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3.1 Tatarei – Tartarei – Māwarā’an-nahr – Transoxanien
Die ersten Erwähnungen von Vorfahren der heute existierenden usbekischen Ethnie
tauchten bereits in einer Epoche auf, als
Māwarā’an-nahr
– das Zweistromland –
gerade seine Blüte erreichte.
Māwarā’an-nahr
war in Europa als Transoxanien bekannt, J. G. Herder beschreibt es
als „
Kindheitsland der Kulturgeschichte der Menschheit
“ (nach: Krusche 1985, S. 29).
Doch die älteste kulturhistorische Bezeichnung für Mittelasien, darunter auch für das
heutige Usbekistan, war
Tartarey
(auch
Tatarei
oder
Tartarei
genannt).
Die Fremdbezeichnung
Tartarey/Tartarei
wird von verschiedenen Autoren für
lexikalisch unterschiedliche Bedeutungen verwendet: für die Mongolei von Carpini, für
Māwarā’an-nahr
von Schiltberger, was zunächst verwirrend wirkt. Was die Autoren mit
dieser Bezeichnung meinen, erscheint in den meisten Fällen unklar und diffus.
Diesen unklaren Gebrauch erklärt Vámbéry folgendermaßen:
„
Zu uns nach Europa ist der Name durch russische Vermittlung gedrungen, richtiger
gesagt, durch die ersten europäischen Reisenden, welche in Rußland die Mongolen
unter diesem Namen nennen gehört, wo man noch heute mit demselben den
Mohammedaner im allgemeinen bezeichnet, während bei uns im Mittelalter der Name
‚Tatar‘ oder ‚Tartar‘ in dem Sinne ‚Skythe‘ oder ‚Barbar‘ gebraucht worden ist.
“
(Vámbéry 1882, S. 436)
So bleiben die weit auseinanderliegenden Bedeutungsdifferenzen dieses Wortes ohne
Klärung:
Tartaren/Tataren
sind nach Vámbéry 1) Mongolen (eine ethnische
Gruppierung), 2) Mohammedaner (Muslime), 3) Skythen (Reiternomadenvölker) oder
4) Barbaren (unzivilisierte, kulturlose Menschen/Völker).
Sidikov, der sich umfassend mit dem Thema befasst hat, schreibt dazu:
„
Die erste Vorstellung, vertreten durch das Wort Tatarei, ist eine Wahrnehmung
Mittelasiens als ein Hort der Barbarei. Diese Vorstellung (ein Tatar sei ein Barbar),
drängte sich dem deutschen Leser geradezu auf, da sich das Wort Tatarei und seine
Ableitungen (Tataren, tatarisch usw.) lautmäßig und, was wichtiger ist, historisch mit
dem Wort Barbarei reimten.
“
(Sidikov 2003, S. 40)
Die Herkunft des Begriffs
Tartarei
, anders als
Tatarei
, geht auf ein Wortspiel König
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Ludwig des Heiligen zurück, der
Tartarei
mit
Tartaros/Tartarus
gleichsetzte. Tartarus
steht in der griechischen Mythologie für die Unterwelt (vgl. ebd.: S. 40-41).
Diese
Bedeutung des Wortes wird von Carpini gemildert: Er korrigiert es auf
Tattari
oder
Tatari
(vgl. Schmieder (Hrsg.) 1997, S. 18).
Tartar/e
ist also keine ethnische, sondern eine Pars-pro-toto-Bezeichnung und
entstand durch den irrtümlichen bzw. absichtlichen Einschub eines Buchstabens – r –
mit Bezug zum griechischen Ausdruck für ʻHölleʼ. Sie wurde als Synonym für Brutalität
und Unzivilisiertheit verwendet.
Tataren
sind dagegen eine ethnische Gruppe, welche die tatarische Sprache spricht
und hauptsächlich im autonomen Tatarstan der Russischen Föderation lebt.
In dieser Untersuchung
bezieht sich der Begriff
Tatarei/Tartarei
auf das spätere
Mittelasien, Zentralasien und Turkestan. Aus methodischen Gründen wird hier die
vollständige Begriffsentwicklung nicht thematisiert.
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