Auf einem Stern mit silbernen Zacken
hemdchenumflattert,
strammbeinchenstrammbelnd,patschhändchenampelnd,
grübchenwangig
sitze ich,
jauchze...und...lache
Ein
kleines, vergnügtes,
fröhlich zufriedenes(...)
blondlockiges, blauäugiges,
pausbäckiges
Kind! (...)
Wolkenwiesen-Zitterglöckchen
klingen (...)
Hier kommt deutlich die zweite Ebene, die unwirkliche Sphäre mit romantisierenden, beinahe kitschig wirkenden Motiven zum Ausdruck. Auch die Glücksvisionen und der Wunschtraum der Verwandlung wird deutlich. Das lyrische Ich wird hier zum Kind, dass in seiner Traum- und Glückswelt existiert.
In der Mitte des Gedichtes wechselt jedoch die Stimmung, hier heißt es plötzlich:
Unten
grämt sich der Vater...unten...schluchzt die Mutter,
ich
sitze, juble
und
flechte mir
einen Kranz aus Himmelsschlüsselchen.
Lieber Vater!
Liebe Mutter!
Weint nicht! (...)
Hier wechseln sich beiden Ebenen ab, die zweite Ebene, eine Darstellung des Alltags, kein Wunschdenken, sondern traurige Realität wird sichtbar.
Beide Ebenen verbinden sich im Gedicht.
Holz Ziel war es, dass sich im Bewusstsein des Dichters beide Ebenen zu Einer Einheit zusammenschließen, was ihm im Gedicht „Himmelslegendchen“ gelungen scheint.
Die zentrale Idee des Phantasus ist, dass das Ich des Dichters die gesamte Welt in Raum und Zeit in sich aufnimmt. Das Lyrische Ich durchwandert alle Entwicklungsstadien der lebenden Substanzen indem es sie in Metamorphosen nachvollzieht. Dabei orientiert sich Holz am biogenetischen Grundgesetz von Ernst Haeckl. Der Inhalt des Phantasus bezieht sich einmal auf die Ontogenese (die frühgeburtliche Entwicklung des Menschen oder eines anderen Lebewesens) und die Phylogenese (die Entstehung der Vielfalt der Arten auf der Erde). Diese metarmorphosischen Entwicklungen vollzieht das lyrische Ich im Phantasus physisch und auch psychisch.
Holz hat weiterhin den Anspruch auf eine universelle Darstellung des Denkens und Empfindens. Dies führt ihn zu Sprachexperimenten und Wort- und Klangspielen, was auch im Gedicht „Himmelslegendchen“ zum Ausdruck kommt.
1908 erscheint eine erweiterte Ausgabe des Phantasus, eine weitere 1916. Auch hier spielt wieder die realistische Milieudarstellung um die Jahrhundertwende eine Rolle, wie das Gedicht „Der Liebe Gott“ (siehe Anhang) zeigt. Bei diesem Gedicht handelt es sich um eine Momentaufnahme aus dem Weddinger Milieu, wo Bettler zu dieser Zeit keine Seltenheit waren. Holz ist nach wie vor das soziale Thema in der Lyrik wichtig. Er will dem Leser die Augen für soziale Zustände öffnen, die der Leser sonst nicht sehen kann oder will. Holz liefert aber nur ein Bild. Er will nicht belehren und gibt auch kein Patentrezept.
Eine Gesamtausgabe mit 3 Bänden, mit insgesamt 1345 Seiten erscheint 1923.
Die letzte Ausgabe des Phantasus erscheint drei Jahre später, in Holz‘ Sterbejahr.
Die Schlußstrophe ist Teil seiner Grabinschrift. So hat sie um so mehr symbolischen Wert für den Inhalt des Pantasus:
„ Mein
Staub verstob,
Wie
ein Stern strahlt mein
Gedächtnis! „
Thematische Veränderungen hat Holz schon lange vor seinem „Phantasus“ angestrebt und auch schon im „Buch der Zeit“ gefordert. Im Phantasus kommt es aber auch zu einer Formerneuerung, die er in seiner, gleichzeitig zum Phantasus erschienenen Schrift „Revolution der Lyrik“ auch theoretisch fordert und versucht theoretisch zu untermauern. Die Schrift „Revolution der Lyrik“ ist in erster Linie eine Sammlung von Dokumenten, Kritiken und Antworten von Holz.
Holz kehrt sich im Phantasus völlig von der Verwendung von Reim, Strophe und traditioneller Metrik ab. Der Rhythmus soll im Vordergrund stehen, er soll den Inhalt transportieren, also das was ausgedrückt werden soll, verstärken. Die Lyrik soll nicht mehr von Reim und Strophe getragen werden, sondern allein vom Rhythmus. Die Anordnung der Verszeilen um die imaginäre Mittelachse ist für Holz formale Konsequenz des rhythmischen Prinzips. In der hervorgehobenen Bedeutung des Rhythmus und der Weglassung von Strophe und Reim besteht der erste Schritt vom Naturalismus zum Impressionismus.
Eine wichtige Rolle für Holz‘ Revolution der Lyrik spielt seine Beeinflussung durch japanische Lyrik und Dichtung, für die Holz großes Interesse hatte.
2.4. Revolutionierung der Kunst
In seiner Schrift „Revolution der Lyrik“ versucht Holz nicht nur eine Untermauerung seiner lyrischen Experimente, er kritisiert auch die zeitgenössische Dichtung, die sich nicht an den gesellschaftlichen Auseinandersetzungen der Zeit beteiligt. Weiterhin verteidigt er die „vielgeschmähte“ Lyrik. Arno Holz will auch dem weniger bemittelten Teil des Volkes Lyrik zugänglich machen, und so hofft er, dass dieser Teil des Volkes diese neue Kunst häufiger genießen kann, als andere Kunstarten.
Holz begeistert sich auch für die politische Lyrik des Vormärz. Für ihn liegt die Zukunft in der sozialen Lyrik. „Diese soziale Lyrik würde alle Vorzüge der politischen besitzen. Sie würde nicht urplötzlich wie jene meteorartig aufblitzen und dann urplötzlich verlöschen, sondern ewig in der Unmittelbarkeit ihrer Wirkung Einbuße erleiden [...] Sie würde[...] als ihr Echo überhaupt alles, was in ihr lebt und webt, jauchzt und stöhnt, lacht und weint, sinnt und fühlt, liebt und haßt, mit einem Worte, die Zeit selbst, in dichterische Gebilde krystallisiert dem steten Interesse einer dankbaren Nachwelt überliefern.“
Ab 1890 war für Arno Holz nur noch die Revolutionierung der Kunst Ziel. In den 80er Jahren arbeitete er noch mit Zeitgenossen an der Neugestaltung der Verhältnisse von Kunst und Gesellschaft, nun kritisiert er diese Arbeit und bezeichnet sie als „Irrtum“.
Holz Grundsatz lautete: „Man revolutioniert eine Kunst nur, indem man ihre Mittel revolutioniert.“ Daraus leitete Holz sein Programm für die Revolution der Lyrik ab.
Ziel der neuen Lyrik ist ihr notwendiger Rhythmus, der jedes mal neu aus dem Inhalt wächst. Holz strebte danach Inhalt und den Klang der Worte bzw. den Rhythmus zu einer Aussage zu verschmelzen.
Außerdem war es für Holz sehr wichtig, dass der ursprüngliche Wert eines Wortes diesem gelassen wird. „Diese ursprünglichen Werte aber den Worten zu lassen und die Worte weder aufzupusten noch zu bronzieren oder mit Watte zu umwickeln, ist das ganze Geheimnis. In der Formel, so unscheinbar sie auch klingt, konzentriert sich alles. wenn ich einfach und schlicht „Meer“ sage, klingts wie „Meer“; sagt es Heine in seinen Nordseebildern, so klingt es wie „Amphritrite“. Das ist der ganze Unterschied.“ Amphritrite ist die Tochter des griechischen Meergottes und die Königin der Meere. Ich denke Holz spielte hier auch auf Metaphern an. Er versuchte in seinen Gedichten möglichst alles mit den Worten zu beschreiben, die das, was er ausdrücken wollte wirklich meinen. Notfalls „erfand“ er die Wörter. Diese Position begriff Holz als Weiterentwicklung der Lyrik und als „Weg zur Natur“. Holz sah die Kunst und somit auch die Literatur als sich weiterentwickelnden Organismus, und zwar als sich naturgesetzlich entwickelnden Organismus. Er meinte deshalb auch, dass seine Schrift korrekterweise den Namen „Evolution der Lyrik“ verdient hätte.
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