29
Meinung, dass Texte aus Verhalten geformt sind und
entsprechend interpretiert
werden müssen (vgl. Geertz 2010 [1926], S. 209). Dichte Beschreibungen der
Ethnologie beziehen sich auf die Textsorte des Essays, wo Kultur und kulturelle
Konzepte analysiert werden, als deren Grundlage die Weltanschauung des Einzelnen
betrachtet wird. Linguokulturologie spricht in diesem Fall von der
Sprachpersönlichkeit
,
deren kulturelle Werte sich in der Sprache widerspiegeln (siehe dazu Abschnitt 2.2.5).
Dieser Ansatz ist auch der literaturwissenschaftlichen Hermeneutik analog, weshalb
Geertz Kultur als
ein Dokument beschreibt, das interpretiert werden könnte und sollte
(vgl. Hejl 2008 [1998], Sp. 393). Aus diesem Grunde sind die in Reiseberichten narrativ
dargestellten Konstellationen zwischen dem Fremden und dem Eigenen zu
entschlüsseln und zu interpretieren.
2) Hermeneutische Differenzierung von Lotman, der
Kultur
als Gesamtheit der
Texte
versteht. Texte werden dabei als eine Schatzgrube an Informationen bezeichnet,
die methodengeleitet entschlüsselt werden müssen. Diese Informationen gelten als
unikal, denn sie spiegeln die besondere persönliche Beziehung des Autors zur
fremden Kultur wider (vgl. Lotman 1997, S. 202-212).
Das symbolische Herangehen von Lotman konzentriert sich auf die Verwendung
von Symbolen in der Kultur (vgl. Lotman 1987, S. 754). Kultur ist nach Lotman
„
ein symbolisches Weltall
“ [russ. ʻсимволическая вселеннаяʼ] (Lotman 1996, S.
148); jede Nation besitzt eine
Sammlung eigener Traditionen, Sitten und
Bräuche, die dieser Kultur als Symbole dienen und empirisch zugänglich sind.
3) Anders als das Kulturkonzept von Johann Gottfried Herder (1995 [1785]), das
unter Kulturen
geschlossene Kugeln
versteht, was in der heutigen globalisierten Welt
zu Störungen des interkulturellen Verständnisses und zu separatistischen
Überlegungen führen könnte, findet die vorliegende Arbeit ihren theoretischen
Rahmen im transkulturellen Ansatz von
Wolfgang Welsch unter einer
konstruktivistischen Perspektive. Laut Welsch haben moderne Kulturen „
de facto nicht
mehr die unterstellte Form der Homogenität und Separiertheit, sondern sind
weitgehend durch Mischungen und Durchdringungen gekennzeichnet
“ (Welsch 1998,
S. 51).
Mit diesem Ausgangspunkt entwickelt Welsch das neue Konzept der Transkulturalität.
Die traditionellen Kulturkonzepte findet er unfähig, „
die Wurzel des Problems
anzugehen
“, und die Konzepte der Inter- und Multikulturalität seien „
nicht radikal
genug, sondern bloß kosmetisch
“ (ebd.: S. 48). Sein Kulturkonzept bleibt allerdings
zunächst einmal theoretisch, es fehlen noch die klaren wissenschaftlichen Strukturen,
30
was die methodische Herangehensweise anbelangt. Diesem Konzept zufolge liefern
die Reiseberichte kein Abbild der von den Reiseautoren vorgefundenen Realität, das
zutreffend oder nicht zutreffend sein könnte, sondern sie schaffen Konstrukte bzw.
Bilder, die oft mehr über sie selbst als über die bereisten Länder und Ethnien
aussagen. Sprache dient dabei als Träger kulturell konstruierter Fremdbilder, denn
diese sind erst in ihrer sprachlichen Rekonstruktion erfassbar.
Die Gründe, warum diese Ansätze für die vorliegende Untersuchung relevant sind,
sind folgende:
In der Beschäftigung mit einer (fremden) Kultur entsteht
eine interkulturelle
Begegnung; verschiedene Kulturen und ihre Differenzen stehen im Mittelpunkt
der Forschung.
Die Untersuchung wird am Beispiel narrativen Geschehens durchgeführt, d. h.,
das Untersuchungsmaterial muss „
in Form eines Textes, eines Tagebuches,
einer Nacherzählung, eines Kommentars vorliegen
“ (Müller-Funk 2006, S. 241).
Jeder Reisebericht konnte von anderen Autoren (anders) interpretiert und
kommentiert werden, sodass Intertextualität zu einem Instrument der Analyse
wird.
Jeder Reiseautor entwickelte eine persönliche Beziehung zum Reiseland und
die Reiseberichte spiegeln diese subjektive Wahrnehmung des Autors wider.
Die
Untersuchungstextkorpora
beinhalten
reichlich
Kultursymbole
und -informationen sowie Stereotype.
Die Untersuchung beschäftigt sich somit mit verschiedenen Beziehungen, vor allem
mit dem Verständnis des ethno-sprachlichen Weltbildes, der Sprachkenntnis und den
mit den Besonderheiten des kulturell-kognitiven
Sprachraumes verbundenen
Aspekten.
Do'stlaringiz bilan baham: