rahmen in den frühen 1960-er Jahren kaum einen Gedanke wert, sich an etwas anderem als an der Interpretation gerade aktueller Beat-Schlager zu versuchen und nicht selber neue Beat-Schlager komponieren zu wollen (Beat, Spaß I./II.), stellt sich zu Beginn der 1980-er Jahre die lokale Popularmusik in ihren stilistischen Ausprägungen erheblich facettenreicher dar - was sich auch schon bei den musikalischen Protagonisten der “Vorstudie 81/82” abbildete. Nicht nur, dass seit den 1960-er Jahren in Osnabrück erheblich mehr unterschiedliche Popularmusikstile praktiziert werden, es gilt inzwischen zumindest bei den in der “Vorstudie 81/82” vorkommenden Musikern als verpönt, fremde Kompositionen nachzuspielen - ein Aspekt, der allerdings bereits in den ersten Combo-Aktivitäten einiger dieser AkteureInnen aufscheint (Harley, Lederjacke I./II.) -, sowie als ausgeschriebenes Ziel, mit der eigenen Musik auch irgendwann Geld zu verdienen.

Dieses “Verdikt” scheint für jüngere Interviewte einiges an Verbindlichkeit eingebüßt zu haben (Paradiddle, Lehrer). Mitglieder einer jüngeren Combo äußerten sich etwa in dem Sinne, dass das Spielen eigener Kompositionen für die ihre popularmusikalische Praxis zwar als erstrebenswert, die Möglichkeit, damit zu Geld und Erfolg zu gelangen, jedoch als einigermaßen unwahrscheinlich betrachtet wird (Independent). Auch der durch das Nachspielen bestimmter Popularmusik-Klassiker erzielte Lerneffekt wird inzwischen von einigen jüngeren Musikern als durchaus hoch eingeschätzt (teilnehmende Beobachtung).

Darauf, dass erste popularmusikalische Combo-Aktivitäten nicht selten als von einem bestimmten musikalischen Vorstellungshintergrund seitens der jeweiligen Akteure begleitet zu begreifen sind, welcher u.U. von aktuellen Massenmedienangeboten beeinflusst sein kann (Beat, Hobby; vergl. auch 2.1.a)/Stichwort “Massenmedien”), wurde weiter oben schon hingewiesen. Kann diesbezüglich unter den einzelnen Combo-Mitgliedern keine Deckung erzielt bzw. im Fall zu unterschiedlicher, unvereinbarer Hintergründe für das gemeinsame Spiel keine Kompromisslösung gefunden werden, geht die gemeinsame Tätigkeit mehr oder weniger schnell wieder ein (“Vorstudie 81/82”/Auswertung, teilnehmende Beobachtung) - wobei Unterschiede hinsichtlich musikalisch-spieltechnischer Fertigkeiten sowie zwischenmenschliche Aspekte zunächst vernachlässigt werden.

Andererseits muss davon ausgegangen werden, dass gerade bei den ersten Combo-Aktivitäten der musikalische Vorstellungshintergrund und die tatsächlichen musikalisch-handwerklichen Möglichkeiten der Akteure entsprechend auseinander klaffen dürften (Spaß I./II., Hobby, Harley, teilnehmende Beobachtung).

Es wird deswegen an dieser Stelle die Spekulation geäußert, dass einige erste Combos schon allein deswegen für eine Weile zusammen bleiben, weil spielerische Defizite der Akteure vor dem Freundeskreishintergrund der jeweiligen Combo eine Art Vertrauensschutz genießen dürften und deswegen vielleicht eher auch für eine Weile hingenommen, u.U. sogar akzeptiert werden, wenn sich gewisse Erfolge für die gemeinsame Musikgruppe einstellen (Langer, Humor, Harley, Lederjacke I./II., Independent, Hard-rock, teilnehmende Beobachtung).

Nicht zuletzt weisen erste Combo-Aktivitäten schon allein wegen des dafür häufig nur zur Verfügung stehenden und dem notwendigen Minimalstandard kaum entsprechenden Equipments einen gewissen provisorischen Charakter auf (Spaß I./II., Harley, Langer, Humor, Lehrer, Hobby), der natürlich die akustischen Ergebnisse nicht unberührt lässt, so dass man über tatsächliche und/oder zukünftige Qualitäten der gemeinsamen musikalischen Tätigkeit zunächst sowieso noch nichts Genaues sagen kann. Immerhin hat man erst einmal beim gemeinsamen Krachmachen eine Menge Spaß gehabt. Dass daraus am Ende auch noch irgendwie Musik wird, das ergibt sich schon (Spaß I./II., Humor, Langer, Hobby, teilnehmende Beobachtung), oder es stellt sich als Ergebnis bestimmter richtig angewandter außermusikalischer Hilfsmittel ein - etwa als Nebenfolge des Genusses sog. “weicher Drogen” oder bestimmter Halluzinogene (Harley).



Eine striktere Verbindlichkeit des musikalischen Vorstellungshintergrundes wäre im Zusammenhang der ersten gemeinsamen Combotätigkeit insofern in Frage zu stellen, als dass Interviewte quer zu den Altersstufen sich in dem Sinne äußerten, ihnen wäre zunächst einmal daran gelegen gewesen, überhaupt mit anderen zusammen einer popularmusikalischen Tätigkeit nachgehen zu können, egal welche Musik man gemeinsam gespielt hätte (Spaß I./II., Lederjacke II., Independent). Man hätte sich mit bestimmten Musikstücken nur deswegen beschäftigt, um etwas zusammen spielen zu können und/oder weil man leicht an Noten bzw. “Song-Books” herangekommen sei (Hard-rock). Stilfragen, die die gemeinsame Musik betrafen, erlangten erst in späteren Phasen der popularmusikalischen Tätigkeit Bedeutung, obschon man bereits vorher bestimmte individuelle Präferenzen hatte (Harley, Lederjacke II.).
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